10. Juni 2023: Blick auf die Baustelle der zweiten Stammstrecke.
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10. Juni 2023: Blick auf die Baustelle der zweiten Stammstrecke.

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U-Ausschuss Stammstrecke: Gleich vier Abschlussberichte

Seit Monaten läuft der U-Ausschuss des Landtags, der die Fehlkalkulationen um die 2. S-Bahn-Stammstrecke untersucht. Auch diesmal konnten sich die Fraktionen nicht auf einen gemeinsamen Abschlussbericht einigen – gleich vier werden heute vorgestellt.

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Der Landtag steht dieses Jahr vor dem Ende der Legislaturperiode. Und das heißt: Die Untersuchungsausschüsse müssen ihre Arbeit noch vor der Landtagswahl abschließen. Deshalb kommt der Untersuchungsausschuss Stammstrecke heute zu seiner letzten Sitzung zusammen. Er sollte ein mögliches Fehlverhalten der Staatsregierung angesichts der Kostensteigerung und der Terminverzögerung prüfen. Sie soll statt knapp vier nun achteinhalb Milliarden kosten - und erst neun Jahre später fertig werden als vorgesehen.

Alle Fraktionen: Bahn gibt ein erschreckendes Bild ab

Nach fast 40 Zeugen und über hunderttausend Seiten Akten ist den Abgeordneten klar: Die Bahn ist an der unglaublichen Kostensteigerung sowie der Verzögerung bei der Fertigstellung zumindest mit schuld.

Trotz der anstehenden Milliardeninvestitionen sei das Projekt 2. Stammstrecke von der Konzernspitze stiefmütterlich behandelt worden, stellte der Ausschussvorsitzende, Bernhard Pohl von den Freien Wählern, nach dem Zeugenauftritt von Bahn-Chef Richard Lutz fest: "So wie der heute aufgetreten ist, hat er eine hohe Glaubwürdigkeit. Umso schlimmer für die Bahn, dass Kommunikationswege so schlecht funktionieren. Da muss einem ja angst und bange werden." Auch das Bundesverkehrsministerium habe wenig getan, um Klarheit über das Projekt zu erlangen. Dabei geht es um Milliarden aus dem Bundeshaushalt.

Künftig klare Verantwortlichkeiten und Vorgaben

Eine weitere Ursache für die Fehlkalkulation ist aus Sicht der Koalition von CSU und Freien Wählern die uneindeutige Vertragsgestaltung, ohne Kostendeckel, Terminvorgabe und möglicher Strafzahlung. Das soll sich künftig ändern, heißt es im gemeinsamen Abschlussbericht von CSU und Freien Wählern.

Da ist von einer Grundlagenvereinbarung die Rede, zwischen Auftraggeber, in dem Fall dem Freistaat Bayern, sowie dem Planer und Ausführer, der Bahn. Inzwischen gibt es auch einen Unterausschuss im Landtag, der den Fortgang der Bauarbeiten an der 2. Stammstrecke begleiten soll. Offen bleibt, wann der Landtag und dann auch die Öffentlichkeit über die Fehlkalkulation hätten informiert werden müssen.

Streit über späte Informationen

Die Staatsregierung verteidigt sich, sie habe auf belastbare Zahlen von der Bahn warten müssen. Die Opposition vermutet, die Diskussion um die 2. Stammstrecke hätte die Chancen einer möglichen Kanzlerkandidatur von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) geschmälert, deshalb sei es verschwiegen worden.

Tatsächlich geht aus Akten der Staatskanzlei hervor, dass die Stammstrecke "kein Gewinnerthema" sei und das Thema "dilatorisch", also schleppend, behandelt werden solle. Ausschuss-Vize Jürgen Baumgärtner (CSU) stellt dennoch fest: "Alle Vorwürfe gegen die Staatsregierung wurden entkräftet. Nichts von den Vorwürfen ist übriggeblieben." Offen bleibt aber, warum die Warnungen der früheren Verkehrsministerin Kerstin Schreyer in den Wind geschlagen wurden. Immerhin bringen das CSU und Freie Wähler in ihrem Abschlussbericht zur Sprache. Wobei die Freien Wähler der 2. Stammstrecke schon immer skeptisch gegenüberstanden.

Kritik vom Bundesrechnungshof ignoriert

Der Bundesrechnungshof hatte die Nutzen-Kosten-Untersuchung bei der 2. Stammstrecke unter die Lupe genommen und als unzureichend kritisiert. Zu Konsequenzen hat das allerdings nicht geführt.

Der Grünen-Abgeordnete Martin Runge ist der Ansicht, spätestens nach dieser Prüfung hätte die 2. Stammstrecke eingestampft gehört: "Der Bundesrechnungshof, beziehungsweise der Vertreter, hat ganz klar bei der Befragung gesagt, das Regelwerk bei der standardisierten Berechnung ist nicht eingehalten worden. Es fehlen wesentliche Kosten."

In so einem Fall hätte der Bund die Stammstrecke nicht fördern dürfen. Der Freistaat wäre finanziell nicht in der Lage gewesen, die Stammstrecke allein zu schultern.

SPD und FDP wollen weiterbauen, Grüne stoppen

Deshalb haben die Grünen auch einen eigenen, von SPD und FDP unabhängigen, Abschlussbericht vorgelegt. Die Grünen wollen den Bau immer noch stoppen, SPD und FDP trotz des Desasters fortsetzen, ebenso wie die CSU. Inzwischen haben sich die Grundannahmen bei der Nutzen-Kosten-Untersuchung (NKU), der sogenannten standardisierten Bewertung, geändert. Eine neue NKU ist unter den neuen Voraussetzungen in Arbeit, die Ergebnisse sind noch nicht da. Und die AfD will auch noch einen eigenen Abschlussbericht vorlegen.

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