ARCHIV - 13.06.2018, Baden-Württemberg, Karlsruhe: In einem Waffengeschäft wird eine Schreckschusspistole vom Typ Walther P88 Compact Kaliber 9mm PAK gezeigt.(zu dpa: «Verbände: Schärferes Waffenrecht ist Populismus») Foto: Uli Deck/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
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Nach der Amoktat in Hamburg ist die Ampel-Koalition offenbar uneins darüber, ob das Waffengesetz verschärft werden sollte.

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Nach Amoktat: Politik uneins über Verschärfung des Waffenrechts

Die Politik streitet nach der Amoktat von Hamburg um ein verschärftes Waffenrecht. Warum eine genauere Überprüfung von Waffenbesitzern notwendig sein könnte, zeigen neue Details einer Überprüfung des späteren Täters durch die Hamburger Polizei.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Bei der Ampel-Koalition in Berlin ist man nach der Amoktat in den Räumen der Zeugen Jehovas in Hamburg offenbar uneins darüber, ob das Waffengesetz verschärft werden sollte.

FDP zurückhaltend gegenüber Waffenrechtsverschärfung

"In symbolpolitischen Forderungen ohne Sicherheitsgewinn sehen wir keinen Mehrwert", sagte der innenpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Manuel Höferlin, der "Rheinischen Post". Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte kurz nach der Tat mit mehreren Toten angekündigt, den Entwurf zur Änderung des Waffengesetzes noch einmal prüfen zu wollen.

Die Grünen-Sprecherin für Innenpolitik, Lamya Kaddor, sprach sich in der "Rheinischen Post" für eine Verschärfung aus. "Ich halte es für sinnvoll, dass sich Waffenbehörden, Polizeien und Gesundheitsämter in Zukunft anlassbezogen und unter den rechtlichen Bedingungen des einzuhaltenden Datenschutzes austauschen", sagte Kaddor.

SPD-Innenminister fordern schärfere Waffengesetze

Die Chefs der SPD-geführten Innenressorts der Länder und Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) legten am Montagnachmittag noch einmal nach. Mit Blick auf die Amoktat in Hamburg hieß es am Montag bei einem Treffen der Minister und Senatoren im Bremer Rathaus, Faesers geplante Reform des Waffenrechts sei "dringend erforderlich". "Wir wissen schon von früheren schweren Gewalttaten, dass wir striktere und regelmäßigere Überprüfungen brauchen", sagte Faeser laut Mitteilung der Bremer Innenbehörde.

Ihr neuer Gesetzentwurf vom Januar sehe insbesondere eine allgemeine Pflicht zur Vorlage eines ärztlichen oder psychologischen Zeugnisses bei der erstmaligen Beantragung einer Waffenerlaubnis vor. "Wir wollen, dass künftig die Waffenbehörde nicht nur bei den Sicherheitsbehörden und der örtlichen Polizei Erkenntnisse abfragt, sondern auch beim Gesundheitsamt."

Auch Polizeigewerkschaft für Nachbesserungen beim Waffenrecht

Am vergangenen Donnerstagabend hatte der 35-jährige Philipp F. in Hamburg-Alsterdorf sieben Menschen erschossen, darunter ein ungeborenes Kind. Dann tötete er sich selbst. Neun Menschen wurden verletzt. Drei von ihnen schwebten am Montag noch in Lebensgefahr, wie Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD) sagte.

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) spricht sich für Nachbesserungen aus. "Prüfungen des psychischen Gesundheitszustandes vor der Beantragung von Waffenbesitzkarten, also vor dem Kauf von legalen Waffen, würden aus unserer Perspektive ein Mehr an Sicherheit bringen", sagte der GdP-Bundesvorsitzende Jochen Kopelke.

