Eine undatierte Aufnahme des vermissten U-Boots "Titan" (Archivbild)
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Eine undatierte Aufnahme des vermissten U-Boots "Titan" (Archivbild)

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Küstenwache: U-Boot durch Implosion zerstört - alle Insassen tot

Das Bangen um die fünf Menschen an Bord der "Titan" hat ein trauriges Ende gefunden. Nahe dem Wrack der "Titanic" wurden Trümmer entdeckt, für die Besatzung gibt es keine Hoffnung mehr. Sie starb wohl schon am Sonntag bei einer Implosion des Bootes.

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Bei der Suche nach dem vermissten Tauchboot "Titan" hat die US-Küstenwache in der Nähe des Wracks der "Titanic" im Atlantik ein Trümmerfeld entdeckt, zu dem auch Teile Druckkammer des Tauchbootes gehören. Ein Tauchroboter war im Einsatzgebiet in einer Tiefe von rund 3.800 Metern darauf gestoßen - gerade einmal 500 Meter vom Bug der "Titanic" entfernt.

Damit sei belegt, dass es keine Überlebenschance für die fünf Vermissten mehr gebe, sagte der Sprecher der Küstenwache John Mauger in Boston. Er spreche den Familien der Opfer sein tiefes Beileid aus. Zuvor hatte schon die Betreiberfirma OceanGate Expeditions erklärt, sie gehe vom Tod der fünf Menschen an Bord der "Titan" aus: "Wir trauern um den Verlust von Leben."

Tauchboot ist laut US-Küstenwache implodiert

Nach ersten Erkenntnissen sei das Tauchboot offenbar durch eine "katastrophale Implosion" zerstört worden, sagte Mauger. Bei einer Implosion bricht ein Objekt schlagartig zusammen, wenn der Außendruck größer ist als der Innendruck. Sie steht im umgekehrten Kräfteverhältnis zu einer Explosion. Schon der kleinste strukturelle Defekt kann in großer Tiefe eine solche Katastrophe auslösen.

Wann genau das geschehen sei, könne man noch nicht mit Sicherheit sagen, sagte Mauger. Sonarbojen hätten in den vergangenen 72 Stunden aber kein "katastrophales Ereignis" mehr wahrgenommen. Es gebe keine Anzeichen dafür, dass eine schnellere Rettungsaktion hätte helfen können, so Mauger.

Geräusch bereits am Sonntag registriert

US-Medien berichteten, dass ein akustisches Unterwassererkennungssystem der US-Navy die Implosion wohl bereits am Sonntag registriert hatte. Die Marine habe die Daten dann analysiert und festgestellt, dass sie auf "eine Implosion oder Explosion in der allgemeinen Umgebung" hindeuteten, wo die "Titan" unterwegs gewesen sei, als der Kontakt zu ihr abbrach.

Obwohl die Technik der Marine streng geheim ist, sei die Information umgehend der Küstenwache gemeldet worden, berichtete CNN. Laut einem Bericht des "Wall Street Journal" wurde die Entdeckung aber nicht öffentlich gemacht, weil das Geräusch nicht mit Sicherheit als Implosion zu identifizieren und der "Titan" zuzuordnen war und es daher als angebracht erschien, dass die Suche fortgesetzt wird.

Im Video: Roboter findet Trümmerteile des vermissten Tauchbootes

Der Sprecher der US-Küstenwache, John Mauger, spricht zu Journalisten in Boston
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Die fünf Menschen an Bord des vermissten Tauch-Bootes Titan sind tot. Das teilte der Sprecher der US-Küstenwache, John Mauger, mit.

Betreiberfirma lobt Forschergeist der fünf Verstorbenen

Die "Titan" hatte sich am Sonntag auf den Weg zum Wrack der 1912 gesunkenen "Titanic" gemacht. Etwa eine Stunde und 45 Minuten nach Beginn des Tauchgangs riss der Kontakt zum Mutterschiff ab. Nach Angaben des Betreibers hatte das Tauchboot Sauerstoffvorräte für 96 Stunden.

An Bord befanden sich der Vorstandschef der Betreiberfirma, Stockton Rush, der britische Unternehmer und Abenteurer Hamish Harding, der pakistanische Geschäftsmann Shahzada Dawood und dessen Sohn Suleman sowie der französische "Titanic"-Experte Paul-Henry Nargeolet.

