Maximilian Krah von der Alternative für Deutschland (AfD) nimmt an einer Sitzung des Europäischen Parlaments teil.
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Maximilian Krah von der Alternative für Deutschland (AfD) nimmt an einer Sitzung des Europäischen Parlaments teil.

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Spionagevorwürfe gegen AfD-Mitarbeiter: Muss Krah nun gehen?

Es ist der zweite aufsehenerregende Spionage-Verdacht in zwei Tagen: Ein Mitarbeiter des AfD-Europaabgeordneten Krah soll für China gearbeitet haben. Rufe nach Konsequenzen werden laut. Ein Geheimdienstexperte erläutert für BR24 seine Sicht.

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Ein Mitarbeiter des deutschen AfD-Europaabgeordneten Maximilian Krah ist wegen des Verdachts der Spionage für China festgenommen worden. Über die Festnahme am Vorabend in Dresden berichtete der Generalbundesanwalt (GBA) am Dienstag, ohne Krah zu nennen. Der Mitarbeiter wurde laut Bundesanwaltschaft vom Landeskriminalamt Sachsen am Montag in Dresden festgenommen und Wohnungen des Beschuldigten wurden durchsucht.

"Agententätigkeit in besonders schwerem Fall"

Der deutsche Staatsangehörige Jian G. soll Mitarbeiter eines chinesischen Geheimdienstes sein. Laut GBA wird ihm Agententätigkeit für einen ausländischen Geheimdienst in einem besonders schweren Fall zur Last gelegt. 

Seit 2019 soll er für ein deutsches Mitglied des Europäischen Parlaments gearbeitet haben, nach ARD-Informationen schon damals für Krah. Seit vergangenem Januar soll er laut dem Generalbundesanwalt wiederholt Informationen über Verhandlungen und Entscheidungen im Europaparlament weitergegeben haben. Zudem habe er für den Nachrichtendienst chinesische Oppositionelle in Deutschland ausgespäht.

AfD-Spitze kündigt Gespräch mit Krah an

Die AfD-Spitze hat sich besorgt über die Spionagevorwürfe gegen einen Mitarbeiter von Krah gezeigt. Es sei "absolut beunruhigend", wenn ein Mitarbeiter unter solchen Vorwürfen festgenommen werde, sagte AfD-Co-Chef Tino Chrupalla am Dienstag in Berlin. Auf die Frage, ob Krah noch der richtige Spitzenkandidat sei, ging die AfD-Spitze bisher nicht ein. Seit Wochen sorgen Berichte über mögliche Verbindungen von Krah und seinem Parteikollegen Petr Bystron zu prorussischen Netzwerken bereits für Aufsehen. Bystron ist die Nummer zwei auf der Kandidatenliste. Die AfD-Chefs Alice Weidel und Tino Chrupalla wollen Krah am Mittwoch zum Krisengespräch in Berlin treffen. Danach soll es eine Stellungnahme geben.

Krah will keine persönlichen Konsequenzen ziehen

Krah selbst reagierte selbstbewusst auf die Meldungen über die Festnahme seines Mitarbeiters. Am Dienstagabend, nach seiner Landung in Berlin, sagte er, er sehe keinen Grund, persönliche Konsequenzen zu ziehen: "Mir wird ja kein Fehlverhalten vorgeworfen. Das heißt, wir müssen aufklären, was tatsächlich wahr ist. Ich selbst werde jetzt nicht für das vermeintliche Fehlverhalten meines Mitarbeiters in Sack und Asche gehen." Tagsüber hatte der AfD-Spitzenkandidat für die Europawahl bei X (früher Twitter) geschrieben: "Von der Festnahme meines Mitarbeiters Jian G. habe ich heute Vormittag aus der Presse erfahren. Weitere Informationen liegen mir nicht vor. (...) Sollten sich die Vorwürfe als wahr erweisen, würde dies die sofortige Beendigung des Dienstverhältnisses nach sich ziehen."

Maximilian Krah
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Maximilian Krah

Union und SPD fordern eidesstattliche Versicherung

Der CDU-Außenpolitiker und Bundestagsabgeordnete Norbert Röttgen nannte die AfD in den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland "ein Risiko für die Sicherheit unseres Landes". Er forderte Krah auf, eine eidesstattliche Versicherung abzugeben und die Öffentlichkeit umfassend über dessen Beziehungen zu seinem Mitarbeiter, zu China und zu chinesischen Funktionären zu unterrichten. Laut Röttgen müssen die Wähler vor der Europawahl am 9. Juni über die Sicherheitsrisiken, die von Krah ausgehen, ins Bild gesetzt werden.

Auch SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert forderte im "Tagesspiegel" Klarheit. Krah soll nach Kühnerts Worten "an Eides statt versichern, in keiner Weise Informationen an ausländische Geheimdienste gegeben zu haben". Kühnert fügte hinzu: "Ansonsten wäre Krah im chinesischen Volkskongress besser aufgehoben als im Europäischen Parlament".

