Arbeitssitzung auf Bali
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Arbeitssitzung auf Bali - Scholz im Gespräch mit Macron

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G20-Gipfel: Scholz ruft Russland zum Ende des Kriegs auf

Bundeskanzler Scholz hat Russland beim G20-Gipfel auf Bali aufgefordert, den Krieg in der Ukraine sofort zu beenden. Er warnte Präsident Putin erneut vor einem Einsatz von Atomwaffen und warf Moskau vor, mit dem Krieg den Hunger zu verschärfen.

Über dieses Thema berichtet: BR24 Infoblock am .

Bundeskanzler Olaf Scholz hat Russland auf dem G20-Gipfel in Indonesien aufgefordert, den Krieg in der Ukraine sofort zu beenden. "Das wirksamste Mittel für die Erholung der Weltwirtschaft ist das Ende des russischen Krieges gegen die Ukraine", sagte Scholz in der G20-Sitzung zu Ernährung und Energie laut Redetext. Er forderte Russlands Präsident Wladimir Putin auf, Hunger nicht als Waffe einzusetzen. "Stürzen Sie die Weltwirtschaft nicht in den Abgrund." Das Sinken der Nahrungsmittelpreise nach der Wiederaufnahme der Getreidelieferungen aus der Ukraine zeige, dass der Krieg für die Preisturbulenzen auf den Weltmärkten verantwortlich sei.

Scholz warnt vor Einsatz von Atomwaffen

Scholz appellierte an die G20-Partner, an dem Entwurf der Abschlusserklärung festzuhalten, der eine Verurteilung Russlands vorsieht: "Gemeinsam tragen wir die Verantwortung, dass die G20 glaubwürdig und handlungsfähig bleibt." Zugleich warnte Scholz Russland erneut eindringlich vor einem Einsatz von Atomwaffen im Angriffskrieg gegen die Ukraine. "Mit seinen unverantwortlichen nuklearen Drohgebärden betreibt Präsident Putin gezielt eine weitere Eskalation der Situation", heißt es laut Manuskript für die Rede bei der Auftaktsitzung.

Kurze Begegnung mit Lawrow

Am Rande des G20-Gipfels sprach Scholz kurz mit dem russischen Außenminister Sergej Lawrow. "Er stand in meiner Nähe und hat auch zwei Sätze gesagt. Das war das Gespräch", sagte Scholz nach den ersten beiden Arbeitssitzungen. Er wolle nicht, dass ein falscher Eindruck von der Länge des Austauschs entstehe, betonte der Kanzler. Zu den Inhalten des Gesprächs sagte er nichts. Es war sein erstes physisches Treffen mit einem russischen Regierungsvertreter seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine. Lawrow bestätigte das kurze Treffen mit Scholz und auch mit Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron. Dem russischen Außenminister zufolge ist Macron bereit zu erneuten Kontakten mit Russlands Präsident Wladimir Putin.

Entwurf der Abschlusserklärung: Deutliche Kritik an Moskau

Unterdessen wurde bekannt, dass die 20 führenden Industrie- und Schwellenländer Russland wegen seines Angriffs auf die Ukraine scharf verurteilen könnten. In dem Entwurf der Abschlusserklärung wird eine deutliche Kritik vorgeschlagen. "Die meisten Mitglieder haben den Krieg in der Ukraine auf das Schärfste verurteilt und haben betont, dass er unermessliches menschliches Leid verursacht und bestehende Schwachstellen in der Weltwirtschaft verschärft", heißt es in dem Text, der auf dem Gipfel unter indonesischer Präsidentschaft beschlossen werden soll.

Lawrow: Entwurf enthält westliche und russische Sichtweise

Lawrow bestätigte, dass die Arbeit an der gemeinsamen Abschlusserklärung praktisch abgeschlossen sei. "Unsere westlichen Kollegen haben auf jede erdenkliche Weise versucht, diese Erklärung zu politisieren, und sie haben versucht, Formulierungen hineinzuschmuggeln, die eine Verurteilung der Handlungen der Russischen Föderation im Namen der ganzen G20 implizieren würden, einschließlich uns selbst", sagte Lawrow der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Tass zufolge. Die Arbeit an dem Text sei nun aber praktisch beendet. Der Entwurf enthalte nun sowohl die westliche als auch die russische Sichtweise auf den Krieg in der Ukraine, so Lawrow weiter.

Angriffskrieg überschattet Gipfel auf Bali

Russlands Angriff auf die Ukraine überschattet das zweitägige Treffen. Scholz und andere westliche Regierungschefs hatten schon im Vorfeld erklärt, dass der Krieg auf dem Gipfel thematisiert werden müsse. An dem Gipfel nehmen auch US-Präsident Joe Biden und Chinas Präsident Xi Jinping teil. Putin war nicht angereist, sondern ließ sich von Lawrow vertreten. Lawrow war auch im Saal, als der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj am Dienstag virtuell zu dem Gipfel zugeschaltet wurde und ein Ende des Krieges forderte.

