Schweine liegen in der Bucht eines Tierwohl-Schweinestalls
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Schweine liegen in der Bucht eines Tierwohl-Schweinestalls.

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Tierhaltungs-Label: Was Verbraucher wissen sollten

Es soll Transparenz schaffen bezüglich der Tierhaltung hinter Fleischprodukten: Der Bundestag hat am Freitag ein Haltungs-Kennzeichnung beschossen. Design, Finanzierung und wie man das Label liest – die wichtigsten Informationen für Konsumenten.

Über dieses Thema berichtet: BAYERN 3-Nachrichten am .

Es ist schwarz-weiß und befindet sich wohl bald auf vielen Packungen in der Fleisch-Abteilung: ein neues Logo soll zeigen, welche Tierhaltungs-Bedingungen hinter Schnitzel, Steak und Co stehen. Nach jahrelangem Gezerre hat der Bundestag am Freitag eine staatliche Kennzeichnung beschlossen, an der man beim Fleischkauf die Bedingungen in der Tierhaltung erkennen kann.

Noch in diesem Jahr will Agrarminister Cem Özdemir (Grüne) die Pflichtanzeige an den Start bringen, und zwar im ersten Schritt mit frischem Schweinefleisch im Handel. Mehr Produkte und Absatzwege sollen dann zügig folgen. Von Opposition, Schweinehaltern und Tierschützern kam scharfe Kritik.

  • Zum Artikel: "Tierwohl in Bayern: Wenig Kontrollen, viel zu beanstanden"
  • Transparenz für Verbraucher: "Wollen wissen, was sie essen"

    Özdemir sagte, auf jeder Verpackung solle schrittweise stehen, wie das Tier gehalten wurde. Zugleich werde die Leistung der Bauern sichtbar gemacht. "Sie kriegen Geld dafür, wenn sie sich für höhere Haltungsformen entscheiden." Das Gesetz solle 2024 verbindlich werden, freiwillig könne das Logo in diesem Jahr eingeführt werden. SPD-Expertin Susanne Mittag hob das hohe Vertrauen in eine staatliche Kennzeichnung hervor, dass Einfluss auf Kaufentscheidungen haben werde. Für die FDP sprach Ingo Bodtke sprach von einem Grundstein für eine marktwirtschaftliche Weiterentwicklung der Tierhaltung.

    Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann sprach mit Blick auf die Kennzeichnung von einem überfälligen Schritt. "Verbraucherinnen und Verbraucher wollen wissen, was sie essen", sagte sie der Deutschen Presse-Agentur. Die dafür notwendige Transparenz werde nun geschaffen.

    Kritik am Kennzeichen: Tierschützer und Schweinehalter sind sich einig

    Der Deutsche Tierschutzbund monierte hingegen, das Gesetz verhelfe "keinem einzigen Tier zu einem besseren Leben". Mit den unteren Stufen würden "eindeutig tierschutzwidrige Haltungssysteme" staatlich gesiegelt. Die Organisation "Vier Pfoten" beklagte bei der zweiten Stufe nur ein "läppisches 'Plus' von wenigen Quadratzentimetern mehr Platz". Mit intransparenten Bezeichnungen sei eine Lenkungswirkung hin zum Konsum von Produkten mit weniger Tierleid kaum möglich. Ina Latendorf (Linke) verlangte, die Kennzeichnung müsse den gesamten Lebenszyklus der Tiere abbilden. "Alles andere ist Verbrauchertäuschung."

    Auch vonseiten der Schweinehalter ernten die Plane um das Kennzeichen Kritik: Während in Berlin darüber debattiert werde, versuchen sie die Standards des Tierwohls zu verbessern und mehr auf regionale Vermarktung zu setzen. Das Problem an der ersten staatlichen Haltungskennzeichnung: Es gelte nur für Schweine, regionale Vermarktungsstrategien spielten keine Rolle. Die Kriterien halten viele für unfair. Die Politik tue alles, um die heimische Landwirtschaft Schritt für Schritt abzuschaffen, so die Schweinehalter. So entsteht eine überraschende Allianz zwischen Tierschützern und Bauernverbänden mit dem Kernsatz: Lieber kein Gesetz als dieses!

