Das schweizerische Kernkraftwerk Leibstadt. Die Schweiz will das Endlager für ihre Atommüllabfälle an der Grenze zu Deutschland bauen.
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Das schweizerische Kernkraftwerk Leibstadt. Die Schweiz will das Endlager für ihre Atommüllabfälle an der Grenze zu Deutschland bauen.

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Schweizer Atommüll-Endlager: Was das für Deutschland heißt

Die Schweiz will ein Atommüll-Endlager nahe der Grenze zu Baden-Württemberg errichten. Deutschland will die Entscheidung nun genau "auf Plausibilität" prüfen, heißt es aus dem Bundesumweltministerium. Eine Mitnutzung des Endlagers sei ausgeschlossen.

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In der Schweiz ist der Grundsatzentscheid für ein Endlager für Atommüll gefallen: Es soll im Gebiet Nördlich Lägern in den Kantonen Zürich und Aargau und nahe der baden-württembergischen Gemeinde Hohentengen gebaut werden, wie das schweizerische Bundesamt für Energie (BFE) mitteilte. Die für Auswahl des Endlager-Standorts zuständige Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra) hatte ihre Empfehlung bereits am Samstagabend bekanntgegeben.

Warum dieser Standort für ein Atommüll-Endlager?

Nach fast 50-jähriger Suche hatten sich die Schweizer Behörden für den Standort eines Atommüll-Endlagers entschieden. Das geologische Tiefenlager für verbrauchte Brennelemente soll demnach im Gebiet Nördlich Lägern entstehen. Das BFE erklärte, der Nagra zufolge biete Nördlich Lägern die beste geologische Barrierewirkung.

Der geplante Standort für das Schweizer Atommüllendlager nahe der Grenze zu Baden-Württemberg ist nach Überzeugung von Schweizer Experten der sicherste Ort für radioaktiven Abfall. Die Region Nördlich Lägern unweit der deutschen Gemeinde Hohentengen sei aus rein geologischen Gründen die beste Wahl unter den drei geprüften Standorten, sagte Matthias Braun, Chef der Nationalen Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra), in Bern. "Es ist ein eindeutiger Entscheid. Die Geologie hat gesprochen."

Die deutschen Gemeinden reagierten mit Skepsis auf die Entscheidungen. Sie wollen genau prüfen, ob die Begründungen der Nagra plausibel sind, zumal der Standort Nördlich Lägern 2015 als zweite Wahl zurückgestellt worden war. Nach Angaben von Braun waren dafür damals Unsicherheitsfaktoren ausschlaggebend, weil die Opalinuston-Schicht dort so tief liege. Weitere Prüfungen hätten sie aber eines Besseren belehrt: "Es hat sich herausgestellt, dass die Festigkeit des Gesteins etwa doppelt so gut ist wie das damals im vorsichtigen Szenario bewertet wurde", sagte er.

Wann wird das Schweizer Atommüll-Endlager gebaut?

Die Nagra hatte seit 2008 geeignete Standorte für ein Tiefenlager untersucht und seit 2018 drei Standorte in die engere Auswahl genommen. Das Gesuch bei den Bundesbehörden wird die Nagra demnach voraussichtlich Ende 2024 einreichen, die endgültige Entscheidung Berns dürfte erst 2029 fallen. In Betrieb gehen könnte das Endlager dann ab 2050. Regierung und Parlament müssen dem Vorhaben zustimmen. Doch gegen einen Beschluss kann dann auch noch ein Referendum ergriffen werden, sodass letztendlich die Schweizer Wähler das letzte Wort haben könnten.

Gespräche über Ausgleichszahlungen

Nach der Entscheidung der Schweiz zum Bau eines Atommüll-Endlagers nahe der deutschen Grenze erwartet die Bundesregierung eine Unterstützung der betroffenen Gemeinden. Die grenznahe Anlage werde "auch die Gemeinden auf deutscher Seite stark belasten", sagte ein Sprecher des Bundesumweltministeriums. Es gebe bereits Gespräche mit der Schweiz über "Ausgleichszahlungen für die regionale Entwicklung". Die Schweiz habe Bereitschaft zu solchen Zahlungen signalisiert.

Die baden-württembergische Umweltministerin Thekla Walker (Grüne) erklärte in Stuttgart, sie erwarte eine "grenzüberschreitende Beteiligung" am weiteren Vorgehen der schweizerischen Regierung. Die Standortentscheidung "führt unübersehbar vor Augen, dass die angrenzende baden-württembergische Bevölkerung einen großen Beitrag zur Endlagerung des schweizerischen Atommülls leistet", erklärte sie. "Dies muss sich aus unserer Sicht zwingend adäquat bei den anstehenden Abgeltungsverhandlungen niederschlagen."

Die umliegenden Gemeinden sollen Kompensationszahlungen erhalten, bestätigte Monika Stauffer, die Leiterin der Sektion Radioaktive Abfälle beim schweizerischen Bundesamt für Energie. "Die Abgeltungsverhandlungen werden herausfordernd sein", sagte sie. Das Geld solle für regionale Entwicklung eingesetzt werden. Wer wie viel Geld bekomme, müsse ausgehandelt werden. In einem unverbindlichen Kostenszenario waren dafür einmal 800 Millionen Franken (umgerechnet rund 822 Millionen Euro) vorgesehen.

Ministerium: Deutschland wird Schweizer Atom-Endlager nicht mitnutzen

Die Frage, ob in das Endlager so nah an der deutschen Grenze nicht auch die deutschen radioaktiven Abfälle entsorgt werden könnten, beantworten die Schweizer mit einem klaren Nein. "Es ist ein anerkanntes Prinzip, dass jedes Land seine eigenen Abfälle bei sich selber entsorgen muss", sagte Roman Mayer, Vizedirektor des Bundesamts für Energie.

Auch ein Sprecher des deutschen Bundesumweltministeriums erklärte, dass Deutschland seinen hochradioaktiven Atommüll in einem eigenen Endlager entsorgen werde. "Deutschland hat sich entschieden, für seinen Atommüll ein eigenes Endlager zu konstruieren und nicht mit europäischen Partnern gemeinsam. Wir sind für unseren Müll verantwortlich", stellte der Sprecher klar. Deutschland wird voraussichtlich erst 2031 den Lagerstandort festlegen.

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