Symbolbild: Streuobstwiese im Herbst
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Symbolbild: Streuobstwiese im Herbst

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Streuobstwiesen: Viel Arbeit, verwirrende Regelungen, wenig Geld

"Streuobstbesitzer roden nach dem Volksbegehren 'Rettet die Bienen' alte Obstbäume aus Angst vor zu starker Reglementierung", lauteten Schlagzeilen. Was ist daraus geworden? Wo wird noch Streuobst geerntet und womit kämpfen Streuobstbesitzer?

Streuobst, das sind Hochstammobstbäume, die nicht in Reih und Glied stehen, sondern wie hingestreut in der Landschaft stehen. Solche Flächen gelten als einzigartige Biotope und stehen unter Schutz. Aber: In Hiltpoltstein im oberfränkischen Landkreis Forchheim ist eine 50 Jahre alte Streuobstwiese mit großen Kirschbäumen komplett verschwunden. Wo 2019 noch Dutzende alte Bäume standen, wächst jetzt Kleegras. Der Besitzer hat reinen Tisch gemacht. Aber nicht überall läuft es so radikal.

Volksbegehren ein Schuss nach hinten?

In Bezug auf Streuobstwiesen scheint das erfolgreiche Volksgehren ein Schuss nach hinten gewesen zu sein. Grotesk, denn das Volksbegehren wollte Streuobstbestände als Biotope eigentlich besonders schützen. Doch wegen der Ankündigung strenger Auflagen haben einige Besitzer von Streuobstwiesen ihre Flächen im Hauruck-Verfahren gerodet. Inzwischen haben sich die Gemüter wieder beruhigt, aber die ökologisch wertvollen Flächen schrumpfen weiter – bayernweit. Wildbienen, Käfer und Vögel verlieren ihren Lebensraum.

Nur wenige Flächen in Bayern stehen unter Schutz

Nach der neuesten Biotopkartierung sind Streuobstbestände nur dann geschützt, wenn sie mindestens 2.500 Quadratmeter groß sind, die Bäume mindestens zehn Meter voneinander entfernt stehen und wenn mindestens 75 Prozent der Bäume einen Kronenansatz von mindestens 1,80 Meter haben. Das trifft nach bisherigen Kartierungen des Bayerischen Landesamts für Umwelt auf nur etwa ein Prozent der Streuobstflächen im Freistaat zu. Es stehen also nur ganz wenige Flächen unter besonderem Schutz, wo die Besitzer nur mit behördlicher Erlaubnis Veränderungen vornehmen dürfen. Also viel Aufregung um nichts?

Unmut bei den Besitzern

In Pretzfeld bei Forchheim stehen Autos Schlange, um Streuobst abzuliefern in der Genossenschaftskelterei. Die Sonne scheint, aber die meisten Lieferanten blicken ernst drein. Volksbegehren, Naturschutz, Hochstamm-Bäume, dazu sagt Obstlieferant und Milchbauer Eduard Spörl: "Manche holzen aus, die haben keinen Nutzen mehr. Denn es macht Arbeit, ich muss zwischen den Bäumen im Jahr dreimal mähen. Ich kann das Gras zumindest als Futter für meine Kühe nutzen, andere nicht."

Alte Obstsorten sind wichtig für den Saft

Noch liefern hunderte Streuobstbesitzer an die Kelterei in Pretzfeld. Aber es kommen auch Äpfel von modernen Plantagen. Geschäftsführer Manuel Rauch zahlt aktuell 10 bis 13 Cent je Kilo Streuobst. Aber er zählt immer weniger Lieferanten, und das hat Nachteile für die Saftherstellung: "Die alten Bäume und die alten Sorten sind wichtig, die machen den Geschmack und das Aroma. Das ist für uns ganz wertvolles Obst, das langsam verloren geht."

Muss Streuobst besser bezahlt werden?

Frust herrscht wegen anhaltend schlechter Preise, die für Streuobst zu erlösen sind. Roland Schmitt hat in Oberehrenbach moderne Plantagen, in denen er 20 Sorten Tafelobst erntet und im Hofladen für zwei Euro pro Kilo verkauft. Und er hat eine Streuobstwiese: "Wenn wir das weitermachen sollen, dann möchte ich nicht nur einen Obolus vom Staat bekommen, sondern dann möchte ich auch, dass die Gesellschaft das beim Einkauf honoriert."

