01.10.2023, Polen, Warschau: Tausende Menschen versammeln sich zu einem Marsch zur Unterstützung der Opposition gegen die populistische Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit. Zwei Wochen vor der polnischen Parlamentswahl am 15. Oktober will das liberalkonservative Oppositionsbündnis Bürgerkoalition (KO) um Donald Tusk seine Anhänger mobilisieren. In den Umfragen führt derzeit die seit 2015 regierende nationalkonservative PIS. Die KO liegt auf dem zweiten Platz. Sie hofft durch die Demonstration auf neuen Schwung. Foto: Czarek Sokolowski/AP/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
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"Marsch der Million Herzen" von Polens größtem Oppositionsbündnis

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Hunderttausende demonstrieren in Polen für Regierungswechsel

Zwei Wochen vor der Parlamentswahl in Polen ruft ein Oppositionsbündnis zum Marsch gegen die regierende PiS auf – Warschau erlebt daraufhin einen Massenprotest. In den Umfragen liegt die EU-kritische und erzkonservative Regierung derzeit vorn.

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Zwei Wochen vor der Parlamentswahl in Polen haben in Warschau rund eine Million Menschen gegen die rechtsnationalistische Regierung protestiert. Diese Teilnehmerzahl nannte die Stadtverwaltung. Der Fernsehsender TVP berichtete unter Berufung auf die Polizei von etwa 100.000 Teilnehmern; unabhängige Medienbeobachter gehen aber davon aus, dass der Sender als Sprachrohr der Regierung fungiert. Andere Medien sprachen von 600.000 bis 800.000 Menschen, die ihrem Unmut über die regierende nationalkonservative PiS-Partei Luft machten.

Opposition erhofft sich Wandel

Die Opposition hofft, mit der Protestaktion unter dem Motto "Marsch der Millionen Herzen" Wähler für sich zu mobilisieren. Wichtige Änderungen stünden bevor, sagte Oppositionsführer Donald Tusk von der Liberalen Bürgerplattform (PO). "Wenn ich in diese hunderttausenden, lächelnden Gesichter sehe, dann spüre ich, dass der Wendepunkt in der Geschichte unseres Heimatlandes naht." Es finde "ein großer Wandel statt", sagte der einstige Regierungschef und frühere EU-Ratspräsident. "Es ist wichtig, dass ganz Polen sieht, dass niemand mehr Angst vor ihnen hat", hatte er schon am Donnerstag mit Blick auf die PiS gesagt.

Zum Abschluss rief Tusk den Demonstranten zu: "Wir sind Polen!" Das Land habe Besseres verdient als die PiS. "Wir sind hier, um zu gewinnen." Die Demonstranten skandierten daraufhin: "Wir werden gewinnen!" Tusk wirft der PiS vor, Polen aus der EU nehmen zu wollen. Die Regierungspartei weist dies zurück.

"Das ist definitiv die größte Kundgebung in der Geschichte Warschaus", sagte die Sprecherin des Bürgermeisters, Monika Beuth, am Sonntagnachmittag. "Rund eine Million Menschen" seien dem Aufruf der Opposition gefolgt.

Polen am Scheideweg

In Polen wird am 15. Oktober ein neues Parlament gewählt. Die seit 2015 regierende Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) liegt Umfragen zufolge in Führung, könnte aber eine Mehrheit verfehlen.

Kritikern zufolge dürfte sich Polen, wenn die PiS eine dritte Amtszeit bekommt, weiter von Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit entfernen. Der Regierung von Ministerpräsident Mateusz Morawiecki wird nicht zuletzt von der EU vorgeworfen, die Unabhängigkeit der Justiz zu untergraben und die Medien auf Linie zu trimmen. Bei ihren Wählern genießt die PiS mit ihrem EU-kritischen, Einwanderungs-feindlichen Kurs, konservativen Werten und einer großzügigen Sozialpolitik große Popularität. Sie ist jedoch bei mehreren Themen unter Druck geraten. So löste sie etwa mit einem restriktiven Abtreibungsrecht Proteste aus.

"Ich will frei und in der EU sein", sagte etwa die 59-jährige Zahnärztin Hanna Chaciewicz. "Ich will etwas zu sagen haben. Ich will freie Gerichte." In Fragen der Rechtsstaatlichkeit ist Polen mit der EU über Kreuz. Deshalb wurden EU-Gelder eingefroren. "Wir haben genug von dem, was wir jetzt erleben", sagte der 65-jährige Kazimierz Figzal aus dem Südwesten Polens, der nach eigenen Angaben sieben Stunden Anfahrt zur Demo in Kauf genommen hatte. Die Freiheit der Menschen werde beschnitten, "wir wollen Demokratie, für unsere Kinder und Enkelkinder."

Zeitgleich zu der Großdemonstration in Warschau organisierte die PiS ihre eigene Kundgebung im südpolnischen Katowice (Kattowitz). "Wir müssen keine Papier-Herzen tragen, wir haben Herzen, die für Polen schlagen", sagte dort die frühere Regierungschefin Beata Szydlo über das Symbol der Opposition.

Mit Informationen von Reuters

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