Menschen nehmen an einer Demonstration im Stadtzentrum teil. Ein Mann trägt dabei eine schwarze Fahne mit der Aufschrift "Widerstand lässt sich nicht verbieten". Anlass waren die Energiekrise, der Ukraine-Krieg und die Corona-Politik.
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Der Studie zufolge sank die Teilnahmebereitschaft bei Demonstrationen deutlich, wenn sie von politischen Parteien mitorganisiert werden.

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Studie: Radikalisierungstrend trotz Krisen gestoppt

Studie: Radikalisierungstrend trotz Krisen gestoppt

Der angesichts der Energiekrise befürchtete "heiße Herbst" ist ausgeblieben. Die Tendenz zu gewaltsamen Protesten wie jene gegen Corona-Maßnahmen ist abgeklungen. Das hängt laut einer Studie auch mit der Politik der Bundesregierung zusammen.

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Klimawandel, Ukraine-Krieg, steigende Lebenshaltungskosten - Politiker und Fachleute hatten vor dem Hintergrund dieser Krisen eine Zunahme von Protesten befürchtet. Eine Studie hat nun ergeben: Die während der Corona-Proteste beobachteten gewaltträchtigen Radikalisierungstendenzen haben sich 2022 nicht fortgesetzt. Das teilte der Forschungsverbund Motra mit. Motra steht für "Monitoringsystem und Transferplattform Radikalisierung", an dem Verbund sind unter anderem mehrere deutsche Universitäten und das Bundeskriminalamt (BKA) beteiligt.

Der "heiße Herbst" blieb mit Blick auf die erwarteten Proteste zur Energiekrise aus, wie aus einer Analyse von Protesten sowie einer repräsentativen Umfrage des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB) hervorgeht. Wie die Forscher am Dienstag mitteilten, normalisierte sich das Protestgeschehen wieder. Dabei kam es vermehrt zu Massendemonstrationen bei gleichzeitigem Rückgang radikaler Protestformen.

Klimabewegung und Energiekrise mobilisierten weniger Menschen als erwartet

Die Corona-Krise sei in der zweiten Jahreshälfte 2022 zunehmend von anderen Themen abgelöst worden und habe ihr Mobilisierungspotenzial verloren, resümierten die Wissenschaftler. Das zeige neben dem Protestmonitoring ein Internet-Monitoring der Ludwig-Maximilians-Universität München. In den sozialen Medien und bei den Protesten auf den Straßen und Plätzen seien vielmehr unterschiedliche nationale sowie globale Krisen aufgegriffen worden."Bestimmende Themen waren der Umwelt- und Klimaschutz sowie die Solidarität mit der Ukraine und mit den Protesten im Iran", teilte Motra mit.

Obwohl Teile der Klimabewegung, allen voran "Die Letzte Generation", häufig auf Protestformen wie Straßenblockaden und Flughafenbesetzungen zurückgegriffen hätten, habe das Niveau konfrontativer und gewaltförmiger Proteste deutlich unter dem der pandemischen Vorjahre gelegen. Auch steigende Energie- und Lebenshaltungskosten hätten weniger Menschen als erwartet mobilisiert. Ein "heißer Herbst" sei mit Blick auf erwartete Proteste zur Energiekrise ausgeblieben. Weniger als zehn Prozent der insgesamt erfassten Protestereignisse seien der Mobilisierung zu Energie- und Lebenshaltungskosten zuzuordnen.

Linke und AfD fehlte es 2022 an Mobilisierungskraft

Mehr als jeder vierte Befragte kann sich nach Angaben des WZB vorstellen, an einer Demonstration gegen die steigenden Energie- und Lebenshaltungskosten teilzunehmen. Zwei Drittel zeigten Verständnis dafür, für diesen Zweck auf die Straße zu gehen. Für Corona-Proteste brachte im Vergleich nur etwa jeder Vierte Verständnis auf.

Die Teilnahmebereitschaft bei solchen Demonstrationen sinkt den Angaben zufolge deutlich, wenn sie von politischen Parteien mitorganisiert werden. Den Parteien "Die Linke" und der AfD habe es 2022 an Mobilisierungskraft gefehlt. Daneben seien die Entlastungspakete der Bundesregierung und die Überlagerung mit anderen Protestthemen zentrale Faktoren für das Ausbleiben einer starken Protestwelle.

Motra: Heterogenes Protest- und Diskursgeschehen

Die Ergebnisse basieren nach Angabe des WZB auf der systematischen Analyse von Protestereignissen 2022. Darüber hinaus haben die WZB-Forschenden im Dezember rund 2.800 Menschen in Deutschland repräsentativ zu ihrem Protestverhalten und ihren politischen Einstellungen befragt. Das WZB-Protest-Monitoring ist nach eigenen Angaben Teil des Spitzenforschungsclusters "Monitoringsystem und Transferplattform Radikalisierung" (MOTRA), das von Bundesbildungs- und Bundesarbeitsministerium gefördert wird.

"Die vielfältigen Forschungsergebnisse spiegeln ein heterogenes Protest- und Diskursgeschehen wider", teilte der Forschungsverbund mit. "Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass das unter dem Schlagwort 'Heißer Herbst' befürchtete Protestgeschehen in 2022 nicht stattgefunden hat." Dies spiegelten auch aktuelle Ergebnisse eines BKA-Monitorings von Hass und Hetze gegenüber Politikern wider: "Das bis Oktober 2022 beobachtete Anfeindungsgeschehen gegenüber Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern ist trotz der parallel verlaufenden Krisen deutlich weniger intensiv als zu Hochzeiten der Pandemie Ende 2021."

Mit Informationen von dpa, epd und KNA.

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