Schmitt hat eine Förderung für seine alten Streuobstbäume beantragt, zwölf Euro je Hochstamm bekommt er jetzt pro Jahr statt bisher acht Euro. Die Staatsregierung will einen Streuobstpakt auf den Weg bringen und die Pflanzung von einer Million Streuobstbäume fördern. Roland Schmitt ist skeptisch: "Entscheidend ist, dass die Leute begreifen, da steckt ein Kulturgut dahinter, das gepflegt werden muss."

Saft, Konfitüren, Obstbrände und Essig

Geerntet wird bei Familie Schmitt mit einer Schüttelmaschine am Traktor. Die Früchte werden vom Boden aufgelesen, mit der Leiter ist es zu gefährlich. Verarbeitet wird das Obst zu Saft, Konfitüren oder Obstbränden. Auch Essig wird hergestellt, zum Beispiel aus der alten Birnensorte Mollebusch.

Moderne Plantage und alte Streuobstwiese ergänzen sich bei den Schmitts. Weil sie von alten Bäumen wie der Mollebusch-Birne noch einträgliche Produkte verkaufen, bleiben diese Baumveteranen erhalten. Und weil sie auch viele moderne Sorten Tafelobst anbieten, kommen die Leute in den Hofladen.

Schnaps und Dörrobst aus der Sorte Schafsnase

Eine Nummer kleiner vermarktet Fritz Kropfeld in Drosendorf am Westrand der Fränkischen Schweiz das Obst seiner 30 Hochstamm-Apfel-, Birnen- und Zwetschgenbäume. An einem alten Apfelbaum wachsen drei unterschiedliche Sorten: Landsberger, Schafsnase und roter Delicious. Alle schmecken unterschiedlich. Kropfeld hat den Baum in jungen Jahren veredelt, also Reiser von unterschiedlichen Sorten in die aufgeschnittene Rinde gepfropft. Schafsnase heißt eine rote Sorte, weil die länglich gekrümmte Form tatsächlich an die Nase eines Schafes erinnert. Fritz Kropfeld brennt Schnaps und dörrt Streuobst in einer der letzten Obstdarren Frankens.

Neue Bäume müssen gepflanzt werden

Neben dem alten Apfelbaum hat Kropfeld einen Hochstamm-Nachwuchs gepflanzt. Claudia Munker, Biologin und Streuobstberaterin des Landschaftspflegeverbandes am Landratsamt Forchheim, wünscht sich mehr solche Grundstückseigentümer: "So schlagen wir das vor, dass neben alten Bäumen, die das natürliche Alter erreicht haben, ein neuer Baum gepflanzt wird. Der dann schon ein paar Früchte trägt, wenn der alte Bauch sich verabschiedet." Denn viele Hochstammbäume in Streuobstwiesen sind inzwischen so alt, dass sie von alleine sterben. In den letzten Jahrzehnten wurde aber nur wenig nachgepflanzt. Das führt zu einer riesigen Lücke.

Baumpatenschaften für Streuobst

In Burgbernheim gibt es solche Lücken noch nicht. Stadtgärtner Ernst Grefig hat ein ganz anderes Problem: Er ist zuständig für 30.000 Streuobstbäume. Den meisten fehlt die nötige Pflege. Die Stadt wirbt deshalb bei Firmen und Privatleuten für Baumpatenschaften. Die Baumpaten dürfen von "ihren" mit einer Nummer versehenen Bäumen ernten und müssen ihm Gegenzug aber die Pflege garantieren. Stadtgärtner Grefig nagelt gerade wieder eine Nummernplakette für einen neuen Baumpaten an einen Birnbaum. Aber es gibt ein Problem: "Ich kann keine Baumpatenschaft bieten, wenn die Leute nicht wissen, wie sie die Bäume schneiden sollen. Aber wir machen Baumschnitt-Kurse und wir haben auch einen Werkzeugpool, wo sich die Leute das Werkzeug zum Schneiden ausleihen können."

Burgbernheim hat einen Streuobsterlebnispfad, es gibt Führungen und im Ort Hochprozentiges aus Streuobst. 250 Bürgerinnen und Bürger produzieren in einer Streuobstgenossenschaft Saft, Most und sogar einen Secco namens "KirRegional".

Burgbernheim hat noch längst nicht alle Sorgen um seine alten Streuobstwiesen gelöst, aber auf dem Weg "Schützen durch Nützen" sind sie erstaunlich weit. Der nächste Schritt ist ein Streuobstzentrum in zwei denkmalgeschützten Gebäuden.

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