Mehrwertsteuer-Ausweis auf einem Kassenzettel
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Mehrwertsteuer: Gastronomen fordern niedrigen Satz beizubehalten

Inflation und wenig Konsumlaune: Neueste Zahlen belegen, dass Hotels und Restaurants weniger Umsatz machen. Die Branche fordert daher, dass der ermäßigte Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent bleibt – doch für die Politik geht es dabei um viel Geld.

Die Zahlen, die das Statistische Bundesamt heute für das deutsche Gastgewerbe veröffentlichte, lassen aus Sicht des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes DEHOGA an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig.

Inflation setzt Gastronomiebetriebe unter Druck

Von Januar bis Juni stiegen die Branchenumsätze gegenüber dem Vor-Corona-Jahr 2019 zwar nominal um 9,6 Prozent, um die Inflation bereinigt ergaben sich jedoch Umsatzverluste von 10,4 Prozent. "Die Differenz zwischen den nominalen und realen Ergebnissen spiegelt das langfristig deutlich gestiegene Preisniveau im Gastgewerbe wider, zu dem unter anderem die steigenden Preise für Lebensmittel, Personal und Energie beigetragen haben dürften", bemerkten die Statistiker.

Im Vergleich zu 2022 sehe die Bilanz der Branche immerhin etwas besser aus, hieß es aus Wiesbaden. Von Januar bis Juni hatten die Betriebe binnen Jahresfrist 15,8 Prozent mehr in der Kasse. Bereinigt um die steigenden Preise gab es immerhin noch ein Umsatzplus von 5,8 Prozent. Der Juni für sich betrachtet lag mit einem realen Umsatzverlust von 10,7 Prozent allerdings nicht nur unter dem Juni 2019, sondern mit real minus 5,4 Prozent auch unter dem Juni 2022.

Viertes Verlustjahr in Folge für die Gastronomie

"Die Lage bleibt extrem herausfordernd", sagte DEHOGA-Präsident Guido Zöllick angesichts der Daten. Die Gastronomie-Branche steuere auf das vierte Verlustjahr in Folge zu. Die Pläne der Ampel-Koalition, den wegen der Corona-Krise auf sieben Prozent abgesenkten Mehrwertsteuersatz zum Jahreswechsel wieder auf 19 Prozent anzuheben, lehnt er entschieden ab.

"Eine Mehrwertsteuererhöhung auf Speisen zum Jahreswechsel hätte fatale Folgen", warnte Zöllick in einer Mitteilung seines Verbandes. Seit Jahrzehnten fordere der DEHOGA, dass Nahrungsmittel einheitlich mit dem reduzierten Satz besteuert werden. "Wir wollen, dass Gleiches gleich behandelt wird. Supermärkte und Discounter treten mit ihrem umfangreichen Angebot verzehrfertiger Speisen längst in Konkurrenz zur klassischen Gastronomie. Warum sollten wir wieder steuerlich benachteiligt werden?"

Forderung: Dauerhaft sieben Prozent Mehrwertsteuer

Es sei "widersprüchlich und wettbewerbsverzerrend, frisch zubereitetes Essen in unseren Restaurants ab dem 1. Januar 2024 wieder mit 19 Prozent zu besteuern, während auf Essen zum Mitnehmen, im Supermarkt oder bei der Essenslieferung sieben Prozent erhoben werden", so Zöllig.

Für die Zukunftssicherung der Restaurants und Wirtshäuser sei es "von zentraler Bedeutung, dass für Essen, egal wo und wie zubereitet und verzehrt, dauerhaft sieben Prozent Mehrwertsteuer gelten". In Deutschland müssten Gastronomie sowie in besonderem Maße auch Kita- und Schulverpflegung "für alle bezahlbar bleiben". Alles andere widerspreche "den Zielen der Ernährungsstrategie der Bundesregierung".

Gefahr für das "öffentliche Wohnzimmer der Gesellschaft"

In 20 EU-Staaten gelte der reduzierte Steuersatz und damit die steuerliche Gleichbehandlung seit vielen Jahren oder sogar Jahrzehnten, argumentiert der DEHOGA. Es sei "überfällig", dass die Politik in Deutschland die Gastronomie so wertschätze wie dies in den anderen EU-Staaten geschehe. "Restaurants und Cafés sind die öffentlichen Wohnzimmer der Gesellschaft. Sie sind wichtige soziale Treffpunkte. Ohne sie würden viele regionale Wertschöpfungsketten nicht mehr funktionieren", so Verbandschef Zöllig.