Die SPD-Spitzenkandidatin für die Europawahl, Katarina Barley, sieht nach eigenen Worten in der AfD ein Sicherheitsrisiko für Deutschland. In der "Rheinischen Post" sagte sie, die Partei entlarve sich "als Instrument für autokratische Mächte". Und weiter: Russlands Präsident Wladimir Putin und der chinesische Staatschef Xi Jinping hätten offenbar großen Einfluss auf die AfD.

Rücktrittsforderungen aus CDU und FDP

Scharfe Kritik kam auch von anderen Politikern, die teils Krahs Rückzug forderten. CDU-Parlamentsgeschäftsführer Thorsten Frei sagte der "Rheinischen Post", es sei "absolut indiskutabel, einen Spitzenkandidaten zu haben, der sich mit derartigen Vorwürfen auseinanderzusetzen hat."

Die FDP-Abgeordnete Marie-Agnes Strack-Zimmermann kritisierte auch den bayerischen AfD-Europakandidaten Petr Bystron, der sich gegen Vorwürfe wehrt, Geld für prorussische Propaganda bekommen zu haben: "Beide müssten nach menschlichem Ermessen ihre Kandidatur niederlegen, statt unserem Land weiter zu schaden."

Regierung beantragt "aktuelle Stunde" im Bundestag

Die Ampel-Koalition beantragte Bekanntwerden der Spionagevorwürfe eine Aktuelle Stunde im Bundestag. Sie soll am Donnerstag stattfinden. "Die AfD ist ein Sicherheitsproblem für unser Land und die Demokratien Europas", sagte Grünen-Parlamentsgeschäftsführerin Irene Mihalic am Dienstag der Nachrichtenagentur AFP. "Die Fraktionen von SPD, FDP und Grünen werden diese Woche eine Aktuelle Stunde beantragen, um diese Sicherheitsbedrohung im Parlament zu thematisieren."

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) nannte die Spionagevorwürfe "äußerst schwerwiegend." Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) sagte, es sei traurigerweise nicht überraschend, "dass wir in den letzten Monaten vermehrt sehen, was vorher schon viele wussten, dass Antidemokraten weltweit versuchen, Demokratien auch von innen auszuhöhlen durch unterschiedliche Mittel". 

Zweite Festnahme in drei Tagen

Bereits am Vortag hat die Bundesanwaltschaft drei deutsche, mutmaßliche Spione für China in Düsseldorf und Bad Homburg festnehmen lassen. Die beiden Männer und eine Frau sollen demnach in Deutschland Informationen über Militärtechnik beschafft haben, um sie an den chinesischen Geheimdienst weiterzugeben. Zum Zeitpunkt der Festnahmen hätten sich die Beschuldigten in Verhandlungen über Forschungsprojekte befunden, die insbesondere zum Ausbau der maritimen Kampfkraft Chinas nützlich sein könnten, hieß es.

Geheimdienstexperte "nicht überrascht"

Der deutsche Geheimdienstexperte Erich Schmidt-Eenboom zeigt sich im Gespräch mit BR24 angesichts mehrerer Fälle von Industrie- und Politspionage in der letzten Zeit von den drei aktuellen Fällen "nicht überrascht".

China betreibe Spionage - insbesondere Wirtschaftsspionage - in Deutschland schon seit Jahren mit großem Erfolg; als Beispiel verweist Schmidt-Eenboom auf VW. Dazu versuche Peking in letzter Zeit vermehrt, Spione etwa unter chinesischen Staatsbürgern an deutschen Universitäten zu rekrutieren.

"Nur die Spitze des Eisbergs"

Noch dramatischer sei die Zunahme der Agententätigkeit von Seiten der Russen. Zusätzlich zur hybriden Kriegsführung Moskaus (siehe unten) gegen westliche Staaten sei seit dem Ukrainekrieg und den Sanktionen auch ein "Informationshunger" der Russen auf deutsches High-Tech-Wissen zu beobachten. Gezielt würden dabei Putin-Anhänger in Deutschland und Russland-affine Personen im Umfeld der AfD angeworben.

"Was wir nun sehen, ist nur die Spitze des Eisbergs", so Schmidt-Eenboom. Die deutschen Kapazitäten zur Spionageabwehr seien angesichts zusätzlicher Bedrohung durch Rechts- und Linksextremisten weiter begrenzt, so Schmidt-Eenboom. Zwar gebe es in diesem Bereich 600 neue Planstellen; die Ausbildung aber sei langwierig, die Gefahr, durch Doppelagenten infiltriert zu werden, hoch. Gut laufe hingegen die Zusammenarbeit mit US-amerikanischen Diensten wie der NSA.

Im Video: Gespräch mit Erich Schmidt-Eenboom, Spionageexperte

Gespräch mit Erich Schmidt-Eenboom, Spionageexperte
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Gespräch mit Erich Schmidt-Eenboom, Spionageexperte

China sieht sich "verleumdet"

China wies die Berichte über eigene Spione in Deutschland zurück. "Die Absicht hinter diesem Hype ist ganz offensichtlich, nämlich China zu verleumden, zu unterdrücken und die Atmosphäre der Zusammenarbeit zwischen China und Europa zu untergraben", sagte ein Sprecher des Pekinger Außenministeriums.

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