Es war eine verheißungsvolle Botschaft: Von der "großen Chance, diesen Krieg und Bürgerkrieg dauerhaft zu beenden", sprach der deutsche Außenminister mit Blick auf Afghanistan. Mehr als 19 Jahre ist das nun her. Der Außenminister damals hieß: Joschka Fischer. Der in einer historischen Sondersitzung des Bundestags am 22. Dezember 2001 für die Beteiligung deutscher Soldaten am Einsatz der Afghanistan-Schutztruppe ISAF warb.
Kein Kriegsende in Sicht
Von einem "dauerhaften Ende des Krieges" am Hindukusch kann aber auch fast 20 Jahre später kaum die Rede sein. Heute heißt der deutsche Außenminister Heiko Maas. Der mit diesen Worten für eine erneute Verlängerung des Mandats wirbt: "Wenn wir unsere Soldatinnen und Soldaten überstürzt abziehen, dann droht die Gefahr, dass die Taliban eine Lösung auf dem Schlachtfeld suchen, statt weiter zu verhandeln".
Die Friedensverhandlungen der afghanischen Regierung mit den Taliban sind das Hauptargument der Bundesregierung für eine erneute Verlängerung des Mandats: Nimmt man durch einen Abzug jetzt jeglichen Druck von den Extremisten, riskiert man das Scheitern der Gespräche. Das Land könnte wieder endgültig in Chaos und Bürgerkrieg versinken, so die Warnung.
Zugespitzt könnte man sagen: "Bleiben oder Bürgerkrieg"
"Es ist richtig, das Afghanistan-Mandat zu verlängern, weil es noch viele Fragen zu klären gilt", findet auch die Wehrbeauftragte, Eva Högl, im Interview mit dem ARD-Hauptstadtstudio. Eine dieser offenen Fragen lautet: Wie lange wollen die USA ihre Truppen in Afghanistan belassen? Denn damit steht und fällt auch der Bundeswehr-Einsatz.
"Die Bundesregierung ist da in einer abwartenden Position, ist im Prinzip nur auf dem Beifahrersitz unterwegs", so drückt es der Grünen-Politiker Tobias Lindner aus. Jedenfalls soll mit der Mandatsverlängerung um zehn Monate dieser und auch einer neuen Bundesregierung nach der Bundestagswahl im September genügend Beinfreiheit verschafft werden, spontan reagieren zu können.
Sorge wegen Drohung der Taliban
Doch eine große Sorge lässt sich so kaum verdrängen: Die Taliban hatten für den Fall, dass die USA, die NATO, die Bundeswehr nicht bis 30. April das Land verlassen haben, mit einem "großen Krieg" gedroht. Die Islamisten berufen sich auf ein mit der Trump-Regierung geschlossenes Abkommen. Doch im Westen gibt es Zweifel, ob die Bedingungen dafür erfüllt sind. "Mehr als leere Worte" seien die Drohungen der Extremisten, warnt Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer, die mit Blick auf die Bundeswehr im nordafghanischen Mazar-i-Sharif sagt: "Es gibt keine hundertprozentige Sicherheit. Es ist eine gefährliche Situation und sie wird noch gefährlicher werden."
Verstärkung für Ernstfall vorhanden
Verstärkung steht bereit: Eine Infanterie-Kompanie – mehr als 150 Soldatinnen und Soldaten stark und ergänzt um einen Mörserzug – kann jederzeit nach Nordafghanistan beordert werden. Auch der NATO-Partner Niederlande hatte sich bereit erklärt, im Ernstfall weitere Truppen zu schicken für die derzeit etwas mehr als 1.100 Bundeswehr-Soldaten am Hindukusch.
"Jetzt ist Afghanistan nie das Land gewesen, wo man über die Wiese gehüpft ist, um Blumen zu pflücken", bemerkt die FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann gegenüber dem ARD-Hauptstadtstudio. Die sich angesichts der Bedrohungslage doch Sorgen um den Auftrag der Bundeswehr macht: "Wir können natürlich nicht wie eine Schildkröte im Lager sitzen und hoffen, es geht an einem vorbei. Wir haben den Auftrag, zu beraten und auszubilden, das kann man nicht am Telefon machen."
Breite Mehrheit im Bundestag für Verbleib der Truppe
Trotz aller Bedenken: Im Bundestag gibt es eine breite Mehrheit für einen Verbleib der Bundeswehr am Hindukusch. Den sofortigen Abzug fordern die AfD und die Linkspartei. "Der Afghanistankrieg ist für die NATO verloren", sagt die Linken-Abgeordnete Heike Hänsel. Und verweist darauf, dass mehr als die Hälfte des Landes von den Taliban kontrolliert werde. Die Bundesregierung argumentiert umgekehrt: Damit nicht das ganze Land wieder an die Taliban falle, müsse man jetzt noch durchhalten. Sonst stehe alles auf dem Spiel, was man in nunmehr fast 20 Jahren erreicht habe.
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