(Symbolbild) FDP-Chef Christian Lindner, im Vordergrund in Unschärfe zwei weitere Männer.
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(Symbolbild) Wohin steuert die FDP? Die Partei steckt seit Monaten im Umfragetief.

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Liberale im Umfragetief: Wohin steuert die FDP?

Die FDP-Parteispitze buhlt in der Öffentlichkeit um Aufmerksamkeit und düpiert die Regierungspartner. Das Ziel: die Anhänger mobilisieren – aus Angst vor dem politischen Aus. Experten haben Zweifel, dass die Strategie aufgeht. Was hat die Partei vor?

Es ist schon auffällig, wie die FDP vor allem in den vergangenen Tagen versucht, ihre Positionen und Forderungen unters Volk zu bekommen. In der rund um Ostern innenpolitisch eher nachrichtenarmen Zeit bestimmen die Liberalen die Schlagzeilen. Parteichef Christian Lindner untermauert seine Forderung nach steuerlichen Entlastungen für die Bürger und Unternehmen, fordert Änderungen beim Bürgergeld und stellt sich bei der geplanten Kindergrundsicherung quer. Schützenhilfe kommt lautstark und vielstimmig aus der Partei- und Fraktionsspitze.

Signale an die eigenen Anhänger

"Hier wird deutlich, dass sich Lindner und Co. an ihre Mitglieder und Stammwähler richten", beobachtet die Politikwissenschaftlerin Claudia Ritzi von der Universität Trier. Das seien Vorboten des Bundesparteitags Ende April in Berlin.

Denn dieser Parteitag wird für die FDP besonders wichtig. Die Liberalen befinden sich zunehmend in einem politischen Überlebenskampf. Im aktuellen ARD-DeutschlandTrend kommt die Partei auf vier Prozent – und wäre damit nicht mehr im Bundestag vertreten. Seit Monaten steckt sie im Umfragetief. Den Liberalen drohe das Kernklientel, "das die FDP über viele Jahre in der Regel immer über die fünf Prozent gehoben hat", wegzubrechen, erklärt Ritzi.

Parteitag soll Kehrtwende bringen

Der Parteitag muss deshalb mit Blick auf die bevorstehenden Wahlen in diesem Jahr eine Kehrtwende bringen – zumindest im eigenen Lager. So sieht das auch Ursula Münch, Direktorin der Politischen Akademie in Tutzing. Die FDP versuche, bei ihren Kernthemen wie sparsame Haushaltspolitik, Festhalten an der Schuldenbremse oder Bürokratieabbau bei ihren Anhängern mit Verlässlichkeit zu punkten.

Deshalb würden sich die Freien Demokraten mit diesen Themen bei den Wählerinnen und Wählern immer wieder ins Gedächtnis bringen wollen, sagt Münch. Spätestens bei der nächsten Bundestagswahl stehe viel auf dem Spiel: "Für die FDP geht es dann um das politische Sein oder Nichtsein. Wird man über die Fünf-Prozent-Hürde kommen oder nicht?"

Vor dem Hintergrund der anhaltend schlechten Zustimmungswerte wären Verzweiflung und Panik an der Parteispitze nicht überraschend. Doch nach außen versucht die FDP-Spitze in Berlin gute Stimmung zu verbreiten. Man zeigt sich kämpferisch, will sich treu bleiben, sieht sich trotz Gegenwind auf dem richtigen Weg. Tapfer vorgetragene Durchhalteparolen sollen Fraktion und Parteibasis beruhigen. "Von schlechten Umfragewerten lässt man sich nicht beeindrucken – von Anfang an nicht", sagt Münch – zumindest nach außen nicht.

Ob sich Prinzipientreue auszahlt?

