Das Gebäude des Europäischen Rates in Brüssel. Im Vordergrund wehen Flaggen der Europäischen Union.
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Vor EU-Gipfel: Corona, Außenpolitik und ein hoher Besuch

Der Europäische Rat berät ab diesem Donnerstag über das weitere Vorgehen in der gemeinsamen Impfstrategie. Neben der Pandemie-Bekämpfung soll es auch um große außenpolitische Fragen gehen. Aus Washington hat sich US-Präsident Biden angekündigt.

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Weil die Infektionszahlen in Europa wieder steigen, hat auch Charles Michel die Notbremse gezogen. "Wir bleiben zuhaus", das gilt auch für die Staats- und Regierungschefs der EU. Der reguläre Gipfel wurde ins Netz verlagert, inhaltlich wird sich aber längst nicht alles um Corona drehen.

Zwar bestimmen die Beschaffung und Verteilung von Impfstoffdosen weiterhin die Debatte, außenpolitische Fragen wie die Beziehungen zu Russland und der Türkei sind aber ebenfalls zu klären. Obendrein hat sich hoher Besuch angekündigt: US-Präsident Joe Biden wird am Donnerstagabend zugeschaltet.

Diskussion über Exportbeschränkungen für Impfstoff

Schon seit Beginn der Woche hatte es in der EU-Kommission gebrodelt. Weil der britisch-schwedische Hersteller Astrazeneca deutlich unter den vertraglich festgehaltenen Lieferzusagen zurückbleibt, wurden Rufe nach einem Exportstopp laut. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen brachte als Erste den Vorschlag auf und die Chefin des europäischen Impfprogramms, Sandra Gallina, legte nach: Die EU müsse alle Maßnahmen ergreifen, um die Menge an Impfstoffdosen zu sichern, die ihr zusteht.

Kommission verzichtet auf generelles Exportverbot

Schon am Mittwoch legte sich die Kommission auf eine Maßnahme fest, die sogleich zum Auftakt des Gipfels diskutiert werden soll. Die im Februar eingeführte Exportkontrolle soll verschärft werden, es gilt ein wichtiger Grundsatz: Ausfuhrsperren werden erlaubt, wenn das Zielland eigens produzierten Impfstoff nicht exportiert, oder beim Impfen der Bevölkerung bereits weit fortgeschritten ist. Von einem generellen Exportverbot wurde aber abgesehen.

"Es ist nicht unsere Absicht, Dinge zu blockieren“, hieß es aus Kommissionskreisen. Brüssel setze daher auf die Prinzipien Gegenseitigkeit und Verhältnismäßigkeit.

Holetschek: Mehr Impfstoff bringt Bayern weiter

Bayerns Gesundheitsminister begrüßt den Vorstoß der Kommission. Gegenüber dem BR erklärte Klaus Holetschek (CSU), er halte die Überlegungen für richtig. "Es kann nicht sein, dass wir Impfstoff rausgeben und selber nicht genügend für unsere Bürgerinnen und Bürger dahaben." Mehr Impfstoff, so der CSU-Politiker, würde auch in Bayern helfen. Je schneller man vorankomme, desto schneller sei auch die Einbindung der Hausärzte möglich. "Und damit können wir letztendlich Menschenleben retten."

Ursula von der Leyen verwies auf die Dringlichkeit des Vorhabens: "Jeder Tag zählt." Das Ziel sei eine faire Versorgung der EU mit ausreichend Impfstoff. "Wir müssen schnelle und ausreichende Lieferungen an die EU-Bürger sicherstellen", erklärte die Kommissionschefin.

Österreich regt Debatte um neuen Verteil-Mechanismus an

Mit der bloßen Beschaffung ist es aber nicht getan. Geht es nach einigen EU-Ländern, soll auch die Verteilung innerhalb der Staatengemeinschaft neu diskutiert werden – hier fordern einzelne Gipfelteilnehmer mehr Fairness, allen voran Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP). Gemeinsam mit einigen Mitgliedstaaten fordert er eine Neuverteilung der an die EU gelieferten Dosen.

Der Vorwurf des Österreichers: Die Auslieferung sei nicht wie im Januar vereinbart gleichzeitig und nach Bevölkerungsanteil an alle EU-Staaten erfolgt. Vielmehr habe man sich an der Bestellmenge orientiert, die die Länder bei der Kommission eingereicht hatten. Die Regierungschefs der Slowakei, Kroatien, Tschechien, Slowenien, Bulgarien und Lettland haben sich der Forderung von Kurz angeschlossen. Deutschlands Europastaatsminister Michael Roth (SPD) hingegen machte bereits am Dienstag deutlich: Er hält nichts von der Anregung, einen neuen Verteil-Mechanismus zu entwickeln.

Gipfel befasst sich mit Russland und der Türkei

Neu aufgerollt wird aber die Frage nach dem weiteren Umgang mit Russland. Schon Anfang Februar hieß es in Brüssel, die Beziehungen seien "auf einem Tiefpunkt angelangt". Es folgte der Besuch des Außenbeauftragten Josep Borrell in Moskau, der in den Augen vieler Beobachter einer Blamage glich. Abgeordnete des Europaparlaments forderten den Rücktritt des Spaniers. Am Montag dann das Telefonat von Ratspräsident Charles Michel mit Wladimir Putin und die erneute Forderung der EU an den russischen Präsidenten, den Oppositionellen Alexej Nawalny freizulassen und das Attentat auf ihn "transparent zu untersuchen".

Michel resümierte: "Derzeit gibt es Meinungsverschiedenheiten in vielen Bereichen2. Um das Verhältnis wieder "in eine andere Richtung zu lenken2, brauche es eine Vielzahl an Fortschritten: der Umgang mit der Ukraine, ein Ende der Cyberangriffe auf EU-Staaten und Respekt für Menschenrechte.

Ähnlich belastet sind auch die Beziehungen nach Ankara. Neben dem Erdgaskonflikt im östlichen Mittelmeer mit den EU-Staaten Griechenland und Zypern beschäftigt sich der EU-Gipfel auch mit der Zukunft des Flüchtlingsabkommens, das 2016 mit der Türkei geschlossen wurde. Hierbei seien aber noch nicht alle Entscheidungen getroffen worden, heißt es aus Berlin.

Transatlantische Verhältnis: Joe Biden nimmt an EU-Gipfel teil

Bleibt noch der virtuelle Besuch des US-Präsidenten, der auf Einladung von Ratspräsident Michel am Gipfel teilnehmen wird. Dabei soll es um die Sicht von Joe Biden auf die künftige Zusammenarbeit mit der EU gehen. "Es ist Zeit, das transatlantische Bündnis neu aufzubauen", erklärte Michel.

Das Weiße Haus teilte mit, Biden wolle über seinen Wunsch sprechen, "die Beziehungen zwischen den USA und der EU neu zu beleben, gemeinsam gegen die Pandemie und den Klimawandel vorzugehen und die weltweit umfangreichsten Beziehungen in den Bereichen Handel und Investitionen neu zu vertiefen". Auch über die Außenpolitik zu Russland und China soll demnach beraten werden. Sowohl die EU als auch die USA haben zu Beginn der Woche Sanktionen gegen China verhängt. Grund dafür sind die Menschenrechtsverletzungen an den Uiguren und anderen in China lebenden muslimischen Minderheiten.

Der EU-Gipfel ist auf zwei Tage ausgelegt. Vor dem Auftakt an diesem Donnerstag gab Bundeskanzlerin Merkel in Berlin eine Regierungserklärung ab.

Digitaler EU-Gipfel
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