19.12.2023, Georgien, Tiflis: Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD, l) und der georgische Innenminister Vakhtang Gomelauri untereichnen ein gemeinsames Migrationsabkommen. Foto: Boris Roessler/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
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Bundesinnenministerin besucht Georgien

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Mit Georgien: Deutschland schließt zweites Migrationsabkommen

Deutschland und Georgien haben eine engere Zusammenarbeit bei Migrationsfragen verabredet. Innenministerin Faeser unterzeichnete in Tiflis eine entsprechende Vereinbarung. Allerdings ist die Zahl georgischer Flüchtlinge vergleichsweise niedrig.

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Deutschland und der EU-Beitrittskandidat Georgien haben eine engere Zusammenarbeit in Migrationsfragen verabredet. Die Vereinbarung, die Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und ihr georgischer Amtskollege, Wachtang Gomelauri, in der Hauptstadt Tiflis unterzeichneten, sieht unter anderem Informationskampagnen "über geringe Erfolgsaussichten von Asylanträgen georgischer Staatsangehöriger in Deutschland" vor. Zudem sind Maßnahmen zur Reintegration zurückgekehrter Migranten geplant.

"Wir brauchen in vielen Branchen dringend Arbeitskräfte, das geht Georgien ähnlich", sagte Faeser nach der Unterzeichnung. "Der heutige Tag zeigt auch, dass der Abschluss von Migrationspartnerschaften Zeit braucht."

Knapp 9.000 Georgier haben Asylantrag gestellt

Georgien kooperiert nach Auskunft der mit Abschiebungen betrauten Bundesbehörden ohnehin schon relativ gut bei der Rücknahme seiner ausreisepflichtigen Staatsbürger. Aus Sicht des Innenministeriums war die vergangene Woche im Bundesrat beschlossene Einstufung der ehemaligen Sowjetrepublik als "sicheres Herkunftsland" ein wichtiger Schritt, weil Klagen gegen einen ablehnenden Asylbescheid dann keine aufschiebende Wirkung haben. Das heißt, die Betroffenen können zwar klagen, müssen Deutschland aber gegebenenfalls vor Ende des Gerichtsverfahrens verlassen.

Von Anfang Januar bis Ende November haben in Deutschland laut Bundesinnenministerium knapp 9.000 Georgier einen Asylantrag gestellt. Davon stellten gut 8.000 Migranten zum ersten Mal einen Asylantrag in der Bundesrepublik. In den vergangenen drei Jahren wurde georgischen Antragstellern in weniger als einem Prozent ein Schutzstatus gewährt.

Neue temporäre Kontrollen an Landesgrenzen

Eine Abwanderung von georgischen Arbeitskräften nach Deutschland im großen Stil wird von der Regierung in Tiflis ausdrücklich nicht gewünscht. Die nun unterzeichnete Vereinbarung beinhaltet lediglich vereinfachte Prozesse für Saisonarbeiter, deutsche Arbeitsangebote an im Ausland prekär beschäftigte Georgierinnen und Georgier sowie einen verstärkten Austausch von Studierenden, Auszubildenden und Forschern. Ein Teil der Asylbewerber aus Georgien hofft wohl auf eine bessere medizinische Behandlung in Deutschland. Dem tritt Georgiens Innenminister entgegen. Er sagt, in der Regel sei in seinem Land die gleiche Behandlung möglich wie in Deutschland oder Frankreich.

Insgesamt haben in den ersten elf Monaten dieses Jahres mehr als 304.000 Menschen und damit rund 60 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum erstmals in Deutschland einen Asylantrag gestellt. Da gleichzeitig rund eine Million Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine, die keinen Asylantrag stellen müssen, untergebracht werden müssen, bemüht Faeser sich, die Zahl der unerlaubten Einreisen zu reduzieren und dafür zu sorgen, dass mehr Ausreisepflichtige das Land verlassen. Zu den Maßnahmen, die diesem Ziel dienen, gehören neue temporäre Kontrollen an den Landgrenzen zu Tschechien, Polen und der Schweiz.

Kritik an Faeser vom Koalitionspartner FDP

Dass jeden Monat Hunderte Georgier offensichtlich unbegründete Asylanträge in Deutschland stellen, ist zwar eine zusätzliche Belastung. Die großen Herausforderungen liegen aber woanders. Das Abkommen zwischen der Europäischen Union und der Türkei, das Schleusungen von Geflüchteten zum Beispiel aus Syrien und Afghanistan aus der Türkei in die EU eine Zeit lang stark reduziert hatte, funktioniert nicht mehr und soll deshalb neu verhandelt werden. Dass viele Menschen aus Syrien, Afghanistan, dem Irak und zunehmend auch türkische Staatsbürger in Deutschland um Schutz bitten, hat verschiedene Gründe. Einer davon ist, dass bereits relativ viele ihrer Landsleute in der Bundesrepublik leben.

Der Besuch in Tiflis war für Faeser und den Sonderbevollmächtigten der Bundesregierung für Migrationsabkommen, Joachim Stamp (FDP), ein Schönwettertermin, nicht nur weil der Himmel beim Empfang durch die Ehrengarde wolkenlos ist. Georgische Asylantragsteller haben in der Regel Ausweispapiere. Bei Abschiebungen sind die georgischen Behörden bemüht, zu helfen – auch wenn es um Straftäter geht. Die Stippvisite der deutschen Innenministerin ist für die Regierung in Tiflis Anlass, den Fernsehturm der Stadt, eine rund 274 Meter hohe Stahlrohrkonstruktion, die weithin sichtbar auf einem Hügel thront, in schwarz-rot-goldenes Licht zu tauchen.

In Herkunftsstaaten überwiegt Sorge vor Abwanderung

Das Migrationsabkommen mit Georgien ist die zweite Vereinbarung dieser Art. Die erste umfassende bilaterale Vereinbarung zu Migrationsfragen hatte Deutschland im Dezember 2022 mit Indien geschlossen. Deren Effekt ist allerdings bisher überschaubar, vor allem was die Beschleunigung von Abschiebungen nach Indien betrifft.

Wer die beiden Abkommen anschaut, stellt fest, dass es in diesem Bereich keine Blaupause gibt. Denn in jedem Land gibt es andere Interessen und Befindlichkeiten. Während einige Entwicklungs- und Schwellenländer stark an Rücküberweisungen ihrer in Deutschland lebenden Staatsbürger interessiert sind, überwiegt in anderen Herkunftsstaaten von Migranten die Sorge vor einer Abwanderung dringend benötigter Fachkräfte in die EU. Während manche Staaten in Nordafrika die Rücknahme von straffällig gewordenen Bürgern eher verschleppen, gibt es andere, wie Georgien, die hier gut kooperieren.

Verhandlungen über EU-Asylreform

Derweil starteten am Montag die Verhandlungen auf EU-Ebene zu einer Reform des gemeinsamen Asylsystems in eine weitere, möglicherweise entscheidende Runde. Ob am Ende ein Kompromiss steht, ist offen. Es ist voraussichtlich die letzte Verhandlungsrunde in diesem Jahr. Innenministerin Faeser hatte sich zuletzt zuversichtlich gezeigt, dass eine finale politische Einigung gelingen werde.

Mit der geplanten Asylreform soll unter anderem die irreguläre Migration begrenzt werden. So soll bei einem besonders starken Anstieg der Migration der Zeitraum verlängert werden können, in dem Menschen unter haftähnlichen Bedingungen festgehalten werden können.

Mit Informationen von dpa

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