Nach der Wiederholungswahl zum Berliner Abgeordnetenhaus werden bei einer Öffentlichen Auszählung Wahlbriefe im Bezirk Lichtenberg nachgezählt.
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Nach der Wiederholungswahl zum Berliner Abgeordnetenhaus werden bei einer Öffentlichen Auszählung Wahlbriefe im Bezirk Lichtenberg nachgezählt.

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Stimmennachzählung in Berlin: Patt zwischen zwei Kandidaten

Am Sonntag atmete Berlin auf. Bei der Wiederholungswahl schienen sich die Pannen von 2021 nicht wiederholt zu haben. Nun sorgt aber eine nachträgliche Stimmenauszählung für Furore. Und in der FDP sorgt die Wahlschlappe für Diskussionen.

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Die Auszählung von liegengebliebenen Wahlbriefen im Berliner Bezirk Lichtenberg hat nichts an der Rangfolge geändert, mit der die Parteien aus der Abgeordnetenhauswahl hervorgingen - aber für ein Patt zwischen zwei Direktkandidaten gesorgt. Von am Mittwoch im Wahlkreis 3 nachträglich ausgezählten Erststimmen entfielen 35 auf die Linke-Kandidatin Claudia Engelmann und 25 auf CDU-Mitbewerber Dennis Haustein. Zuvor hatte dieser um zehn Stimmen vor Engelmann gelegen und damit das Direktmandat gewonnen.

Entscheidet am Ende das Los?

Der stellvertretende Bezirkswahlleiter Thomas Zeidler ging davon aus, dass wenn es besonders knapp sei, noch einmal nachgezählt werde. Bleibt es bei dem Gleichstand, müsste laut Wahlordnung jedoch das Los entscheiden, wie Landeswahlleiter Stephan Bröchler bestätigte. Dies könnte am Montag erfolgen, bei der öffentlichen Tagung des Bezirkswahlausschusses.

Auswirkungen auf Abgeordnetenhaus noch unklar

Die Entscheidung, wer das Direktmandat gewinnt, könnte sich zudem auf die Zusammensetzung des Abgeordnetenhauses auswirken. Geht das Mandat an die Linke, verliert die CDU einen Sitz im Landesparlament. Damit würde bei SPD und Grünen je ein Ausgleichsmandat wegfallen. Am Kräfteverhältnis der Parteien würde sich jedoch wahrscheinlich nichts ändern. Landeswahlleiter Bröchler wollte sich noch nicht zu möglichen Auswirkungen des Falls in Lichtenberg äußern.

An der Rangfolge, mit der die Parteien aus der Wahl am Sonntag hervorgingen, änderte die Nachzählung nichts. Von den am Mittwoch ausgezählten 466 Zweitstimmen entfielen 88 auf die SPD und 80 auf die Grünen. Diese können damit nicht zu den Sozialdemokraten aufschließen, stattdessen würde die SPD ihren knappen Vorsprung sogar ein wenig vergrößern.

Briefwahlstimmen waren liegengeblieben

Die Sozialdemokraten der amtierenden Regierenden Bürgermeisterin Franziska Giffey kamen bei der Wiederholungswahl zum Landesparlament auf Platz zwei - mit einem Vorsprung von nur 105 Zweitstimmen vor den Grünen. Klarer Wahlsieger war die CDU um Spitzenkandidat Kai Wegner.

Die nun ausgezählten Briefwahlstimmen aus fünf Wahlkreisen des Bezirks waren liegengeblieben und wurden nachträglich erfasst. Laut Bezirkswahlleiters Axel Hunger war der Grund für die Panne ein interner Fehler. "Es hat weder mit der Poststelle zu tun im Bezirksamt Lichtenberg noch mit der Deutschen Post", stellte er klar. "Es lag daran, dass wir ein Kommunikationsproblem hatten innerhalb des Bezirkswahlamtes."

2021 lange Warteschlangen vor Wahllokalen

Für einige Aufregung sorgte der Lichtenberger Fall auch, weil Berlin bei der Wahlorganisation im September 2021 versagt hatte. Wegen schwerwiegender Wahlpannen hatte das Landesverfassungsgericht die Wahl des Abgeordnetenhauses und der zwölf Bezirksparlamente für ungültig erklärt - und eine Wiederholung angeordnet. Damals hatten lange Warteschlangen vor Wahllokalen sowie fehlende, vertauschte oder kopierte Stimmzettel bundesweit Schlagzeilen gemacht.