Die fünf Männer seien "echte Forschungsreisende" gewesen, mit "speziellem Abenteuergeist und einer tiefen Leidenschaft für die Erforschung und den Schutz der Meere der Welt", teilte OceanGate Expeditions mit. Man trauere und sei mit den Herzen bei den Angehörigen, hieß es weiter. Auch für die Mitarbeiter sei es eine "extrem traurige Zeit".

Familien der Toten bekunden ihre Trauer

Nach dem Fund der Trümmerteilen nahe dem Wrack der "Titanic" meldeten sich auch die Familien von Insassen des Mini-U-Boots "Titan" in Pakistan und Großbritannien zu Wort. "Mit tiefer Trauer geben wir den Tod von Shahzada und Suleman Dawood bekannt", erklärte die pakistanische Dawood-Stiftung. "Wir sprechen den Familien der anderen Passagiere des "Titan"-Tauchboots unser tief empfundenes Beileid aus", heißt es in der Erklärung.

"Wir sind allen an den Rettungsaktionen Beteiligten sehr dankbar", schrieben die Dawoods in der Erklärung der Familien-Stiftung: "Ihr unermüdlicher Einsatz war für uns in dieser Zeit eine Quelle der Kraft." Shahzada Dawood stammte aus Pakistan, lebte aber mit seiner Frau Christine, dem Sohn Suleman und der Tochter Alina in Großbritannien. In ihrer Heimat ist die Familie sehr prominent.

Gedenken an einen "leidenschaftlichen Entdecker"

Die Familie von Hamish Harding Familie und seine Firma Action Aviation erklärten ebenfalls, sie fühlten sich in ihrer Trauer mit den anderen Familien verbunden, "die ebenfalls ihre Angehörigen in dem 'Titan'-Tauchboot verloren haben". Der 58-jährige Harding sei ein "leidenschaftlicher Entdecker" gewesen, "der sein Leben für seine Familie, seine Firma und das nächste Abenteuer gelebt hat".

Der zweifache Vater verdiente sein Geld mit dem Verkauf von Privatjets und schaffte es mit drei Einträgen ins Guinness-Buch der Rekorde. Im Juli 2019 gehörte er zu einem Team, das die schnellste Erdumrundung mit einem Flugzeug über beide Pole in 46 Stunden, 40 Minuten und 22 Sekunden schaffte. Im März 2021 tauchte er zusammen mit einem Forscher in die Tiefen des Marianengrabens, dem tiefsten bisher bekannten Teil des Pazifiks. Vergangenes Jahr flog er als Tourist in den Weltraum.

Suchtrupps werden abgezogen

Im Einsatzgebiet rund 700 Kilometer südlich der kanadischen Insel Neufundland hatten Trupps aus den USA und Kanada eine großangelegte Suche sowohl an der Wasseroberfläche als auch in der Tiefe des Ozeans gestartet. Dabei waren Schiffe, Flugzeuge, ferngesteuerte Unterwasserfahrzeuge, Tauchroboter und andere Gerätschaften im Einsatz. Kurzzeitig war Hoffnung aufgekommen, nachdem Laute und Klopfgeräusche registriert worden waren, deren Herkunft nun vorerst unklar bleibt. Am Donnerstag entdeckte dann ein Unterwasserroboter Trümmer am Meeresboden.

Der Sprecher der Küstenwache, Mauger, erklärte, dass es wohl keinen Zusammenhang zwischen den Geräuschen und dem Standort auf dem Meeresboden gebe. Nach dem Tod der fünf Abenteurer in der "Titan" will die US-Küstenwache ihre Präsenz zurückfahren. "Wir werden im Laufe der nächsten 24 Stunden damit beginnen, Personal und Schiffe vom Unfallort abzuziehen", sagte Mauger. Die Operationen auf dem Meeresboden würden jedoch bis auf Weiteres fortgesetzt. Im Moment konzentriere man sich darauf, den Ort zu dokumentieren.

Auf die Frage, ob die Leichen der Insassen geborgen werden könnten, gab es zunächst keine Antwort. Es handele sich in der Gegend des "Titanic"-Wracks um eine "unglaublich erbarmungslose Umgebung", teilte die Küstenwache lediglich mit.

