Vom Erdbeben zerstörte Gebäude in Marokko
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Marokko: Zahl der Toten nach Erdbeben steigt auf über 2.900

Nach dem Erdbeben in Marokko ist die Totenzahl auf über 2.900 gestiegen. Während die Hoffnung sinkt, noch Überlebende zu finden, haben Retter Probleme, die Opfer der Katastrophe zu erreichen - die Regierung will bisher keine weitere Hilfe annehmen.

Über dieses Thema berichtet: BAYERN 3-Nachrichten am .

Nach jüngsten offiziellen Angaben wurden nach dem Beben in Marokko bisher mindestens 2.901 Menschen tot aus den Trümmern geborgen. 5.530 Verletzte wurden den Angaben vom Dienstagmittag zufolge bisher gezählt. Nach Informationen des Kinderhilfswerks der Vereinten Nationen (Unicef) sind etwa 100.000 Kinder von der Katastrophe betroffen. Da ein Großteil des Erdbebengebietes in schwer zugänglichen Regionen liegt, machten die Behörden weiter keine genauen Angaben zur Zahl der Vermissten.

Das Erdbeben hatte Marokko in der Nacht zum Samstag erschüttert. Die US-Erdbebenwarte USGS gab die Stärke mit 6,8 an, marokkanische Experten mit 7,0. Das Epizentrum lag rund 70 Kilometer südwestlich von Marrakesch in der Provinz Al-Haouz. Dörfer in den umliegenden Bergen wurden dem Erdboden gleichgemacht.

Helfer arbeiten bis zur Erschöpfung

Am vierten Tag nach der verheerenden Katastrophe schwindet die Hoffnung, noch Überlebende in den Trümmern zu finden, immer mehr. In den oft schwer zugänglichen Erdbebengebieten arbeiten die Einsatzkräfte bei der Suche nach Überlebenden dennoch weiter am Rande der Erschöpfung. Teils mit bloßen Händen müssen sie sich bei großer Hitze durch Schutt und Trümmerhaufen vorkämpfen.

Unterstützt werden sie von Rettungsteams aus Spanien, Großbritannien, Katar und den Vereinigten Arabischen Emiraten, Hilfe aus anderen Ländern nahm Marokkos Regierung bisher nicht an.

Die Zerstörung in den Bergdörfern ist "absolut"

Besonders schwierig sind die Bergungsarbeiten in den von dem Beben stark betroffenen, entlegenen Berg-Regionen Marokkos. Dutzende Orte seien völlig zerstört, meldeten Medien. In viele Bergdörfer hätten bisher überhaupt noch keine Rettungsteams vordringen können, da Straßen und Wege durch Erdrutsche blockiert seien. Am Montag warfen Militärhubschrauber deshalb Hilfspakete über schwer zugänglichen Gebieten ab.

Dort, wo Rettungsarbeiten laufen, müssten auch die geborgenen Verletzten oft mit Hubschraubern ausgeflogen werden, sagte die Leiterin eines spanischen Rettungsteams. Aufnahmen des Rettungssanitäters Antonio Nogales von der spanischen Hilfsorganisation "Feuerwehr ohne Grenzen" aus dem abgelegenen Dorf Imi N'Tala zeigen, wie Männer und Hunde steile, mit Trümmern bedeckte Hänge erklimmen. "Das Ausmaß der Zerstörung ist ... absolut", sagt Nogales und ringt um das richtige Wort für das, was er sieht: "Nicht ein Haus steht noch."

Wasser, Lebensmittel und Notunterkünfte fehlen

Die Bergung der Toten und Verletzten ist zudem oft nicht das einzige Problem, vor dem die Helfer stehen. Nach Angaben der marokkanischen Nachrichtenseite "Hespress" gibt es in den Orten oft auch kein Wasser und keine Lebensmittel mehr, eine weitere dringliche Aufgabe ist die Bereitstellung von Notunterkünften für Familien, die durch das Beben ihre Häuser verloren haben.

Der Einsatzleiter eines britischen Hilfstrupps warnte angesichts der Situation im Sender BBC auch vor einem steigenden Risiko durch Krankheiten und der Ausbreitung von Seuchen, wenn sich die Hilfe in den Gebirgsregionen Marokkos weiter verzögere.

Ganzes Ausmaß kaum absehbar

Auch unabhängig von der Seuchengefahr ist angesichts der schwierigen Rettungsarbeiten zu befürchten, dass die Zahl der Toten noch deutlich steigt. Die Behörden hätten mittlerweile Feldlazarette in der Nähe des Epizentrums eingerichtet, um dort Verletzte zu versorgen, sagte Justizminister Abdel Latif Wehbe dem arabischen Fernsehsender Al-Arabiya, die genaue Anzahl der Toten und die Schwere der Schäden könne man aber noch nicht klären.

Unicef: Etwa 100.000 Kinder vom Erdbeben betroffen

Das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen "Unicef" wies darauf hin, dass von dem Beben etwa 100.000 Kinder betroffen seien. Man kenne zwar noch nicht die genaue Zahl der getöteten und verletzten Kinder, erklärte die Organisation in einer Mitteilung. Kinder machten aber nach jüngsten Schätzungen 2022 fast ein Drittel der Bevölkerung des Landes aus. Tausende von Häusern seien zerstört worden. Dadurch seien auch Familien obdachlos geworden und müssten die derzeit kalten Nächte im Freien verbringen.

Die Hilfsorganisation "Care" mahnte, die Bevölkerung brauche neben humanitärer Hilfe nun auch vor allem psychologische Unterstützung. "Neben den enormen physischen Verwüstungen wiegt vor allem auch der emotionale Schaden, der von dem erlebten Grauen und der ausgestandenen Angst verursacht wurde, sehr schwer", erklärte Halima Razkaoui, Generalsekretärin von Care Marokko, in einem Bericht.

Druck auf die Regierung wächst

Die marokkanische Regierung steht angesichts dieser verzweifelten Situation unter wachsendem Druck, mehr internationale Hilfe anzunehmen. Auch Deutschland bot dem nordafrikanischen Land erneut Unterstützung an. Bislang ging die Regierung in Rabat darauf zwar nicht ein, Marokko habe sich aber für das Angebot bedankt, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes.

Somit bleibt es vorläufig dabei, dass nur Rettungsteams aus Spanien, Großbritannien, Katar und den Vereinigten Arabischen Emiraten einreisen dürfen. Marokkanische Beamte rechtfertigten dies damit, dass es ihrer Einschätzung nach zu chaotisch wäre, wenn plötzlich Teams aus der ganzen Welt eintreffen würden.

Den Forderungen nach mehr Hilfe versucht die Regierung zwischenzeitlich mit Versprechungen die Spitze zu nehmen: Nach einem Krisentreffen am Montag stellte der marokkanische Regierungschef Aziz Akhannouch den Menschen in den Erdbebengebieten Entschädigungen in Aussicht. Ein "klares Angebot" werde "in Kürze bekannt gegeben", sagte er. Seinen Angaben zufolge wird derzeit nach Lösungen gesucht.

Mit Informationen von dpa, Reuters und AFP

Hilfe ist oft nur per Hubschrauber möglich, hier in Talat N'Yaaqoub
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Hilfe ist oft nur per Hubschrauber möglich, hier in Talat N'Yaaqoub

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