Archäologen bei Ausgrabungen zwischen Knochen.
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Eines von acht Massengräbern aus dem 17. Jahrhundert im Nürnberger Stadtteil St. Johannis, der wohl größte Pestfriedhof Deutschlands.

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Deutschlands größter Pestfriedhof in Nürnberg gefunden

Auf einer Baustelle in Nürnberg sind Archäologen auf jahrhundertealte Skelette gestoßen. Nun steht fest: Es handelt sich dabei um den wohl größten Pestfriedhof Deutschlands – vielleicht sogar den zweitgrößten Europas.

Über dieses Thema berichtet: Frankenschau aktuell am .

Eigentlich soll hier ein Pflegeheim für Senioren gebaut werden. Doch nun graben sie nach Pesttoten. Mit Kellen, Schaufeln und Pinseln legen die Archäologen auf der Baustelle im Nürnberger Stadtteil St. Johannis ganz behutsam Knochen für Knochen frei. Jedes noch so kleine Teil wird beschriftet, eingetütet und penibel dokumentiert.

Mehr als 700 Tote haben sie hier schon ausgegraben, sagt Stadtarchäologin Melanie Langbein, die dem Fund große Bedeutung beimisst: "Pestgräber, die sich außerhalb von Städten befinden, sind häufig unbekannt. Deshalb ist die Zahl der reinen Pestfriedhöfe relativ überschaubar." Der Pestfriedhof in St. Johannis sei aller Wahrscheinlichkeit nach der größte in Deutschland, der bisher gefunden wurde.

Einer der größten Pestfriedhöfe Europas

Noch stehen die Arbeiten am Anfang. Derzeit sind die Archäologen mit dem dritten von insgesamt acht Massengräbern beschäftigt. Am Ende der Ausgrabungen – so schätzen die Experten – liegt die Dimension bei 1.000 bis 1.500 Bestattungen. Dann wäre der Fundort der zweitgrößte Pestfriedhof Europas, nach St. Pölten in Österreich, so Melanie Langbein. Der Fund in Nürnberg stamme wohl aus dem 17. Jahrhundert. Allein im Mittelalter raffte der "Schwarze Tod" ein Drittel der Bevölkerung Europas hinweg.

"Nach allem, was wir bisher wissen – wir haben zum Beispiel Münzfunde oder auch schriftliche Quellen – gehört der Friedhof wohl in die 1630er Jahre", sagt die Stadtarchäologin. Von 1632 bis 1633 habe es in Nürnberg eine große Pestepidemie mit mehr als 15.000 Toten gegeben. Mit dem St. Johannisfriedhof, der nicht weit entfernt liegt und wo unter anderem Albrecht Dürer begraben ist, hätten die Pestgräber nichts zu tun, sagt Melanie Langbein. Es handele sich bei den aktuellen Ausgrabungen um einen eigenen, abgegrenzten Pestfriedhof.

Tote in Massengräbern gestapelt

In den Gräbern liegen die sterblichen Überreste von Männern, Frauen und Kindern. Das zeige, dass die Pest weder vor Alter noch Geschlecht haltgemacht habe, erklärt Nürnbergs Oberbürgermeister Marcus König (CSU) beim Besuch der Grabungsstätte. An manchen Stellen liegen Hunderte Skelette in mehreren Schichten in einem Grab.

"Teilweise sind die Toten in ein Leichentuch gewickelt, teilweise nur in ihrer normalen Kleidung, die wurden da in Reih und Glied reingeschlichtet, möglichst platzsparend", beschreibt Melanie Langbein den Fund. Und so müssen sich die Archäologen vorsichtig Schicht für Schicht vorarbeiten. Eine aufwändige Aufgabe, die viel Zeit in Anspruch nimmt.

Würdevoller Umgang mit historischem Ort

Für Marcus König ist die Ausgrabungsstätte ein bedeutender Ort für die Geschichte der Stadt. Mit diesem Ort müsse man nun würdevoll umgehen, so der Oberbürgermeister. "Das waren Nürnbergerinnen und Nürnberger, das waren Menschen, die hier in einem Grab liegen. Wir wollen diesen Ort als Geschichtsort kenntlich machen und auch zeigen: Was war da? Was ist hier passiert?"

Zum einen, meint König, sollen die Funde der Wissenschaft zur Verfügung gestellt werden. Zum anderen werde es in der Zukunft eine Dauerausstellung geben.

Seniorenheim-Baustelle noch im Zeitplan

Trotz aller Freude über den seltenen Fund: Gerade beim Bauherren, der WBG Nürnberg, steht neben der genauen Dokumentation der Funde auch die Realisierung ihres Bauprojektes ganz oben auf der To-do-Liste. Von den Verantwortlichen heißt es, man sei noch im Zeitplan. Die Hoffnung, diesen einhalten zu können, sei weiterhin vorhanden.

Offiziell soll das neue Seniorenheim unweit des Pegnitzgrundes Ende 2026 bezugsfertig sein. Sowohl ein Pflegeheim als auch Wohnungen speziell für Senioren sind geplant.

Im Video: Pestfriedhof im Nürnberger Stadtteil St. Johannis entdeckt

Einige der Gebeine die St. Johannis augehoben wurden. Ihre Färbung entsteht durch Kupferbelastung in der Erde.
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Die Toten liegen hier dicht an dicht: In Nürnberg ist Deutschlands vermutlich größter Pestfriedhof gefunden worden.

Dieser Artikel ist erstmals am 20. Februar 2024 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.

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