Mateusz Morawiecki am 28.11.23 im Parlament in Warschau.
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Mateusz Morawiecki am 28.11.23 im Parlament in Warschau.

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Morawiecki stellt Vertrauensfrage – Polen vor Regierungswechsel

Zwei Monate nach dem Sieg der Opposition bei der Parlamentswahl in Polen will Regierungschef Morawiecki am Nachmittag im Parlament die Vertrauensfrage stellen – und dürfte scheitern. Dann schlägt die Stunde des proeuropäischen Donald Tusk.

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Polens amtierender Ministerpräsident Mateusz Morawiecki will am Vormittag eine Regierungserklärung abgeben und am Nachmittag die Vertrauensfrage für sein neues Kabinett stellen. Da die nationalkonservative PiS keine Mehrheit im Parlament hat, dürfte Morawieckis Kabinett bei dieser Vertrauensabstimmung durchfallen. Das wiederum würde den Weg ebnen für einen Machtwechsel in Polen, den die PiS lange hinausgezögert hat.

Tusk dürfte Polens neuer Ministerpräsident werden

Bereits am Abend wird das Parlament dann voraussichtlich den ehemaligen EU-Ratspräsidenten Donald Tusk mit der Regierungsbildung beauftragen. Bei der Parlamentswahl am 15. Oktober hatten drei proeuropäische Parteien der bisherigen Opposition von Tusk eine klare Mehrheit von 248 der insgesamt 460 Sitze errungen. Ein Koalitionsvertrag wurde bereits vor Wochen unterschrieben, auch die Ressortverteilung ist geklärt. Die PiS erhielt zwar die meisten Stimmen, aber nur 194 Sitze und hat keinen Koalitionspartner.

Der bevorstehende Regierungswechsel in Warschau dürfte eine Wende in der polnischen Außenpolitik bringen. Die PiS lag wegen einer Justizreform im Dauerstreit mit Brüssel. Das Verhältnis zu Deutschland befand sich auch wegen Forderungen nach Weltkriegsreparationen in Höhe von 1,3 Billionen Euro auf einem Tiefpunkt. Die drei Oppositionsparteien stehen dagegen für einen proeuropäischen Kurs und eine versöhnlichere Politik gegenüber Deutschland. Der 66-jährige Tusk war schon von 2007 bis 2014 Polens Regierungschef.

Präsident Duda hat Machtwechsel hinausgezögert

Bislang hat Präsident Andrzej Duda, der aus den Reihen der PiS stammt, den Wechsel hinausgezögert. Den neuen Mehrheitsverhältnissen im Parlament zum Trotz hatte er Morawiecki mit der Regierungsbildung beauftragt und dessen Kabinett Ende November vereidigt. Die Verfassung sieht vor, dass der Regierungschef innerhalb von 14 Tagen nach der Vereidigung die Vertrauensfrage im Parlament stellen muss. Das wird Morawiecki jetzt mit Ablauf dieser Frist tun – ein praktisch chancenloses Unterfangen.

Erst wenn Morawiecki mit der Vertrauensabstimmung gescheitert ist, kommt das Parlament an die Reihe. Es kann nun im zweiten Schritt aus seiner Mehrheit heraus eine Regierung bestimmen. Tusk hat angekündigt, dass er am Dienstagmorgen eine Regierungserklärung abgeben und nachmittags seinerseits die Vertrauensfrage stellen will. Da das Dreierbündnis eine solide Mehrheit hat, wird Tusk die Abstimmung voraussichtlich bestehen. Danach ist wieder Präsident Andrzej Duda am Zuge. Er muss die Regierung Tusk vereidigen. Tusk zeigte sich startbereit und schrieb auf der Plattform X: "Ready, steady, go!"

Umstrittenes Verfassungsgericht erklärt EU-Zwangsgelder für verfassungswidrig

Unterdessen erklärte das umstrittene polnische Verfassungsgericht vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) gegen Polen verhängte Zwangsgelder für verfassungswidrig. Die vom EuGH angeordneten Zwangsgelder wegen der umstrittenen polnischen Justizreform und nicht eingehaltener Umweltauflagen beim Kohle-Abbau "stehen im Widerspruch zur polnischen Verfassung", urteilte das Gericht am Montag. Das polnische Verfassungsgericht steht unter dem Einfluss der nationalkonservativen Partei PiS.

Brüssel zufolge erfüllt das polnische Verfassungsgericht nicht mehr die Anforderungen an eine unabhängige Justiz. Grund dafür war unter anderem ein Urteil des Gerichts aus dem Oktober 2021, bei dem es den Vorrang von Europa-Recht gegenüber nationalem Recht infrage gestellt hatte.

Die EU liegt bereits seit 2017 mit Polen wegen seiner umstrittenen Justizreform im Streit. Der nationalkonservativen Regierungspartei PiS wird unter anderem vorgeworfen, am Verfassungsgericht regierungstreue Richter installiert zu haben. Die EU-Kommission hat verschiedene Vertragsverletzungsverfahren angestrengt, die teils in Klagen vor dem EuGH mündeten. Der Gerichtshof in Luxemburg verurteilte Polen zur Zahlung von Zwangsgeldern.

Mit Informationen von dpa und AFP

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