Nach Amoklauf: Herrmann will weitere Ermittlungen abwarten

Die Union im Bundestag sieht indes keinen Bedarf für schärfere Regelungen. "Das Waffenrecht ist bereits in der letzten Zeit mehrfach verschärft worden — zu Recht übrigens. Nach jüngsten schrecklichen Ereignissen wird deutlich: Entscheidend beim Waffenrecht ist der Vollzug", sagte der CSU-Innenpolitiker Volker Ullrich dem Blatt.

Auch der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) hatte die Überlegungen Faesers am Wochenende im BR in Frage gestellt. "Wir sehen bislang keine Notwendigkeit" dafür, sagte Herrmann. Er bezweifelt, dass ein Amoklauf in Zukunft allein durch eine Verschärfung des Waffenrechts verhindert werden könne. Zunächst gelte es, so der bayerische Innenminister, weitere Ermittlungsergebnisse des Amoklaufs in Hamburg abzuwarten - etwa zur erfolgten Überprüfung des Täters vor der Tat.

Psychologische Gutachten brächten Kosten und Bürokratie mit sich. Wenn man den Bürgern zusätzliche Anforderungen aufhalse, müsse der, der sie fordert, zunächst belegen, warum dies notwendig sei.

"Zeit online": Polizei übersah Buch des mutmaßlichen Amokläufers

Erste Hinweise darauf, warum zusätzliche Anforderungen notwendig sein könnten, geben neue Details um ein mögliches Versagen der Waffenbehörde der Hamburger Polizei. Nach Informationen von "Zeit online" hatte diese bei der Überprüfung des mutmaßlichen späteren Amokläufers dessen verdächtiges Buch übersehen. Bei einer Aufarbeitung hätten die Beamten angegeben, das knapp 300-seitige Werk mit dem Titel "Die Wahrheit über Gott, Jesus Christus und Satan" nicht gelesen zu haben, berichtete "Zeit online" am Dienstag.

Das Buch sei Ende Dezember 2022 erschienen und enthalte zahlreiche antisemitische Aussagen. Der Autor, der am vergangenen Donnerstag in einer Hamburger Gemeinde sieben Menschen getötet und anschließend sich selbst erschossen haben soll, erkläre darin außerdem Massenmord im Auftrag Gottes für legitim und Adolf Hitler zu einem Werkzeug Christi. Im Januar 2023 war bei der Polizei Hamburg ein anonymes Schreiben eingegangen, in dem stand, der 35-Jährige sei psychisch krank, hege Aggressionen gegen religiöse Gruppen und seinen früheren Arbeitgeber.

Buch des Amoktäters nach aktuellem Waffenrecht irrelevant?

Aufgrund des Schreibens überprüfte die Waffenbehörde bei der Hamburger Polizei den Mann. Dafür hätten die Beamten zwar im Internet nach weiteren Hinweisen auf psychische Auffälligkeiten gesucht, berichtet "Zeit online". Sie hätten aber das Buch, das damals bereits auf Amazon erhältlich gewesen sei, offenbar aber nicht gefunden.

Nach einer ersten Aufarbeitung vertrete die Hamburger Polizei aber die Auffassung, dass dies auch keine weitere Handhabe gebracht hätte, um dem 35-Jährigen unmittelbar seine halbautomatische Pistole zu entziehen. Das aktuelle deutsche Waffengesetz fordere dafür "Tatsachen", die klar auf eine nicht mehr gegebene charakterliche oder gesundheitliche Eignung hindeuten. Die Aussagen in dem Buch hätten dafür laut Polizei ebenso wie der anonyme Brief nicht ausgereicht.

13.03.2023, Bremen: Ulrich Mäurer (SPD, l-r), Innensenator von Bremen, Nancy Faeser (SPD), Bundesministerin des Innern und Heimat, und Andy Grote (SPD), Innen- und Sportsenator Hamburgs, geben eine Pressekonferenz. Zwei Monate vor der Landtagswahl in Bremen kommen SPD-Innenminister aus Bund und Ländern in der Hansestadt zusammen. Foto: Sina Schuldt/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
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SPD-Innenminister treffen sich in Bremen

Mit Informationen von dpa und epd

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