Manfred Nowak
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Menschenrechtsexperte: Vorsichtig mit Begriff Völkermord umgehen

Der ehemalige UN-Sondergesandte für Folter, Manfred Nowak, setzt bei der Aufklärung der Gräueltaten von Butscha auf den Internationalen Strafgerichtshofs. Außerdem verlangt er, vorsichtiger mit dem Begriff Völkermord umzugehen.

Über dieses Thema berichtet: radioWelt am .

Butscha, ein Vorort von Kiew, ist zum Sinnbild der Kriegsgewalt geworden. Dort sollen russische Soldaten vor ihrem Abzug Hunderte Zivilisten umgebracht haben. Der ukrainische Präsident Selenskyj sprach bei einem Besuch vor Ort von "Völkermord".

Angesichts der Gräueltaten im ukrainischen Butscha mahnt der ehemalige UN-Sonderberichterstatter für Folter, Manfred Nowak, nicht leichtfertig mit dem Begriff Völkermord umzugehen. "Die Anforderungen an Völkermord sind sehr, sehr hoch", betonte er. "Man muss mit dem Begriff Völkermord sehr, sehr vorsichtig umgehen."

Der österreichische Menschenrechtsanwalt verwies im Interview mit der radioWelt auf Bayern 2 auf die juristische Definition: "Natürlich kann man hier sagen, das sind Ukrainer, aber ob das schon so weit geht zu sagen, dass diese Hinrichtungen von zirka 300 oder auch etwas mehr Menschen in Butscha, dass das wirklich ein Völkermord ist, da würde ich sehr, sehr vorsichtig sein."

Untersuchung des Internationalen Strafgerichtshofs nötig

Der ehemalige UN-Sondergesandte für Folter setzt bei der Aufklärung der Gräueltaten von Butscha und in anderen ukrainischen Städten auf die Arbeit des Internationalen Strafgerichtshofs: "Das Beste wäre natürlich, wenn der Internationale Strafgerichtshof direkt diese Menschenrechtsverletzungen, Kriegsverbrechen, untersuchen würde. Weil der Internationale Strafgerichtshof durch die Ukraine ja einseitig für zuständig erklärt wurde und das gilt für alle Verbrechen, die auf dem Gebiet begangen wurden - gleichgültig von wem." In diesem Zusammenhang komme es nicht darauf an, ob Russland auch die Jurisdiktion des Internationalen Strafgerichtshofs anerkenne, so Nowak.

Über die aktuelle Lage in Butscha sagte er: "Meines Wissens sind schon Leute des Internationalen Strafgerichtshofs vor Ort oder müssten in der nächsten Zeit dort hinkommen - vor allem forensische Experten. Weil nur diese können genau feststellen, wie ist jemand zu Tode gekommen", so Nowak.

Der Österreicher Manfred Nowak ist Jurist und Menschenrechtsanwalt. Zwischen 2004 und 2010 war er als UN-Sonderberichterstatter für Folter weltweit unterwegs und dokumentierte die Verhältnisse in Polizeigefängnissen, Folterkellern und Verhörräumen.

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