Gesundheitsminister Karl Lauterbach (Archivbild)
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Nieren sollen leichter "über Kreuz" gespendet werden dürfen

Wer nierenkrank ist, hofft oft auf eine Spende von einem nahestehenden Verwandten. Doch nur selten sind die Nieren miteinander kompatibel. Der Gesundheitsminister will künftig Überkreuznierenspenden erlauben. Das geht aus einem Entwurf hervor.

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Im Mai muss Dagmar Held vermutlich das erste Mal zur Dialyse – sonst droht ein Nierenversagen. Vor 15 Jahren wurde bei ihr eine Niereninsuffizienz festgestellt, in den letzten Jahren hat sich ihr Zustand drastisch verschlechtert. Es ist klar: Eine neue Niere muss her. Einen Spender hätte Dagmar bereits: ihr Lebenspartner Hiltfried Lenart. Doch bei der Vorsorgeuntersuchung im Krankenhaus kommt schnell die Ernüchterung. "Dort haben sie uns gesagt, dass unsere Nieren nicht übereinstimmen. Sie verträgt meine Niere im Grunde nicht, keine Kompatibilität", erzählt der 69-Jährige.

Bisher muss für Spende ein Näheverhältnis vorliegen

Dagmar ist kein Einzelfall. Mehr als 6.700 Menschen warten momentan auf eine neue Niere. Bundesgesundheitsminister Lauterbach (SPD) will deshalb künftig Nierenspenden erleichtern. Das geht aus einem Entwurf aus dem Ministerium hervor, der dem BR vorliegt.

Anders als bei den meisten anderen Organen können Nieren auch lebend gespendet werden, allerdings bisher nur von nahestehenden Personen wie Verwandten oder Ehepartnern. So steht es im Transplantationsgesetz. Damit möchte man Organhandel verhindern.

Überkreuzspenden sollen mehr Organspenden ermöglichen

Doch weil die Nieren von Spendern und Empfängern in vielen Fällen nicht zusammenpassen, will die Bundesregierung künftig auch sogenannte Überkreuzspenden zulassen. Dabei geht die Niere nicht an die vorgesehene nahestehende Person, sondern "über Kreuz" an eine passende Empfängerin oder einen passenden Empfänger, die mit einem geplanten nahestehenden Spender ebenfalls nicht kompatibel sind. Im Gegenzug geht die Spenderniere des anderen Paares an die Empfängerin oder den Empfänger des ersten Paares. Solche Kombinationen können auch mehr als zwei Paare umfassen.

Zentrales Ziel der Bundesregierung ist es, so die Zahl an möglichen Organspendern zu erweitern. Vorgesehen ist dabei auch, den Pool "um nicht gerichtete anonyme Nierenspenden zugunsten einer der Spenderin oder dem Spender nicht bekannten Person" zu ergänzen, heißt es in dem Referentenentwurf.

In vielen anderen Ländern ist Überkreuzspende bereits möglich

In vielen anderen Ländern sind Überkreuzspenden bereits seit längerem möglich, beispielsweise in Spanien, der Türkei oder der Schweiz. Auch in Deutschland sind Überkreuzspenden nicht komplett neu, hier waren sie bisher aber nur unter erschwerten Bedingungen möglich. Für eine Überkreuz-Transplantation mussten sich die Paare erst einmal über einen längeren Zeitraum kennenlernen und schließlich ihre Nähe vor einer Ethikkommission beglaubigen lassen.

Union und Grüne begrüßen die geplante Reform

Die Rückmeldungen auf den Entwurf sind positiv. "Gerade bei der Nierenspende ist das eine Option, mit der Angehörige helfen können", erklärt der CSU-Bundestagsabgeordnete Stephan Pilsinger gegenüber BR24. "Wenn Angehörige sich selbstbestimmt entscheiden, mit einer Lebendspende zu helfen, dann muss es auch leichter möglich sein, dass entsprechend zu tun."

Kritischer ist Pilsinger, der immer noch als Arzt praktiziert und für die CSU im Gesundheitsausschuss im Bundestag sitzt, was mögliche anonyme, nicht zielgerichtete Spenden betrifft. "Ich persönlich finde die Crossover-Spende ethisch vertretbar." Bei einer freiwilligen, anonymen Spende als Pool oder Kettenspende sei er jedoch zurückhaltender. Auch die Grünen lobten die geplante Reform. Sie sei "richtig und wichtig", sagte der gesundheitspolitische Sprecher, Janosch Dahmen, gegenüber dem Magazin Stern. In einer älter werdenden und chronisch kränkeren Gesellschaft werde der Bedarf an Nierenspenden steigen und gleichzeitig der Anteil passender Spenderorgane abnehmen.

Für Dagmar kommt die Neuregelung voraussichtlich zu spät und sie muss zur Dialyse. Dabei hat das Paar in den letzten Monaten alles versucht, um eine Spende möglich zu machen. Sie und ihr Partner Hiltfried sind Anfang April extra nach Istanbul gereist, um dann vor Ort und nach einigen Untersuchungen festzustellen, dass man in der Türkei für eine Spende mindestens zwei Jahre verheiratet sein muss. Ihre 13-jährige Beziehung reichte für den Beweis eines Näheverhältnisses nicht aus.

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