Marine-Expertin: "Titan"-Insassen starben "schmerzlosen Tod"

Die Insassen des Tauchboots haben Experten zufolge von der Implosion ihres Gefährts nichts mehr mitbekommen. Der Druck auf das Tauchboot sei in so großer Tiefe massiv gewesen - die Implosion sei im Bruchteil einer Millisekunde passiert, zitierte der Sender CNN die Ex-Marineoffizierin Aileen Marty, eine Professorin für Katastrophenmedizin. Das menschliche Gehirn könne die Lage so schnell gar nicht erfassen. "Das ganze Ding ist kollabiert, bevor die Menschen darin überhaupt bemerken konnten, dass es ein Problem gab", betonte Marty. Die Insassen seien auf eine Art und Weise gestorben, bei der sie nicht einmal gewusst hätten, dass sie sterben würden: "Letztlich ist dies mit Blick auf die vielen Möglichkeiten, auf die wir sterben können, schmerzlos."

Frau des "Titan"-Piloten ist Ur-Ur-Enkelin von "Titanic"-Opfern

Das Drama um die "Titan" hat eine weitere tragische Komponente. Die Frau von Stockton Rush, dem Mann, der das Tauchboot gesteuert hatte und Vorstandschef der Betreiberfirma OceanGate Expeditions war, ist Nachfahrin eines Paares, das beim Untergang der "Titanic" 1912 ums Leben gekommen war. Wendy Rush sei die Ur-Ur-Enkelin von Isidor und Ida Straus, berichtete die "New York Times" unter Berufung auf Archivunterlagen. Straus war ein Einzelhandelsmagnat und Mitinhaber des New Yorker Kaufhauses Macy's.

OceanGate-Büro bleibt geschlossen

Während die Belegschaft des Unternehmens OceanGate den tragischen Verlust ihres Team-Mitglieds Stockton Rush zu bewältigen versucht, bleibt das Büro am Hafen Port of Everett bei Seattle "auf unbestimmte Zeit" geschlossen. In den Jahren 2021 und 2022 hatte OceanGate mindestens 46 Menschen erfolgreich per Tauchboot zu den Überresten der "Titanic" gebracht, wie aus Schreiben des Unternehmens an ein Bezirksgericht im US-Staat Virginia hervorgeht. Doch wurde in den vergangenen Tagen bekannt, dass frühere Passagiere Bedenken bezüglich der Sicherheit des Tauchboots geäußert hatten.

"Titanic"-Regisseur Cameron: Befürchtete gleich eine Implosion

Der Regisseur des Blockbusters "Titanic" (1997), James Cameron, hat nach eigenen Worten bereits kurz nach dem Verschwinden des "Titan"-Tauchboots am Sonntag eine Implosion des Gefährts befürchtet. Grund sei, dass die "Titan" nicht nur ihre Kommunikation verloren habe, sondern gleichzeitig auch nicht mehr getrackt werden konnte. "Das einzige Szenario, das mir in den Sinn kam und das dies erklären konnte, war eine Implosion", sagte Cameron am Freitag dem Sender CNN. Der 68-Jährige ist selbst bereits mehr als 30 Mal zum Wrack der "Titanic" abgetaucht.

Allerdings habe auch er in den vergangenen Tagen die "widernatürliche Hoffnung" gehegt, dass er mit seiner Befürchtung falsch lag, betonte Cameron: "Aber in meinem Innersten wusste ich, dass das nicht der Fall war."

Erinnerung an "ziemlich lautstarke Warnungen"

In einem Gespräch mit der BBC zog Cameron auch Parallelen zwischen jetzigen Unglück und dem Untergang der "Titanic" im Jahr 1912: "'Titan', 'Titanic', wissen Sie, der Größenwahn, die Arroganz. Das ist alles wieder da", sagte er. Es habe "ziemlich lautstarke Warnungen" aus Expertenkreisen gegeben, die in den Wind geschlagen worden seien. "Es ist eine große Ironie, dass da jetzt ein weiteres Wrack neben der 'Titanic' liegt, und zwar aus dem gleichen Grund" - weil die Warnungen nicht beachtet worden seien, sagte Cameron.

Mit Informationen von AP, dpa und AFP

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