Boris Pistorius (l, SPD), Bundesminister der Verteidigung, wird von Milos Vucevic (r), Verteidigungsminister von Serbien, mit militärischen Ehren empfangen.
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Verteidigungsminister Pistorius besucht Serbien

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Pistorius auf dem Balkan: Bei engen und weniger engen Freunden

Drei Tage, drei Länder: Boris Pistorius hat bei seiner ersten Balkanreise als Verteidigungsminister erlebt, dass Teile der Region einem Krisenherd gleichen. Anfangs war der Empfang freundlich, doch bei der letzten Etappe fiel das Thermometer spürbar.

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Ein sonniger Vormittag in Bosnien-Herzegowina. Die Berge im Hintergrund erinnern an den Schwarzwald. Doch bevor sich so etwas wie ein Urlaubsgefühl einstellen kann, wird es laut. Ein gutes Dutzend Männer taucht auf. Sie sind mit Stöcken und Flaschen bewaffnet und rufen "Eufor go home" – "Eufor hau ab". Damit meinen die vermeintlichen Demonstranten den EU-Einsatz in dem Westbalkanland. Ein paar Minuten später werden ihre Parolen von den Rotorgeräuschen eines Militärhubschraubers übertönt. An Bord sind Sicherheitskräfte, ausgestattet mit Schlagstöcken und Schutzschilden. Es dauert nicht lange, bis sie die Lage im Griff haben. Auftrag erfüllt.

Eine Übung nur, aber eben eine für den Ernstfall. Das ist Boris Pistorius wichtig. Der Verteidigungsminister besucht an diesem Tag das Hauptquartier von Eufor Althea, wie die europäische Mission in Sarajevo genannt wird. Er hat das Spektakel vom Balkon eines Hauses aus beobachtet, das von den Demo-Darstellern belagert wurde. "Der Einstieg in das Szenario sah aus wie eine normale Demonstration", sagt der SPD-Politiker. "Aber wir müssen uns vorstellen, dass es tatsächlich ein Aufruhr war."

Spannungen in westlichen Balkanstaaten haben zugenommen

Auf ein solches Szenario will die Führung des bosnischen EU-Einsatzes vorbereitet sein. Nach einer Zeit der relativen Ruhe haben die Spannungen zwischen den Bevölkerungsgruppen zuletzt zugenommen. Fast 30 Jahre nach dem Friedensabkommen von Dayton fällt es Bosniaken, bosnischen Kroaten und bosnischen Serben noch immer schwer, politisch zueinanderzufinden. Immer wieder brechen Gegensätze auf, und die Abspaltungstendenzen der serbischen Teilrepublik des Landes tun das Übrige.

Als Reaktion darauf hat Deutschland sein militärisches Engagement in Bosnien-Herzegowina vor anderthalb Jahren wiederbelebt. Aktuell sind dort rund 30 Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr stationiert. Ein überschaubares Kontingent, auch angesichts der Eufor-Gesamtstärke von rund 1.600 Männern und Frauen.

Pistorius betont politische Bedeutung des Balkans für ganz Europa

Doch aus Sicht von Pistorius kommt es nicht auf Quantität an: "Unsere Soldatinnen und Soldaten leisten hier einen wichtigen Dienst in einer geostrategisch bedeutenden Region für Europa." Einige arbeiten im Hauptquartier, andere suchen Kontakt zu den Menschen im Land und sammeln Informationen über die aktuelle Lage. Und das in einer Gegend des Kontinents, die sich immer wieder als Krisenherd erwiesen hat. Mit Folgen für ganz Europa, wie der Minister bei dieser Reise mehrmals betont.

Die aktuelle Lage beschreibt der CDU-Verteidigungspolitiker Thomas Röwekamp als "sehr fragil" - und das nicht nur in Bosnien-Herzegowina, sondern überall auf dem westlichen Balkan. Der Bundestagsabgeordnete ist einer von vier Parlamentariern, die Pistorius bei dieser Reise begleiten. Er sei enttäuscht darüber, dass trotz des langjährigen internationalen Engagements "die wechselseitigen Feindseligkeiten" jederzeit in Gewalt münden könnten, sagt Röwekamp BR24.

Kosovo: Angriff auf Polizisten

Wie brüchig die Stabilität in der Region ist, zeigte beispielsweise ein Vorfall vor wenigen Monaten im Kosovo. Das Land gehört wie Bosnien zu den Staaten des westlichen Balkans. Im vergangenen Herbst überfiel ein bewaffnetes serbisches Kommando kosovarische Polizisten. Es gab mehrere Tote. Ein Vorfall, der bis heute nachwirkt. Das wird gleich zum Auftakt der Dreitagestour von Pistorius deutlich. Die Regierung in Pristina wirft der serbischen Regierung vor, hinter der Attacke zu stecken. Und die kosovarische Präsidentin Vjosa Osmani mutmaßt beim Treffen mit dem deutschen Verteidigungsminister, Belgrad bereite paramilitärische Einheiten auf weitere Angriffe vor.

Im Kosovo gibt es eine serbische Minderheit, die überwiegend im Norden des Landes lebt. Dort bricht der Konflikt zwischen den Bevölkerungsgruppen immer wieder auf. Ein Thema auch in Belgrad, der dritten Etappe der Ministerreise. Pistorius tauscht sich hier mit dem serbischen Präsidenten Aleksandar Vučić aus. Die darauffolgende Pressekonferenz lässt den Schluss zu, dass hinter den Kulissen Klartext gesprochen wurde.

Schwieriger Termin: Pistorius in Serbien

Pistorius nennt das Gespräch offen und ergiebig. Und spricht gleich eine Warnung an Vučić und andere Akteure in der Region aus: "Kein Weg führt in die Europäische Union über Konflikte in dieser Region." Damit bezieht sich der Minister auf den Wunsch aller drei bereisten Staaten, EU-Mitglied zu werden. Und auch dies müsse klar sein: "Gewalt und Drohungen sind kein Mittel der politischen Auseinandersetzung, nirgendwo auf der Welt." Eigentlich eine Selbstverständlichkeit, aber angesichts der Entwicklung war es Pistorius offensichtlich ein Anliegen, seinen Gastgeber daran zu erinnern.

Vučić verfolgt die Ausführungen seines Gastes aus Deutschland ohne erkennbare Regung. Auch er betont, dass das Gespräch in großer Offenheit geführt worden sei. Zum Kosovo und in anderen Fragen gingen die Meinungen zwar auseinander. Sein Land sei aber an Stabilität interessiert, so der Präsident. "Serbien wird niemanden mit militärischen Maßnahmen überraschen". Sein Wort gelte mehr als jede Unterschrift, verspricht Vučić.

Im rund 240 Kilometer entfernten Pristina werden sie genau hingehört haben. Dort scheint man sich nicht auf Worte allein verlassen zu wollen. Dass Deutschland sein Kontingent bei der Nato-geführten Schutztruppe bald auf 250 Soldatinnen und Soldaten aufstockt, wird im Kosovo jedenfalls ausdrücklich begrüßt.

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