Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sitzt beim Sommerinterview von Berlin direkt mit der ZDF-Chefredakteurin Bettina Schausten.
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Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sitzt beim Sommerinterview von Berlin direkt mit der ZDF-Chefredakteurin Bettina Schausten.

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US-Streumunition für Ukraine: Steinmeier gegen Blockade

2008 hat er als Außenminister das Osloer Übereinkommen zur Ächtung von Streumunition unterschrieben. Nun akzeptiert Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im ZDF-Sommerinterview die Lieferung derartiger Munition der USA an die Ukraine.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Deutschland sollte nach Ansicht von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die von den USA angekündigte Lieferung von Streumunition an die Ukraine nicht blockieren. Es sei zwar richtig, dass diese Art der Munition nach wie vor von der Bundesregierung geächtet werde und sich Deutschland gegen Lieferungen ausspreche, sagte Steinmeier am Sonntag im ZDF-"Sommerinterview". Deutschland könne aber "in der gegenwärtigen Situation den USA nicht in den Arm fallen".

Steinmeier unterschrieb Osloer Übereinkommen

Die USA hatten am Freitag angekündigt, Streumunition an die Ukraine zu liefern, um das Land im Verteidigungskrieg gegen Russland zu unterstützen. Steinmeier verwies darauf, dass er selbst in seiner Zeit als Bundesaußenminister 2008 das Osloer Übereinkommen zur Ächtung von Streumunition unterschrieben hatte, dem mehr als 100 Staaten angehören. Er sei in dieser Debatte daher "befangen". Steinmeier ließ aber erkennen, dass er die von den USA geplante Lieferung von international weitgehend geächteter Streumunition nicht gutheißt.

Der Bundespräsident betonte mit Blick auf die Diskussionen um Waffenlieferungen an Kiew: Wenn das Land seine Verteidigung einstelle "oder wir dafür sorgen, dass sie nicht mehr verteidigungsfähig sind, wird es das Ende der Ukraine sein". Er erkenne im Moment noch nicht die Bedingungen, unter denen er sich einen Waffenstillstand vorstellen könnte, sagte Steinmeier. Er würde zum jetzigen Zeitpunkt bedeuten, "dass man den Landraub, den Russland in der Ukraine betreibt, dass man diesen Landraub belohnt". Russland müsse seine Truppen abziehen und solange das nicht der Fall sei, müsse man Verständnis für die Ukraine haben.

Steinmeier zu AfD: Brauchen keine Angstmacher

Steinmeier äußerte sich im "Sommerinterview" des ZDF besorgt über die hohen Umfragewerte der AfD und warnte vor reinen Protestwahlen. "Ja, die Umfragen sind beunruhigend", sagte Steinmeier. "Aber sie dürfen nicht dazu führen, dass wir jede kritische Frage automatisch als Populismus und Rechtsextremismus einordnen." Zugleich betonte er, jeder Wähler und jede Wählerin übernehme Verantwortung für das, was er und sie tue - auch wenn man "eine Partei stärkt, die zur Verrohung der Auseinandersetzung beiträgt".

"Wir dürfen das Geschäft der Angstmacher in dieser Gesellschaft nicht noch weiter fördern", mahnte Steinmeier. "Was wir brauchen, ist nicht eine Konjunktur der Angstmacher, sondern eine Konjunktur der Problemlöser. Und es ist ja nicht so, als ob wir von denen keine hätten."

"Wir sind eine Gesellschaft im Stress"

Wenn sich größere Teile der Wählerschaft von den regierenden Parteien abwendeten und die größte Oppositionspartei davon nicht gewinne, werfe dies Fragen auf, sagte Steinmeier. "Selbstverständlich müssen sich Regierungsparteien auch fragen, und sie tun es ja, ob man die richtigen Themen hat, ob Themen ausgelassen werden, ob man die richtige Kommunikation wählt, ob man die Geschlossenheit an den Tag legt, die Wählerinnen und Wähler erwarten, oder ob es zu viel Streit gibt." Er warne aber davor, immer gleich zu fragen, wer Schuld habe. "Ist es Habeck, ist es Scholz, ist es Lindner, ist es Merz? Ich glaube, damit greifen wir zu kurz."

Die Stimmung im Land werde auch von ganz anderen Dingen beeinflusst. "Wir sind, das dürfen wir nicht ganz vergessen, eine Gesellschaft im Stress", sagte Steinmeier und wies auf die Finanz- und Euro-Krise hin, auf die Zuwanderung von Flüchtlingen, die Corona-Pandemie und den Ukraine-Krieg. "Das sind außergewöhnliche Situationen. Da muss man Verständnis dafür haben, dass die Menschen Fragen haben."

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Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (M.) spricht während seiner Wanderung über den Rotweinwanderweg im Ahrtal mit Anwohnern.

Steinmeier im Ahrtal: "Kampf gegen Klimawandel ist notwendig"

Das ZDF-Interview wurde im Ahrtal aufgezeichnet, wo eine Flut vor zwei Jahren schwere Verwüstung angerichtet und 136 Menschenleben gekostet hat. Man müsse daraus lernen, forderte Steinmeier. "Und die entscheidende Botschaft aus dieser Flutkatastrophe ist doch: Der Kampf gegen den Klimawandel ist notwendig. Wir schützen am Ende nicht nur das Klima, sondern wir schützen uns selbst."

Knapp zwei Jahre nach der Flutkatastrophe rief Steinmeier dazu auf, die Bürger in Deutschland sollten weiter Solidarität mit den Flutbetroffenen an der Ahr zeigen. Der Bundespräsident hatte zunächst in Walporzheim mit der Landrätin und Kommunalpolitikern aus dem Tal sowie Gastronomen, Winzern und vielen Bürger über den Stand des Wiederaufbaus gesprochen. Anschließend wanderte er knapp zwei Kilometer auf dem Rotweinwanderweg zum Kloster Marienthal.

Steinmeier, der zum vierten Mal die Ahr besuchte, sagte, im vergangenen Jahr habe sich enorm viel getan. Der Wiederaufbau sei aber bei Weitem nicht abgeschlossen, die Arbeiten würden noch viele Jahre dauern. Er sprach den Menschen in der Katastrophenregion Mut zu. Deutschland werde das Ahrtal nicht vergessen. Er rief die Bürger im ganzen Land zur Solidarität auf. "Geht wandern an der Ahr", sagte der Bundespräsident wörtlich, "genießt den Wein und das gute Essen. Damit helft ihr den Menschen im Ahrtal."

Mit Informationen von dpa und AFP

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