Ob der Entwurf der Abschlusserklärung in dieser Form am Mittwoch beschlossen werden kann, ist nach Angaben von EU-Diplomaten wegen des Widerstands Russlands noch unsicher. In dem Text heißt es vorsorglich: "Es gab andere Ansichten und unterschiedliche Einschätzungen der Situation und der Sanktionen. Wir erkennen an, dass die G20 nicht das Forum ist, um Sicherheitsfragen zu lösen, aber wir erkennen an, dass Sicherheitsfragen erhebliche Auswirkungen auf die Weltwirtschaft haben können."

Einhaltung des 1,5 Grad-Ziels

Zugleich sollen sich die wichtigsten Industriestaaten etwa auf die Einhaltung des 1,5 Grad-Ziels in der Klimapolitik bekennen. In dem Entwurf wird zudem darauf verwiesen, dass der Krieg das weltweite Wachstum einschränke, die Inflation antreibe, die Versorgungsketten unterbreche, die Energie- und Ernährungsunsicherheit verstärke und die Risiken für die Finanzstabilität erhöhe.

Hoffnung auf weitere Vereinbarung für Getreide-Exporte

Wenige Tage vor dem Auslaufen des Ukraine-Getreideabkommens steigt unterdessen die Hoffnung auf eine Verlängerung der für die weltweiten Nahrungsmittel-Exporte wichtigen Vereinbarung. Lawrow sagte vor Journalisten, er sei von UN-Chef Antonio Guterres darüber informiert worden, dass die USA und die Europäische Union auf Bedenken seines Landes eingegangen seien. "Der Generalsekretär sprach über schriftliche Versprechen, die ihm die USA und die EU gegeben haben. Darin werden gute Absichten geäußert." Sollten diese umgesetzt werden, würden alle Hindernisse für russische Getreide- und Düngemittelexporte beseitigt, sagte Lawrow. "Ich hoffe, dass diese Versprechen erfüllt werden." Immerhin habe ihm Guterres versichert, "dass dies für ihn ein vorrangiges Thema ist".

Das im Juli unter Vermittlung der Vereinten Nationen und der Türkei geschlossene Exportabkommen sieht vor, dass die Ukraine trotz des Krieges durch einen Schutzkorridor im Schwarzen Meer ihr Getreide verschiffen kann. Im Gegenzug fordert Russland aber von den UN auch Unterstützung dabei, seine eigenen Agrarprodukte ausliefern zu können.

Sorge wegen hoher Schulden vieler Schwellenländer

Die G20-Staaten zeigen sich zudem beunruhigt wegen des hohen Schuldenstands vieler Entwicklungs- und Schwellenländer. "Wir sind besorgt über die sich verschlechternde Schuldensituation in einigen gefährdeten Ländern mit mittlerem Einkommen", heißt es in dem Entwurf der Abschlusserklärung. Ohne dass China namentlich erwähnt wird, heißt es darin, es sei wichtig, dass alle offiziellen und privaten bilateralen Gläubiger zusammenarbeiten sollten. Zudem wird mehr Transparenz gefordert, die für private und staatliche Gläubiger gelten soll. Hintergrund sind Sorgen, dass China über die Regierung, Provinzen und Privatfirmen riesige Kreditsummen an mittlerweile hoch verschuldete Entwicklungsländer vergeben hat, aber selbst keinen Überblick mehr über das Volumen hat.

Die G20 wollen sich laut Entwurf zudem zum freien Welthandel verpflichten und zusammenarbeiten, damit es zu keinen Handelsunterbrechungen kommt. Die G20-Zentralbanken sollen zudem ihre Arbeit stark auf den Kampf gegen die hohe Inflation ausrichten.

G20 stehen für vier Fünftel der weltweiten Wirtschaftskraft

Beim G20-Gipfel sind neben der EU die Länder Deutschland, Argentinien, Australien, Brasilien, China, Frankreich, Großbritannien, Indien, Indonesien, Italien, Japan, Kanada, Mexiko, Russland, Saudi-Arabien, Südafrika, Südkorea, Türkei und die USA vertreten. Die "Gruppe der 20" steht zusammen für knapp zwei Drittel der Weltbevölkerung, drei Viertel des Welthandels und vier Fünftel der weltweiten Wirtschaftskraft. Die alljährlichen Gipfel gibt es seit 2008.

Mit Informationen von Reuters und dpa.

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