    So erkennen Verbraucher am Logo die Tierhaltungs-Stufe

    Geplant ist ein System mit fünf Kategorien, wenn Ferkel nach der Aufzucht in die Mast kommen. Es beginnt bei der Haltungsform "Stall" mit den gesetzlichen Mindestanforderungen. Die Stufe "Stall+Platz" gibt unter anderem 12,5 Prozent mehr Platz vor, die Stufe "Frischluftstall" Kontakt zu Außenklima etwa mit offenen Stallseiten. Dazu kommen die Stufen "Auslauf/Weide" und "Bio". Dabei geht es um eine Pflichtkennzeichnung inländischer Erzeugnisse aller Haltungsformen. Özdemirs Vorgängerin Julia Klöckner (CDU) hatte noch einen anderen Ansatz verfolgt: ein freiwilliges Label, aber nur für eine bessere Haltung über dem Mindeststandard. Doch das scheiterte.

    Sachlich-nüchternes Design: Wie das Logo aufgebaut ist

    Aussehen soll die Kennzeichnung sachlich-nüchtern: ein weißes, leicht abgerundetes Rechteck, in dem in schwarzer Umrahmung "Tierhaltung" steht. Die Haltungsform anzeigen soll dann ein schwarz ausgefülltes kleineres Rechteck - bei fünf kleinen Rechtecken für die fünf Kategorien. Bei gemischten Produkten wie Hackfleisch oder großen Packungen mit Fleisch aus verschiedenen Haltungsformen können auch Prozentangaben in den kleinen Rechtecken stehen: also zum Beispiel "70% Stall" und "30% Stall+Platz". Dominiert eine Haltungsform mit mindestens 80 Prozent, kann nur sie auf dem Aufdruck markiert werden.

    Was passiert mit dem bereits etablierten Label?

    In den Kühltheken trifft das künftige staatliche Logo auf eine etablierte Konkurrenz. Bereits seit 2019 gibt es eine weit verbreitete eigene Kennzeichnung der Supermarktketten mit dem Aufdruck "Haltungsform". Sie hat auf den Etiketten die Zahlen 1 bis 4 für vier verschiedene Stufen und dazu die Farben rot, hellblau, orange und grün. Viele Kunden kennen das System inzwischen, das noch länger parallel bestehen bleiben dürfte - zumal es außer Fleisch von Schweinen auch schon Produkte von Geflügel und Rindern umfasst.

    Özdemir rechtfertigte die schrittweise Einführung, um das Logo nach früheren geplatzten Anläufen überhaupt wahr zu machen - es soll aber zügig weitergehen. Noch in diesem Jahr soll nach dem Willen der Koalitionäre eine Ausweitung auf verarbeitete Ware wie Wurst und die Gastronomie in Angriff genommen werden - ebenso auf Zuchteber, Sauen und Ferkel. Danach sollen in dieser Wahlperiode bis 2025 auch andere Tierarten folgen. Im Blick steht außerdem eine ausgedehntere Kennzeichnung nach dem Herkunftsland.

    Tierwohlabgabe? Fachleute empfehlen Aufschlag

    Das Logo soll durch die Möglichkeit zum gezielten Kauf den Wandel zu höheren Haltungsformen unterstützen. Auf Kosten und Aufwand dafür sollen die Bauern aber nicht allein sitzen bleiben. Die Ampel-Koalition reservierte als Startfinanzierung zunächst eine Milliarde Euro. Die reicht aber nur für die ersten Jahre und für Schweine. Eine ganz grundsätzliche verlässliche Finanzlösung auch für andere Tierarten wird vorerst weiter gesucht. Im Gespräch ist nach Experten-Empfehlungen eine so genannte Tierwohlabgabe auf tierische Produkte. Denkbar wäre etwa ein Aufschlag von 40 Cent pro Kilogramm Fleisch.

    Neben der Kennzeichnung sollen weitere Elemente für einen Wandel der Tierhaltung zu höheren Standards kommen. Beschließen soll der Bundestag am Freitag daher auch Erleichterungen im Baurecht für Ställe. Im Kern sollen sie möglich werden, wenn Anlagen für die drei oberen Haltungsformen "Frischluftstall", "Auslauf/Weide" und "Bio" umgestaltet werden. Um jedem Tier mehr Platz zu bieten, sollen Bauern größer bauen können, solange die Höchstzahl der Tiere gleich bleibt.

    Mit Informationen von dpa

    Transparenzhinweis: In einer früheren Version des Artikels war von einem "Tierwohl-Kennzeichen" die Rede. Da sich die Kriterien jedoch nicht auf das Tierwohl, sondern auf die Haltung beziehen, handelt es sich vielmehr um ein Tierhaltungs-Label. Deshalb haben wir den Begriff angepasst.

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