Verfassungsbedenken gegen Krankenhausreform
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Kritik an Krankenhausreform: Holetschek fordert "Schritt zurück"

Gesundheitsminister Lauterbach möchte im Klinikwesen vieles verändern. In einigen Punkten hat er auch unionsgeführte Länder auf seiner Seite. Wenn es aber um die Struktur geht, will ihm allen voran Bayerns Ressortchef Holetschek Schranken aufzeigen.

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Bei allem parteipolitischen Streit ist beim Thema Finanzierung der Krankenhäuser vielen klar, dass bald etwas geschehen muss. Fallpauschalen nämlich, bei denen Kliniken mit Knieprothesen gute Erträge erzielen, die Geburtshilfe oder die Kindermedizin aber als unrentabel hinten runter fallen - das will inzwischen fast niemand mehr.

Trotzdem setzten heute drei Landesminister für Gesundheit – angeführt von CSU-Politiker Klaus Holetschek – in der bayerischen Landesvertretung in Berlin einen Kontrapunkt.

Einigkeit auch in der Union: Nieder mit den Fallpauschalen

Fallpauschalen sollten weg, befanden Holetschek sowie die schleswig-holsteinische Ressortchefin Kerstin von der Decken (CDU) und auch NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU). Aber: Es gibt offenbar ernste Bedenken, was die Verfassungsmäßigkeit der Ampel-Pläne angeht – und Sorge um die Entscheidungsgewalt der Länder.

Dass es bei ihr nicht um Fundamentalopposition gehe, das machte die norddeutsche Ministerin von der Decken schnell deutlich: Man sei "nicht hier, weil wir die Krankenhausreform verhindern möchten". Vielmehr wolle man sie ermöglichen.

Greift Bund zu stark in Krankenhauslandschaft ein?

Von der Decken, Holetschek und Laumann monieren aber, dass der Bund nach ihrer Lesart zu stark in die deutsche Krankenhauslandschaft eingreifen will. Und damit verletze Lauterbach als Bundesminister die Grenzen, die das Grundgesetz vorgibt. Holetschek brachte seine Haltung für Bayern am energischsten auf eine Formel: "Unverhandelbar" sei für ihn der Grundsatz, dass "das Land entscheidet, wo welche Versorgung stattfindet".

Alle drei Länder befürchten, dass der Bund über den Hebel des Geldes bis in die unterste Krankenhausebene hineinregieren könnte. Etwa: Welche Leistungen werden wo angeboten - und wo werden Fachbereiche oder gar ganze Kliniken geschlossen?

Verschiedene Krankenhauslevels

Hier kommen die verschiedenen Krankenhauslevels ins Spiel, in den Stufen Level 1i, 1n, 2 und 3. Die höchste Stufe – Level 3 – das die Universitätskliniken, wie in Erlangen, Würzburg, Augsburg Regensburg und München.

Die niedrigste Stufe beschreibt eine Klinik, in der tagsüber auch Ärzte sind, wo es aber keine Notaufnahme oder keine Operationen gibt. Gerade kleine, ländliche Krankenhäuser, von denen Bayern einige hat, fürchten eine Herabstufung zu einer Art Kurzzeitpflege. Unterstützung haben Holetschek und die Amtskollegen für den Termin in der Bundeshauptstadt durch einen bayerischen Verfassungsjuristen organisiert: Ferdinand Wollenschläger von der Uni Augsburg.

Der beauftragte Gutachter attestiert: Planung und Organisation von Krankenhäusern, das ist Ländersache. Der Bund dürfe die Versorgungsstruktur nicht durch die "Hintertür" der Vergütungskompetenz verändern. Im Grundgesetz geregelt ist demnach, dass der Bund nur die wirtschaftliche Sicherung der Kliniken sowie die Krankenhauspflegesätze regeln darf, und eben die Ausgaben der Sozialversicherung, heißt es in Wollenschlägers 144-seitigem Gutachten.

Holetschek fordert großen Schritt zurück

Schon seit Wochen laufen Abstimmungsprozesse zwischen Bund und Ländern zur Krankenhausreform und das Wollenschläger-Gutachten sieht Ideen, wie sich der mögliche Verfassungsstreit auflösen könnte. Dazu zählen:

  • ein Verzicht auf die Level-Einteilungen durch eine reine neue Vergütungsregelung
  • ein Staatsvertrag für eine länderübergreifende Koordinierung
  • eine Verfassungsänderung, die dem Bund die Klinikstrukturkompetenz überträgt – was sich aber noch auf der Pressekonferenz keiner der drei Landesgesundheitsminister zu eigen machte

Zumindest Holetschek ging ein Stück weiter als Laumann oder von der Decken – und forderte, man solle doch bei der Reform besser nochmal einen großen Schritt zurück machen. Weder so wie es jetzt in den Bund-Länder Gespräche stehe noch in der Ausgangsfassung könne die Reform funktionieren.

Grüne werfen Holetschek Verzögerungstaktik vor

Die Minister und der Gutachter warnten: Kommt ein Gesetz auf Grundlage der Lauterbach-Kommission unverändert, könnte es am Ende in Karlsruhe landen – und scheitern.

Für Janosch Dahmen, Gesundheitsexperte der Grünen im Bundestag, ist Holetscheks jetziger Auftritt in Berlin Kampagnengetöse im Landtagswahlkampf. Beim Thema Krankenhausreform erlebe er "zur Zeit 15 Bundesländer die sich sehr konzentriert in die Bund und Länder Beratungen einbringen", aber "leider immer wieder CSU-Minister Holetschek, der verzögert".

Ende Mai treffen sich die Gesundheitsminister von Bund und Ländern wieder. Und Lauterbach hat vor, noch vor der Sommerpause zumindest die Eckpunkte seines Gesetzes vorzulegen.

Kritik an Krankenhausreform: Holetschek fordert "Schritt zurück"
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Die vom Bundesgesundheitsminister geplante Krankenhausreform könnte verfassungswidrig sein.

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