In den Pandemiejahren habe das Gastgewerbe laut Umsatzsteuerstatistik bereits 36.000 Unternehmen verloren, so der DEHOGA, laut einer Umfrage vom Juli 2023 würden weitere 12.000 von insgesamt 186.000 Betrieben schließen, wenn der volle Mehrwertsteuersatz wieder eingeführt wird. Eine Steuererhöhung zum 1. Januar 2024 würde zu weniger Gästen und geringeren Umsätzen führen, fürchtet der Verband. Zudem sei der Kostendruck für die Betriebe gewaltig, bei einer gleichzeitig inflationsbedingten Konsumzurückhaltung der Gäste.

  • Zum Artikel: Bayerische Gastwirte warnen vor höherer Mehrwertsteuer

Absenkung ging schon mehrmals in die Verlängerung

Die Bundesregierung hatte durch das Corona-Steuerhilfegesetz vom 19.6.2020 den Mehrwertsteuersatz für Restaurant- und Verpflegungsdienstleistungen – unter Ausnahme der Abgabe von Getränken – ab 1.7.2020 bis zum 30.6.2021 von 19 Prozent auf sieben Prozent abgesenkt. Im Februar 2021 beschloss der Koalitionsausschuss, die Absenkung der Mehrwertsteuer für Speisen bis Ende 2022 beizubehalten, eine Regelung, die dann nochmals bis Ende 2023 verlängert wurde – diesmal wegen der steigenden Energiekosten infolge es Ukraine-Krieges.

Staatskasse verliert über drei Milliarden

Bei einer erneuten Verlängerung ginge es auch für die Staatskasse um viel Geld – und das in Zeiten mit weniger Einnahmen: Pro Jahr fehlen dem Fiskus durch die Steuerermäßigung rund 3,4 Milliarden Euro. Das Bundesfinanzministerium erklärte, man wolle deshalb die nächste Steuerschätzung abwarten. "Im Zuge der parlamentarischen Beratungen zum Bundeshaushalt 2024 wird die Frage einer möglichen Fortsetzung der Reduzierung im Lichte der November-Steuerschätzung zu bewerten sein", erklärte ein Sprecher der "Rheinischen Post".

Die Ampel ist sich nicht einig

Ob der ermäßigte Steuersatz auf Speisen nun nochmals in die Verlängerung gehen könnte, darüber gehen in der Ampel-Koalition die Meinungen auseinander. Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katharina Dröge verteidigte die Rückkehr zum Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent in der vergangenen Woche. "Wir belasten die Branche nicht zusätzlich, sondern heben die Erleichterung wie angekündigt auf", sagte Dröge der "Stuttgarter Zeitung". Es sei immer klar gewesen, "dass es sich um eine zeitlich befristete Maßnahme handelt".

Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken hingegen trat zuletzt dafür ein, den ermäßigten Mehrwertsteuersatz in der Gastronomie fortzuführen. Diese Maßnahme sei aus guten Gründen eingeführt worden – nämlich weil die Branche in einer schwierigen Lage gewesen sei, sagte Esken am vergangenen Sonntag im ARD-Sommerinterview: "Das ist sie auch heute noch." Man müsse schauen, ob im Rahmen des Haushaltes eine Fortführung möglich wäre. "Ich wäre dafür", sagte Esken.

Droht der Schock beim Schnitzel?

Ob beim Restaurant-Besuch ab Januar 2024 ein Preisschock droht, ist also noch unklar. Wenn die Gastronomen – wie bereits wiederholt angekündigt – eine Steuererhöhung eins zu eins an ihre Kunden weitergeben, könnte sich das im konkreten Fall mehr oder weniger schmerzlich auswirken.

Bei einer Currywurst mit Pommes für 8 Euro entfallen derzeit 0,52 Euro auf die Mehrwertsteuer, nach der Erhöhung würde der Preis auf 8,90 Euro steigen – davon 1,42 Euro für die 19-prozentige Mehrwertsteuer. Bei einem Schnitzel im Edel-Restaurant für 32 Euro sind derzeit 2,09 Euro für die Mehrwertsteuer fällig. Nach der Erhöhung wären dann 35,50 Euro zu zahlen, davon 5,68 Euro Mehrwertsteuer.

Im Audio: Wie geht es weiter mit der Gastro-Branche?

Viele Verbraucher haben Restaurant-Besuche reduziert. Was würde da eine Anhebung der Mehrwertsteuer bedeuten? Ein Expertengespräch.
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Viele Verbraucher haben Restaurant-Besuche reduziert. Was würde da eine Anhebung der Mehrwertsteuer bedeuten? Ein Expertengespräch.

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