Long-Covid-Patientin beim Arzt
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Lauterbach-Programm: Mit langem Atem gegen Long Covid

Gesundheitsminister Lauterbach will Long-Covid-Patienten mit mehr Information und gezielterer Forschung helfen. Dafür hat er ein Drei-Punkte-Programm aufgelegt. Denn für die Menschen mit Long Covid sei die Pandemie noch nicht beendet. Im Gegenteil.

Über dieses Thema berichtet: BAYERN 3-Nachrichten am .

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) war ein ständiger Mahner und Warner in der Pandemie. Auch zu den Folgen von Corona äußerte er sich nahezu pausenlos. Nun ist die Pandemie schon länger für beendet erklärt worden - vorbei ist sie aber nicht für Menschen, die an Long Covid oder Post Covid leiden. Für sie, so Lauterbach, sei die Pandemie noch lange nicht beendet. Noch gebe es keine Heilung, keine guten Therapie-Konzepte. Die Forschung gehe zwar voran, aber die Lage sei wirklich schlechter als noch vor einem halben Jahr erhofft.

Long Covid: Ein Dauerthema - auch für die Zukunft

Zwischen sechs und fünfzehn Prozent der Infizierten erkranken an Long Covid, führte Lauterbach aus. Und die schlechte Nachricht sei, es würden immer mehr. Auch eine Impfung schütze nur in geringem Maße davor, an Long Covid zu erkranken. Wer einmal Long Covid hatte, könne sich auch ein weiteres Mal infizieren. Was noch nicht wissenschaftlich geklärt sei: Ob eine zweite Infektion die Symptome der ersten verstärkt oder nicht. Für Lauterbach steht fest: "Wir müssen uns dem Thema stellen und dürfen die Menschen nicht im Stich lassen."

Long Covid: Wenig Wissen bei vielen Ärzten

Mit der Initiative "Long COVID" will das Bundesgesundheitsministerium einen ersten Aufschlag machen. Dazu gehört ein neues Informationsportal www.bmg-longcovid.de: eine Website mit Hilfsangeboten, mit Informationen zum aktuellen Forschungsstand, mit Antworten auf wichtige Fragen rund um Long Covid, aber auch zu Post-Vac und ME/CFS (chronisches Fatigue-Syndrom). Die Website richtet sich an Betroffene, stellt aber auch Informationsmaterial für Ärztinnen und Ärzte bereit. Dennnoch, beklagt die Onkologin Carmen Scheibenbogen von der Berliner Charité, könnten viel zu wenig Ärzte Long Covid erkennen, geschweige denn behandeln. Aufklärung sei daher zentral. Neue Zahlen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) haben ergeben, dass einer von 30 Europäern an Long Covid erkrankt ist, in Deutschland wären das 2,5 Millionen Menschen.

Long Covid: Bislang kaum medizinische Versorgung

Ein weiteres großes Problem sehen Lauterbach und Expertinnen wie Carmen Scheibenbogen in der mangelnden Versorgung der Patientinnen und Patienten. Dafür soll es Geld geben: 20 Millionen Euro aus dem Bundeshaushalt, "trotz prekärer Haushaltslage", wie Lauterbach nicht müde wird zu betonen. Eigentlich hatte er bereits im Frühjahr angekündigt, 100 Millionen Euro bereitstellen zu wollen, daraus aber wurde nichts. Nun sollen 20 Millionen Euro aus dem Haushalt und dazu noch einmal 20 Millionen Euro aus dem Innovationsfonds kommen, um zahlreiche neuartige Modell-Projekte zu unterstützen, die sich dem Kampf gegen Long Covid verschrieben haben.

Stellt sich heraus, dass die Projekte erfolgreich sind, sollen sie später als Krankenkassenleistungen von der gesetzlichen Krankenversicherung übernommen werden. Viele Betroffene etwa können von chronischer Müdigkeit oder lähmender Erschöpfung ihr Haus gar nicht verlassen. Wohnortnahe Angebote aber gibt es kaum. Diese Strukturen möchte Lauterbach ändern, aber viel Geld hat er nicht.

Long Covid: Hohe volkswirtschaftliche Schäden

Das Leiden der Betroffenen ist das eine, der volkswirtschaftliche Schaden ist das andere. Oft sind Long-Covid-Betroffene für viele Jahre oder gar dauerhaft arbeitsunfähig. Nach einer Studie der Universität Frankfurt/Main beträgt der volkswirtschaftliche Schaden durch Long Covid bereits heute 5,7 Milliarden Euro - Tendenz steigend. Dazu kämen die medizinischen Kosten und die Belastungen für die Sozialsysteme, wenn die Betroffenen dauerhaft arbeitsunfähig sind. Von "desaströsen ökonomischen Auswirkungen" spricht der Kardiologe Bernhard Schieffer von der Universitätsklinik Marburg und: "Wir dürfen die Augen nicht verschließen vor dem, was Corona der Gesellschaft und hier vor allem den Kindern angetan hat."

Long Covid: Was macht eigentlich die Pharmaindustrie?

Zur Long-Covid-Initiative der Bundesregierung gehört auch ein Runder Tisch. Der soll am 12. September Betroffene, Ärztevertreter, Selbsthilfeorganisationen, aber auch nationale und internationale Experten sowie Vertreter der Krankenkassen und der Pharmaindustrie zum Austausch zusammenbringen.

Carmen Scheibenbogen von der Berliner Charité nimmt vor allem die Pharma-Branche in die Pflicht, sich bei Forschung und Entwicklung von Anti-Long-Covid-Medikamenten stärker anzustrengen. Auch Lauterbach sieht das so. Die pharmazeutische Industrie sehe Long Covid als Nischenprojekt, das sei falsch. Es werde ohne Ende immer wieder Covid-Infektionen geben, "Long Covid wird mit uns sein". Mit einem düsteren Ausblick gibt Lauterbach einmal mehr den Mahner und Warner: "Die Zukunft von Long Covid hat leider erst begonnen."

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