Jochen Borchert (CDU), ehemaliger Bundeslandwirtschaftsminister, stellt zusammen mit der damals amtierenden Bundeslandwirtschaftsministerin Klöckner bei einer Pressekonferenz Ergebnisse der Machbarkeitsstudie zu Vorschlägen des vom Ministerium eingesetzten Kompetenznetzwerks Nutztierhaltung vor.
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Jochen Borchert, ehemaliger Bundeslandwirtschaftsminister, stellt zusammen mit der damaligen Landwirtschaftsministerin Klöckner Ergebnisse vor.

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Rückschlag fürs Tierwohl: Expertenkommission schmeißt hin

Wie kann mehr Tierwohl im Stall gelingen? Dazu hatte die so genannte Borchert-Kommission schon 2020 Vorschläge erarbeitet, doch umgesetzt hat die Bundesregierung sie bisher nicht. Jetzt wirft die Kommission hin.

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Schon lange hatten die Mitglieder der Borchert-Kommission gehadert, immer wieder angemahnt, die Bundesregierung solle ihre Vorschläge umsetzen. Mehr Platz im Stall, Material zum Spielen – viele Verbraucherinnen und Verbraucher wünschen sich mehr Tierwohl bei Schweinen, Rindern, Hühnern. Gleichzeitig bedeutet das mehr Aufwand und Kosten für die Landwirte. Wie sich das finanzieren lässt, dazu hatte die Kommission bereits 2020 im Auftrag der damaligen Bundesregierung aus Union und SPD ein Konzept erarbeitet. Umgesetzt ist es bisher nicht.

Frust über fehlende Umsetzung von Tierwohlplänen

Jetzt löst sich das Kompetenznetzwerk Nutztierhaltung, wie das Gremium um den ehemaligen Bundeslandwirtschaftsminister Jochen Borchert offiziell heißt, selbst auf. Die Kommission begründet das damit, dass die politischen Voraussetzungen, um die Empfehlungen erfolgreich umzusetzen "weder in der vorherigen Legislaturperiode noch in den ersten zwei Jahren der laufenden Legislaturperiode geschaffen" wurden. Übersetzt heißt das: Die Kommission glaubt im Moment nicht, dass dieser Regierung gelingt, woran die vorherige scheiterte.

Zwar erkennt die Kommission an, dass das Landwirtschaftsministerium mit einem staatlichen Tierwohllabel erste Schritte getan hat, allerdings schaffe die "gegenwärtige Ausgestaltung für den Großteil der Landwirtschaft keine hinreichende Grundlage für den Umbau", heißt es in der Stellungnahme der Kommission. Das Grundproblem bleibt: es gibt keine langfristige Finanzierung für mehr Tierwohl.

Ringen um Tierwohlabgabe

Die Kommission hatte staatliche Tierwohlprämien vorgeschlagen. Denkbar wäre zum Beispiel eine Abgabe, in Form eines Aufschlags von 40 Cent aufs Kilo Fleisch. Doch die Ampelparteien SPD, Grüne und FDP ringen seit Monaten um ein Konzept, bisher ohne Einigung. Vor allem die FDP hat Bedenken.

Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir dankte den Mitgliedern, zu denen Wissenschaftler, Landwirte, Tier- und Umweltschützer und Vertreter der Bundesländer gehören. Özdemir will ihren Weg fortsetzen und betont, die Ampelfraktionen arbeiteten derzeit an einer dauerhaften Finanzierung. CDU-Landwirtschaftsexperte Albert Stegemann sieht in der Selbstauflösung der Borchert-Kommission hingegen eine "schallende Ohrfeige" für die Politik Özdemirs.

Bauernverband bedauert Auflösung der Borchert-Kommission

Bernhard Krüsken vom Deutschen Bauernverband, der Mitglied in der Kommission war, sagt, das Gremium habe ein schlüssiges Konzept für den Umbau der Tierhaltung vorgelegt. Die Bundesregierung gehe diesen Weg nicht entschlossen mit und verspiele damit die Möglichkeit, den gesellschaftlich gewünschten Umbau der Tierhaltung auf den Weg zu bringen.

Olaf Bandt vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland und ebenfalls Kommissions-Mitglied hingegen hält die Auflösung für einen "falschen Schritt". Die Kommission könnte "insbesondere Bundesfinanzminister Christian Lindner und die FDP-Fraktion daran erinnern, den Umbau nicht weiter auf Kosten der Landwirtinnen und Landwirte zu blockieren", sagt Bandt. Nun habe sich die Kommission selbst der Möglichkeit beraubt, Einfluss zu nehmen.

Ähnlich äußert sich die bayerische Agrarministerin Michaela Kaniber (CSU). Ihrem Amtskollegen im Bund, Cem Özdemir (Grüne), wirft sie Versäumnisse beim Einsatz für das Tierwohl vor. Die Selbstauflösung einer Expertenkommission um den früheren Bundesminister Jochen Borchert nannte sie ein Signal des Scheiterns. "Auf so kluge Köpfe und erfahrene Experten nicht zu hören, zeigt, dass in der Bundesregierung eigentlich kein wirkliches Interesse an einer guten Zukunft der Landwirtschaft vorhanden ist und dass sie eine andere Agenda verfolgt", sagte Kaniber am Mittwoch.

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