Sozialer Kontakt (Symbolbild)
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Studie: Soziale Berührungen sind wichtiger als gedacht

Kontakte und Corona - wie viel Nähe ist inzwischen möglich? Ein europaweites Forschungsprojektsucht sucht nun nach Wegen, Menschen zu helfen, die einsam sind. Wie sich Betroffene selbst helfen können und wie sie eine App dabei unterstützen kann.

Soll ich, darf ich muss ich meine Freunde so begrüßen wie früher? Mit Umarmung und einem Bussi? Für viele ist die Rückkehr in das soziale Leben, zu Treffen im Freundeskreis, oder dem Biergartenabend mit Unsicherheiten verbunden. Wie viel Nähe geht schon wieder? Können wir uns wieder so berühren wie früher?

Dabei sind willkommene Berührungen im sozialen Umfeld ein wichtiger Bestand im ganz normalen Gefühlsleben, sagt Prof. Merle Fairhurst von der Universität der Bundeswehr in Neubiberg bei München. Sie erforscht die Bedeutung von Berührungen zwischen Menschen. Im April letzten Jahres, also kurz nach Beginn der Pandemie, startete Fairhurst eine große Onlinebefragung mit 3.000 Teilnehmern.

  • Zum Artikel "Plötzlich wieder Kontakte: Die ungewohnte Nähe nach dem Lockdown"

Auch nicht-allein Lebende spüren Berührungsmangel

Eine erste Überraschung: Nur 15 Prozent der Teilnehmer leben allein. Es leuchtet ein, dass diese Studienteilnehmer besonders über fehlende soziale Kontakte und den Mangel an Berührungen klagen. Doch die Psychologin staunte über die Antworten derjenigen, die nicht allein leben. "Die meisten haben schon Freunde oder Familie, mit denen sie auch Berührungen austauschen können", sagt Fairhurst. "Aber die sagen trotzdem, dass sie den Berührungsmangel spüren. Was für uns Forscher sehr interessant ist, weil wir sehen, dass Menschen eine Sehnsucht nach einer bestimmten Berührung haben."

Gemeint ist die Sehnsucht nach Berührungen im sozialen Umfeld. Ein Schulterklopfen, ein kurzes Tippen auf den Unterarm, die Umarmung zur Begrüßung oder zum Abschied. Diese willkommenen Berührungen durch Freunde und Bekannte sind, so die Forscherin, allem Anschein eine wichtige Ergänzung zu dem körperlichen Kontakt im privaten, familiären Umfeld. Die typischen, eher intimen Streicheinheiten mit echtem Hautkontakt stehen schon lange im Blickfeld der Forschung.

Forscherin: Corona-Pandemie bietet Chancen

Für die Entwicklung von Babys und Kleinkindern bilden Hautkontakte wichtige Impulse für ihre Entwicklung. Aber auch bei Jugendlichen und Erwachsenen sorgen Streicheinheiten für Wohlbefinden. Das Gehirn schüttet Botenstoffe wie Oxytocin oder Dopamin aus. Die Signale, die Streicheln auf der Haut auslöst, werden dabei sogar von ganz besonders feinen, dünnen Nervenfasern ans Gehirn weitergeleitet. Diese körperlichen Zusammenhänge sind gut erforscht.

Doch die Corona-Pandemie ist für die Berührungsforscherin Merle Fairhurst eine besondere Chance. Lockdown und Social Distancing haben auch die körperlichen Kontakte stark reduziert, die meisten berühren nur noch die Menschen im eigenen Haushalt. Fairhurst: "Wenn es einen Vorteil von dieser Pandemie gibt, dann dass es uns die Möglichkeit gegeben hat, tiefer in dieses Thema hineinzuschauen, nicht nur als Forscher, sondern als Menschen. Was meint die Berührung für mich."

  • Zum Artikel "Corona-Regeln: Was aktuell in Bayern gilt"

So soll eine App einsamen Menschen helfen

Die große Online-Umfrage ist nur ein Teil der Erforschung der Körperberührungen. Merle Fairhurst hat auch eine App entwickelt. "Hands on" heißt die und führt durch einfache Übungen. Zum Beispiel: die Hände reiben wie beim kuscheln - nur eben allein. Kurze Fragen zum Wohlbefinden helfen der Forschung. Doch die Übungen helfen auch den Teilnehmern.

Selbstberührungen sind zwar kein vollwertiger Ersatz für zwischenmenschliche Kontakte, aber sie können auch die Ausschüttung von den Wohlfühl-Hormonen auslösen. Zugleich helfen die Streichel-Übungen auch, sich selbst und die eigenen Bedürfnisse besser kennenzulernen. Denn so wichtig Berührungen grundsätzlich sind. Jeder Mensch ist und bleibt eigen. Fairhurst sagt dazu: "Wir sehen zum Beispiel in unserer Umfrage, dass Frauen den Effekt von diesem Berührungsmangel am meisten spüren, jüngere Leute diesen Effekt am meisten spüren."

Die Berührungsforschung sei noch ganz am Anfang, die Ergebnisse der großen Umfrage noch lange nicht ausgewertet, aber fest steht schon jetzt: Wer sich nach Kontakten sehnt, darf sich ruhig ein bisschen streicheln. Körper und Seele danken es mit Wohlbefinden.

Umarmung (Symbolbild)
Bildrechte: dpa-Bildfunk/Annette Riedl
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Forschung entwickelt eine APP für Berührungen

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