Wer an den "Unruhen" teilnehme, müsse mit einer "entschiedenen" Reaktion rechnen, so Raisi.
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Nach dem Tod der Kurdin Mahsa Amini demonstriert Irans Präsident weiterhin Härte gegenüber regierungskritischen Demonstranten.

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Raisi verurteilt Proteste – Iranische Angriffe auf Nordirak

Nach dem Tod der Kurdin Mahsa Amini demonstriert Irans Präsident weiterhin Härte gegenüber regierungskritischen Demonstranten. Auch gegen Exilgruppen im benachbarten Irak geht Teheran vor: Bei Angriffen wurden mindestens 13 Menschen getötet.

Irans Präsident Ebrahim Raisi hat das "Chaos" durch die Proteste in seinem Land nach dem Tod der Kurdin Mahsa Amini verurteilt und erneut ein hartes Vorgehen gegen Demonstranten gefordert. Wer an den "Unruhen" teilnehme, müsse mit einer "entschiedenen" Reaktion rechnen, "das ist die Forderung des Volkes", sagte Raisi am Mittwoch in einem Fernsehinterview. Gleichzeitig deutete er erstmals die Möglichkeit an, einige Gesetze zu "reformieren".

Derweil flog das Land weitere Raketen- und Drohnenangriffe auf iranische Kurdengruppen im Irak, denen es eine Unterstützung der Proteste vorwirft. Dabei sollen mindestens 13 Menschen getötet worden sein. Berlin, London und Washington verurteilten das Vorgehen scharf.

Raisi: Toleranzschwelle bezüglich Kritik erhöhen

Erstmals stimmte Raisi jedoch auch versöhnliche Töne an: "Ich habe schon immer gesagt, dass wir unserer Toleranzschwelle bezüglich Kritik und auch Protesten erhöhen sollten", sagte er am Mittwoch. Der Weg dahin ist laut Raisi offen, man könnte im Land dazu auch Zentren für Diskussionen eröffnen. "Auch die Umsetzung der Gesetze könnte reformiert und revidiert werden. Dies würde dem Land sogar nützen", sagte der Kleriker in einem Interview des Staatssenders Irib. Er ließ jedoch offen, welche Gesetze revidiert werden könnten und ob auch islamische Gesetze wie das Kopftuchverbot dazu gehören.

Präsident wirft USA Einmischung vor

"Die Sicherheit der Menschen ist die rote Linie der Islamischen Republik Iran, und niemandem ist es erlaubt, das Gesetz zu brechen und Chaos zu verursachen", erklärte Raisi weiter. Er warf erneut den USA vor, die Proteste anzuheizen. "Der Feind hat die nationale Einheit ins Visier genommen und will die Menschen gegeneinander ausspielen", sagte der Präsident.

Er verteidigte auch die Sicherheitskräfte, die in den vergangenen zwei Wochen in ganz Iran mit Demonstranten zusammengestoßen waren.

Landesweite Proteste nach Tod von 22-Jähriger

Die 22-jährige Amini war in Teheran von der Sittenpolizei festgenommen worden, offenbar weil sie das islamische Kopftuch nicht den strengen Regeln entsprechend getragen hatte. Nach Angaben von Aktivisten soll sie von der Polizei geschlagen und deshalb gestorben sein. Ihr Tod löste im Iran landesweite Proteste aus, gegen die die Sicherheitskräfte gewaltsam vorgehen. Nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Iran Human Rights (IHR) mit Sitz in Oslo wurden dabei schon mindestens 76 Menschen getötet.

Raisi sagte am Mittwoch, der Iran empfinde "Kummer und Trauer" über Aminis Tod. Gerichtsmedizin und Justiz untersuchten den Fall noch, legten aber bald ihren Abschlussbericht vor.

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Angriffe im Irak - mindestens 13 Tote

Derweil flog der Iran erneut Raketen- und Drohnenangriffe in der autonomen Kurdenregion im Irak. Dabei sollen mindestens 13 Menschen ums Leben gekommen sein. Unter den Toten sei auch eine schwangere Frau, teilten die Behörden der Kurdenregion am Mittwochabend mit. 58 weitere Menschen seien verletzt worden, darunter auch Kinder. Insgesamt seien mehr als 70 Angriffe mit Raketen und bewaffneten Drohnen registriert worden.

Über den angegriffenen Orten nahe der nordirakischen Stadt Suleimanija stieg Rauch auf, wie ein Korrespondent der Nachrichtenagentur AFP berichtete. Laut dem kurdischen Fernsehsender K24 wurden auch drei seiner Journalisten verletzt. Das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR erklärte, der Angriff habe Siedlungen iranischer Flüchtlinge im Nordirak getroffen.

Das iranische Staatsfernsehen hatte zuvor gemeldet, die Revolutionsgarden hätten im Nordirak "mehrere Hauptquartiere separatistischer Terroristen" mit Raketen und Drohnen angegriffen. Die tödlichen Angriffe zielten auf iranische, kurdische Exilgruppen im Nordirak ab. Diese unterstützen die seit dem Tod Mahsa Aminis anhaltenden Proteste im Iran und prangern die Gewalt gegen Demonstranten an.

Bundesregierung verurteilt iranische Angriffe im Irak

Die Bundesregierung verurteilte die iranischen Angriffe nachdrücklich. "Seit mehreren Tagen dauern die Drohnen- und Raketenangriffe in den Provinzen der Region Kurdistan-Irak Sulaimaniya und Erbil bereits an", erklärte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes. Die Eskalation sei "nicht akzeptabel", hieß es weiter.

Deutschland sehe die Angriffe Irans auf die Region Kurdistan-Irak vor dem Hintergrund der innenpolitischen Proteste in Iran mit großer Sorge. "Versuche, die Ursachen der Proteste in Iran im Nachbarland zu verorten, weisen wir klar zurück", betonte das Auswärtige Amt. "Wir fordern von Iran, die territoriale Integrität Iraks zu respektieren und die Angriffe sofort einzustellen."

London und Washington kritisieren Angriffe ebenfalls

Auch Großbritannien forderte den Iran auf, die "willkürlichen Bombardierungen" einzustellen und nannte die Angriffe "eine Verletzung der Souveränität und der territorialen Integrität des Irak" und "völlig inakzeptabel".

Der Sicherheitsberater des Weißen Hauses in Washington, Jake Sullivan, sagte, die iranische Führung zeige durch die Angriffe weiterhin "eine eklatante Missachtung" nicht nur des eigenen Volkes, sondern auch "seiner Nachbarn und der in der UN-Charta verankerten Grundprinzipien der Souveränität und territorialen Integrität".

Mit Material von AFP und Reuters.

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