Doch ob sich das Festhalten an liberalen Prinzipien am Ende auszahlen wird, ist fraglich. Bisher jedenfalls nicht. Politikwissenschaftlerin Ursula Münch rät den Liberalen, beim Thema Schuldenbremse zu Zugeständnissen bereit zu sein. Die Prinzipientreue könnte ihnen sonst auf die Füße fallen – und zwar, wenn die Modernisierung der Infrastruktur auf der Strecke bleibt. Der Unmut über die in der Vergangenheit verschlafene Digitalisierung, marode Bahnstrecken und die kaputten Brücken entlade sich ohnehin schon beim zuständigen Verkehrs- und Digitalminister Volker Wissing von der FDP.

FDP: Opposition in der Regierung

Dazu kommt das Imageproblem der Liberalen: "Dass die FDP die Opposition in der Bundesregierung ist, hat sie nie verheimlicht", sagt Münch. Die Folge: "In der breiteren Wählerschaft, die gelegentlich mal die FDP wählt, gilt sie als Verhinderer." Das komme in dieser Gruppe überhaupt nicht gut an. Bei den eigenen Anhängern ist die Partei wiederum "nicht Verhinderer genug". Politologin Claudia Ritzi ergänzt: "Gerade die FDP-Wähler verlangen sehr stark danach, dass die Handschrift der FDP sichtbar ist und bleibt." Kurzum: Die Partei steckt in einem Dilemma.

Unruhe in der Partei nimmt zu

Wer genauer in die Partei hineinblickt, kann beobachten, wie sich Ratlosigkeit und Nervosität breitmachen. Die Unzufriedenheit ist bei einigen Abgeordneten groß – sowohl mit dem Bild der Partei in der Bevölkerung als auch mit der Leistung der Regierungskoalition.

Die Flügelkämpfe in der Partei nehmen zu. Auf der einen Seite diejenigen, die sich in Erinnerung an alte Zeiten gerne wieder an die Union anschmiegen wollen. Auf der anderen Seite die eher jüngeren Fraktionsmitglieder, die die Partei als progressive und moderne Kraft langfristig etablieren wollen.

Was ist bei den nächsten Wahlen zu erwarten?

Bei den Wahlen in diesem Jahr werden die Liberalen vermutlich nicht viel Grund zur Freude haben, glaubt man den Meinungsforschern. Auch Münch sagt in Bezug auf die Landtagswahlen im Herbst im Osten: "Der Wunsch nach einem starken Staat ist in Ostdeutschland ausgeprägt." Da werde die FDP mit ihrer gegenteiligen Position kaum punkten können.

Bei der Europawahl im Juni gehen die Liberalen mit Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann als Spitzenkandidatin ins Rennen. Eine Frau, die in der Bevölkerung stark polarisiert. Die Strategie der Liberalen scheint zu sein: besser kontrovers auffallen, als gar nicht wahrgenommen zu werden.

Folgen für die Bundesregierung

Für die Ampel-Regierung und das Regierungshandeln könnte der politische Überlebenskampf der Liberalen ein noch größeres Problem werden. "Der Druck wird spürbarer werden, der Druck wird stärker werden", prognostiziert Münch. Die Konflikte in der Koalition werden in der Folge gewiss nicht weniger.

Denn die FDP wird versuchen, zu retten, was zu retten ist: jetzt, vor dem Parteitag, bei den Wahlen in diesem und erst recht bei der Bundestagswahl im kommenden Jahr. Die Botschaften, wie mehr Steuererleichterungen und keine neuen Sozialausgaben, werden gleich bleiben, aber vermutlich immer lauter kommuniziert. Krawall mit SPD und Grünen ist programmiert.

Politikforscherin Ritzi aus Trier glaubt aber nicht an einen vorzeitigen Bruch der Bundesregierung. Schließlich stünden auch die Ampel-Partner SPD und Grüne unter Druck. Und alle drei Regierungsparteien wüssten voneinander, dass keiner von ihnen die Koalition aufkündigen werde. "Insofern ist das ein Korridor, indem sie sich alle bewegen", sagt sie. Oder anders formuliert: mitgegangen, mitgefangen.

Im Audio: FDP - Die Strategien des Christian Lindner

FDP-Parteichef Christian Lindner
Bildrechte: dpa-Bildfunk/Michael Kappeler
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FDP-Parteichef Christian Lindner

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