Rettung von Flüchtlingen im Mittelmeer 2017.
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Regierung will Verlegung von Asylverfahren nach Afrika prüfen

Können aus dem Mittelmeer gerettete Flüchtlinge für ihr Asylverfahren nach Nordafrika gebracht werden? Das will die Ampel-Regierung laut ihres Sonderbevollmächtigten für Migrationsabkommen prüfen. Das Thema sorgt seit Jahren für Kontroversen.

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Der neue Sonderbevollmächtigte der Bundesregierung für Migrationsabkommen, Joachim Stamp (FDP), hat eine Neuausrichtung der deutschen Asylpolitik angekündigt. Die Ampel-Regierung wolle die Verlegung von Asylverfahren nach Afrika prüfen. "Dann würden auf dem Mittelmeer gerettete Menschen für ihre Verfahren nach Nordafrika gebracht werden", sagte der frühere nordrhein-westfälische Integrationsminister der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". "Das erfordert aber sehr viel Diplomatie und einen langen Vorlauf." Es sei klar, dass etwa ein Land wie Libyen in seinem derzeitigen Zustand dafür kein Partner sein könne.

Über Asylverfahren in Afrika wird seit Jahren diskutiert

Über Asylverfahren in Afrika wird seit Jahren kontrovers in der EU diskutiert. Der frühere CDU-Innenminister Thomas de Maizière hatte schon 2016 vorgeschlagen, im Mittelmeer gerettete Flüchtlinge künftig in Aufnahmelager in Nordafrika zu bringen und dort ihr Anrecht auf Asyl zu prüfen. Sein Nachfolger Horst Seehofer von der CSU unterstützte "Ausschiffungsplattformen" in nordafrikanischen Ländern, um dort Asylverfahren abzuwickeln.

Realisiert wurden solche Pläne wegen hoher juristischer Hürden und mangelnder Bereitschaft afrikanischer Staaten bisher nie. SPD, FDP und Grüne haben in ihrem Koalitionsvertrag von 2021 aber angekündigt, sie wollten prüfen, "ob die Feststellung des Schutzstatus in Ausnahmefällen" unter Achtung der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention "in Drittstaaten möglich ist".

Umstrittenes Abkommen Großbritanniens mit Ruanda

"Wir müssen uns die Entwicklungen in potentiellen Partnerländern genau anschauen", sagte der FDP-Politiker Stamp, der seit dem 1. Februar für die Bundesregierung Migrationsabkommen mit Herkunftsländern von Flüchtlingen aushandeln soll. "Es geht nicht um einen Schnellschuss, wie ihn der frühere britische Premier Boris Johnson mit Ruanda gemacht hat." Internationale Standards müssten auch in Afrika gewahrt bleiben. "Aber auf dieser Grundlage wollen wir tatsächlich darüber nachdenken."

Großbritannien hatte unter dem früheren Premierminister Boris Johnson ein umstrittenes Abkommen mit dem zentralafrikanischen Ruanda geschlossen, um irregulär eingereiste Flüchtlinge ohne Prüfung des Asylanspruchs in das Land auszufliegen. Dies soll Menschen abschrecken, die Überfahrt über den Ärmelkanal nach Großbritannien zu unternehmen. Der britische Flüchtlingsrat kritisierte die Entscheidung scharf: "Die Strategie, schutzsuchende Menschen wie menschliche Fracht zu behandeln und sie in ein anderes Land zu verladen, ist grausam und wird großes Leid verursachen", erklärte der Leiter der Organisation, Enver Solomon. Wegen laufender Klagen gegen die Regelung wurde sie bisher nicht umgesetzt.

Stamp: "Stacheldraht und Zäune allein reichen nicht aus"

Stamp kündigte für Deutschland an, er wolle durch "Migrationsabkommen" mit Drittstaaten die irreguläre Einwanderung unter Kontrolle bringen: "Stacheldraht und Zäune allein reichen nicht aus, um irreguläre Migration zu stoppen", betonte der Politiker. Entsprechende Abkommen könnten sicherstellen, "dass Menschen sich gar nicht erst in die Wüste begeben, nicht in seeuntaugliche Boote im Mittelmeer steigen und nicht über Stacheldrahtzäune klettern, nur um dann hier in einem Asylsystem zu landen, in das sie nicht gehören, da sie in ihren Ländern nicht verfolgt werden."

Ohne die Bereitschaft der Herkunftsländer, ihre ausreisepflichtigen Bürger wieder zurückzunehmen, werde das aber nicht funktionieren, sagte der FDP-Politiker. Deutschland solle daher den wichtigsten Herkunftsländern eine bestimmte Anzahl von regulären Visa bieten, sofern diese ihre Verpflichtung einhalten, Straftäter, Gefährder und abgelehnte Asylbewerber umstandslos wieder zurückzunehmen. Außerdem müsse die Kooperation der Behörden untereinander verbessert werden, um schneller abschieben zu können. Zwar sprächen die Leitungen der beteiligten Stellen miteinander, "aber nicht diejenigen, die in der Praxis die Abschiebungen durchführen. Die möchte ich zusammenbringen."

Ausnahme für Fachkräfte und gut integrierte Menschen

Eine begrenzte Zahl von Menschen solle sich regulär für den deutschen Arbeitsmarkt bewerben können, fügte Stamp hinzu. "Gerade in Südamerika gibt es zahlreiche junge Leute, darunter viele Frauen, die gerne bei uns in Mangelberufen wie der Pflege arbeiten würden."

Gut integrierten Menschen will Stamp eine dauerhafte Bleibemöglichkeit bieten. Es gehe um Personen, "die zwar irregulär eingereist sind, die sich hier aber seit Jahren an alle Regeln halten. Menschen, die in den Arbeitsmarkt integriert sind und die Sprache lernen, deren Kinder in die Schule gehen, die ein selbstverständlicher Teil unserer Gesellschaft geworden sind", sagte er der Zeitung.

Bei der Anerkennung von schulischen und beruflichen Abschlüssen sprach sich Stamp für mehr Flexibilität aus. "Hier müssen wir die Digitalisierung stärker nutzen, auch müssen die zuständigen Stellen personell aufgestockt werden."

Mit Informationen von AFP, KNA, DPA und EPD

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