Das Ende von Benjamin Netanjahu als Israels Regierungschef ist besiegelt. Das Parlament des Landes, die Knesset, sprach einer neuen Regierung ohne den langjährigen Ministerpräsidenten am Sonntag das Vertrauen aus. Seine Nachfolge tritt Naftali Bennett an.
Die Entscheidung war denkbar knapp: 60 von 120 Knesset-Mitgliedern votierten nach stürmischen Debatten für das Acht-Parteien-Bündnis unter Führung Bennetts von der ultrarechten Jamina und Jair Lapid von der Zukunftspartei. 59 stimmten dagegen, es gab eine Enthaltung.
Erst Bennett, dann Lapid
Im Zuge einer Rotationsvereinbarung soll erst Bennett Ministerpräsident werden und nach zwei Jahren von Lapid abgelöst werden. Der neuen Regierung sollen 27 Minister angehören. Mickey Levy von der Zukunftspartei wurde zum Parlamentspräsidenten gewählt.
Erstmals seit zwölf Jahren wurde nun in Israel eine Regierung ohne Netanjahu gebildet. Seine Likud-Partei ist größte Fraktion im Parlament, bleibt aber außen vor. Das neue Regierungsbündnis besteht aus Vertretern des gesamten politischen Spektrums. Es finden sich darin Rechte, Linke, die politische Mitte und erstmals auch eine Gruppierung der arabischen Minderheit wieder. Die ideologischen Unterschiede sind enorm - die Koalition eint vor allem der Wunsch, ohne Netanjahu zu regieren.
Vor der Knesset versicherte Bennett, er wolle "ganz Israel" repräsentieren. Ehemalige Unterstützer werfen dem 49-jährigen früheren Verteidigungsminister vor, seine Wähler verraten zu haben, indem er ein Bündnis mit den linken und der arabisch-israelischen Partei einging. Bennetts Rede in der Knesset wurde von mehreren Buh-Rufen unterbrochen.
Dünne Mehrheit für neue Regierungskoalition
Die Mehrheit der Koalitionäre ist hauchdünn: Sie haben nur 61 der insgesamt 120 Knesset-Sitze. Auf sie kommen außen- wie innenpolitisch große Aufgaben zu: der Konflikt mit dem Iran, der fragile Waffenstillstand mit militanten Palästinensern im Gazastreifen sowie die wirtschaftliche Erholung von der Corona-Krise.
Aus der Parlamentswahl am 23. März war Netanjahus nationalkonservativer Likud zwar als stärkste Kraft vor Jesch Atid hervorgegangen, eine Mehrheit wurde aber verfehlt. Netanjahu gelang es nicht, innerhalb der vorgeschriebenen Frist eine Regierung zu bilden. Es war bereits die vierte Wahl binnen zwei Jahren gewesen.
Netanjahu denkt nicht ans Aufhören
Netanjahu hatte bereits vor der Abstimmung im Parlament deutlich gemacht, dass er nicht ans Aufhören denkt. Er werde als "starke und klare Stimme" der Opposition auftreten, sollte die Vertrauensabstimmung zugunsten des Achter-Bündnisses ausfallen, kündigte er bei der Knesset-Sondersitzung am Sonntag an.
Netanjahu steht allerdings wegen Korruptionsverdachts unter Druck und musste Anfang April deswegen vor Gericht erscheinen. Er weist die Vorwürfe zurück.
Feiern in Tel Aviv und Jerusalem
In der israelischen Metropole Tel Aviv feierten am Sonntagabend tausende Menschen Netanjahus Ablösung. Sie versammelten sich auf dem Rabin-Platz im Stadtzentrum. Auch vor dem Parlament in Jerusalem gab es Freudenfeiern. Netanjahus Gegner hatten seit einem Jahr immer wieder gegen den Regierungschef demonstriert.
Gratulationen aus den USA und Deutschland
Israels wichtigster Verbündeter USA reagierte sofort auf den Regierungswechsel. "Ich gratuliere Regierungschef Naftali Bennett, dem nächsten Regierungschef und Außenminister Jair Lapid und allen Mitgliedern des neuen israelischen Kabinetts", erklärte Präsident Joe Biden.
Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel gratulierte. Deutschland und Israel verbinde "eine einzigartige Freundschaft, die wir weiter vertiefen wollen", schrieb Merkel nach Angaben ihrer Sprecherin in einem Glückwunschschreiben an Bennett. "Ich freue mich daher auf die enge Zusammenarbeit mit Ihnen", hieß es weiter.
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