Die teils zerstörten Stadt Darna im Osten Libyens.
Bildrechte: Reuters / Ayman al-Sahili

Nach den Überschwemmungen in Libyen wächst die Sorge vor einem Cholera-Ausbruch.

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Nach Überschwemmungen: Sorge vor Cholera-Ausbruch in Libyen

Nach den Überschwemmungen in Libyen wächst die Sorge vor einem Cholera-Ausbruch. Das libysche Gesundheitsministerium warnte, in der schwer betroffenen Küstenstadt Darna sei das Grundwasser stark verschmutzt. Bereits Dutzende Kinder seien erkrankt.

Über dieses Thema berichtet: BAYERN 3-Nachrichten am .

Erst kam die Überschwemmung in Libyen und nun die Angst vor Cholera: So warnte das libysche Gesundheitsminsterium die Menschen in der stark zerstörten Stadt Darna dringend davor, Brunnenwasser zu trinken. In der Hafenstadt im Nordosten von Libyen gebe es Grundwasser, das mit Leichen, Tierkadavern, Müll und chemischen Substanzen verschmutzt sei. "Wir bitten die Menschen dringend, sich den Brunnen in Darna nicht zu nähern", zitierte die Zeitung "Arab News" Libyens Gesundheitsminister Ibrahim Al-Arabi.

Bereits 55 Kinder an Cholera erkrankt

In Darna seien bereits Dutzende Kinder durch verschmutztes Wasser erkrankt, sagte der Leiter des Nationalen Zentrums für Krankheitsbekämpfung der Nachrichtenseite "Al-Wasat" am Freitag. Die 55 Kinder stammten aus Familien, die durch die zerstörerischen Wassermassen vertrieben wurden, hieß es. In der Küstenstadt habe sich Trinkwasser mit Abwasser gemischt. "Nach einer solchen Katastrophe machen wir uns wirklich Sorgen über Krankheiten, die sich über kontaminiertes Trinkwasser ausbreiten", sagte die Koordinatorin für medizinische Einsätze bei Ärzte ohne Grenzen, Manoelle Carton. Das Ausmaß des Problems sei noch schwer abzuschätzen.

"Katastrophale humanitäre Lage" und chaotische Zustände in Darna

Nach den verheerenden Überschwemmungen in Libyen sprechen internationale Helfer von einer "katastrophalen humanitären Lage" und chaotischen Zuständen in Darna. "Es ist dringend eine Koordination der Hilfe nötig", berichtete die Organisation Ärzte ohne Grenzen am Freitagabend. Ihr erstes Nothilfeteam ist seit Donnerstag vor Ort. Die Überlebenden benötigten jetzt vorrangig Unterkünfte, Nahrung und medizinische Grundversorgung wegen der Sorge vor Cholera und Mangel an sauberem Wasser, erklärte UN-Nothilfekoordinator Martin Griffiths in Genf.

Das Bürgerkriegsland Libyen ist faktisch gespalten, neben der Regierung in Tripolis gibt es eine zweite im Osten des Landes. Die beiden Lager sind verfeindet und geben teils widersprüchliche Informationen zur Katastrophenlage heraus. Die Rivalität erschwert auch die Koordinierung der Hilfsmaßnahmen.

Helfer klagen über fehlende Koordination der Freiwilligen

Überhaupt bleibt die Lage in dem Katastrophengebiet unübersichtlich. "Es gibt jede Menge Freiwillige aus dem In- und Ausland", berichtete Manoelle Carton von Ärzte ohne Grenzen. "Jeder will helfen, aber es ist zu viel, es wird chaotisch." Es seien jede Menge Hilfsmittel vor Ort, aber um die verschiedenen Stadtteile aufzusuchen und zu sehen, was wo nötig sei, stehe man stundenlang im Stau. Es fehle an Absprachen, sagte auch der Einsatzleiter der Internationalen Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften.

"Die humanitäre Lage in Libyen ist katastrophal. Die Bedürfnisse sind größer als die Fähigkeiten aller internationalen, in Libyen arbeitenden Organisationen und örtlichen Behörden", sagte der Sprecher des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz in Libyen, Baschir Omar, der Deutschen Presse-Agentur. Zudem berichtete Ärzte-ohne-Grenzen-Koordinatorin Manoelle Carton von unzähligen Menschen, die psychische Unterstützung bräuchten. "Alle bitten darum, Menschen auf der Straße, Ärztinnen und Ärzte, Menschen, die Schreckliches gesehen haben und Leute, die ihre ganze Familie verloren haben."

Zehntausende Menschen obdachlos

Allein in Darna sind mehr als 30.000 Menschen obdachlos geworden, wie die Internationale Organisation für Migration (IOM) am Donnerstag mitteilte. Rund 10.000 Menschen gelten als vermisst. Videos in sozialen Medien zeigten Fahrzeugkolonnen, die Tote abtransportierten, auf anderen Aufnahmen trieben Leichen im Meer. Ganze Straßenzüge sind in Schlamm versunken.

Neben Darna sind auch andere Städte wie Al-Baida, Al-Mardsch, Susa und Schahat betroffen. "Wir brauchen einfach Leute, die die Situation verstehen - logistische Hilfe, Hunde, die Menschen riechen können und sie aus dem Boden holen. Wir brauchen einfach humanitäre Hilfe, Leute, die wirklich wissen, was sie tun", sagte ein libyscher Arzt, der in einer Klinik nahe Darnas arbeitet, dem britischen Sender BBC am Donnerstag. Der Sturm "Daniel", der zuvor auch in Griechenland gewütet hatte, war am Sonntag über Libyen gezogen.

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