Bei der Wiederholung am vergangenen Sonntag lief es nach Angaben von Landeswahlleiter Bröchler weitgehend reibungslos. Einzelne Fehler passierten zwar, wirkten sich aber auf den Ausgang der Wahl insgesamt nicht aus. Das könnte im Lichtenberger Fall nun anders sein. Bezirkswahlleiter Axel Hunger nannte den Fehler "ärgerlich", so etwas könne aber eben auch mal passieren. "Entscheidend ist, dass wir den Fehler korrigieren, wie wir auch andere Fehler korrigieren." Genau dafür gebe es die Ergebnisprüfung.

Erste Sondierungsgespräche am Freitag

Die Berliner CDU will am Freitag erste Sondierungsgespräche mit Vertretern von SPD und Grünen führen. Zunächst soll um 10.00 Uhr ein Gespräch mit der SPD stattfinden, um 14.30 Uhr dann mit Vertretern der Grünen. Für ein Treffen der Sozialdemokraten und den Grünen mit ihrem bisherigen dritten Koalitionspartner, der Linken, wurde noch kein Termin genannt.

Grüne: Präferenz für rot-grün-rotes Bündnis

Grünen-Spitzenkandidatin Bettina Jarasch äußerte bereits eine Präferenz für eine Fortführung des rot-grün-roten Bündnisses, allerdings sieht sie auch Schnittmengen mit der CDU. "Es gibt ein paar Themen, bei denen wir zusammenkommen könnten, zum Beispiel bei der Verwaltungsreform", sagte sie "Zeit Online". Bei anderen Themen sei der Weg "weit und durch den Wahlkampf noch einmal weiter geworden". Als Beispiele nannte sie Klimaschutz, Mobilität und "eine progressive Gesellschaftspolitik".

CDU peilt schwarz-grünes Bündnis an

Der ehemalige Justizsenator und CDU-Bundestagsabgeordnete Thomas Heilmann sprach sich hingegen bereits für ein schwarz-grünes Bündnis aus. "Es wäre für unsere Demokratie auch besonders gut, wenn man das hinkriegen würde", sagte er der "Berliner Morgenpost". Inhaltlich seien Kompromisse für beide Parteien möglich. Sowohl die CDU als auch die Grünen müssten sich bewegen, ergänzte Heilmann.

FDP diskutiert über Wahlschlappe

In der FDP - die Partei hat mit 4,6 Prozent den Wiedereinzug in das Landesparlament verpasst - löste das schlechte Ergebnis unterdessen eine Diskussion aus. FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai trat Spekulationen entgegen, seine Partei werde wegen der Wahlschlappe zu einem schwierigen Koalitionspartner im Bund. "Wir werden weiterhin sachlich und konzentriert in dieser Koalition weiterarbeiten. Krawall ist nach wie vor nicht unser Stil", sagte er in Berlin. Vielmehr gehe es der FDP darum, mit der Ampel-Koalition die Projekte voranzubringen, die den Liberalen besonders wichtig seien.

Auch Verkehrs- und Digitalminister Volker Wissing betonte, dass die Wahl keinen Einfluss auf die Ampel-Regierung im Bund habe. "Die Abgeordnetenhauswahl in Berlin hat keine Auswirkungen auf die Zusammenarbeit innerhalb der Bundesregierung", sagte der FDP-Politiker bei einem Besuch in Lettland. Lösungen zu finden könnte nach einer Wahl vielleicht sogar einfacher sein, weil die Zeiten etwas unaufgeregter seien.

Kubicki: Mehr konstruktive Konfliktbereitschaft

FDP-Chef Christian Lindner hatte die Beteiligung seiner Partei an der Ampel-Koalition jedoch als einen Grund für das schlechte Abschneiden genannt. Vize-Parteichef Wolfgang Kubicki forderte seine Partei zu einer härteren Gangart gegenüber SPD und Grünen auf. "Die Ampel ist nicht mein Problem, unsere Rolle in der Ampel ist noch nicht optimal", sagte er dem "Tagesspiegel". Ein Großteil der Wählerinnen und Wähler sei mit dem Erscheinungsbild der FDP unzufrieden, sagte Kubicki. Seine Partei müsse mehr koalitionsinterne Auseinandersetzungen führen, forderte er. "Ich denke, unsere Wähler erwarten, dass die Bundestagsfraktion mehr konstruktive Konfliktbereitschaft an den Tag legt als bisher."

Mit Informationen von AFP, dpa,

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