Alice Weidel, Fraktionsvorsitzende der AfD, und Tino Chrupalla, AfD-Bundesvorsitzender und Fraktionsvorsitzender der AfD
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Krah, Bystron, Halemba: So ringt die AfD um den richtigen Umgang

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Krah, Bystron, Halemba: So ringt die AfD um den richtigen Umgang

Immer wieder stehen Politiker der AfD in der Kritik: Spionage, Autokratie-Freundlichkeit, interne Tricksereien, Ermittlungen der Justiz. Die Parteispitze agiert widersprüchlich. Experten sehen darin eine Strategie.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Bloß keine gemeinsamen Bilder – das scheint die Taktik der Parteichefs Weidel und Chrupalla im Umgang mit AfD-Spitzenkandidat Maximilian Krah zu sein. Zum Auftakt des Europawahlkampfs am Wochenende werden die beiden ohne Krah auf die Bühne treten.

Auch nach einem Krisentreffen Mitte der Woche musste Krah allein vor die Kameras. Die Festnahme seines Mitarbeiters wegen Spionageverdacht nannte er eine "sehr unangenehme Angelegenheit". Aber für wen eigentlich?

Eine Reihe von AfD-Mitgliedern in der Kritik

Der Fall Krah ist ein Beispiel dafür, wie die AfD um den Umgang mit Problemfällen ringt. Davon gibt es eine ganze Reihe. In der jüngeren Vergangenheit etwa die Korruptionsvorwürfe gegen den bayerischen Bundestagsabgeordneten Petr Bystron oder interne Vorwürfe und gleich mehrere Ermittlungsverfahren gegen den bayerischen Landtagsabgeordneten Daniel Halemba: wegen des Verdachts der Geldwäsche, Nötigung, Volksverhetzung. Oft wirkt die Kommunikation der Partei dabei zögerlich. Gehandelt wird, wenn der öffentliche Druck groß ist – und dann nicht eindeutig.

Ambivalentes Handeln der AfD – Eine Strategie?

So reagierten der bayerische Landesvorstand und der Bundesvorstand im Fall Daniel Halemba lange nicht auf interne Vorwürfe. Erst nachdem sie öffentlich wurden, sagte Alice Weidel: Es sei völlig klar, "dass Herr Halemba nicht in der AfD Mitglied bleiben kann". Obwohl er das könnte, reagierte der Bundesvorstand aber nicht selbst, sondern forderte den Landesverband dazu auf, der es indes bei einer Ämtersperre beließ. Jetzt, vier Monate später, griff der Bundesvorstand erneut ein und ließ selbst ein Parteiausschlussverfahren vorbereiten.

"Teilweise halbherzig und nicht ganz konsequent", nennt Politikwissenschaftler Stefan Marschall, Professor an der Universität Düsseldorf, dieses Vorgehen – und erkennt durchaus eine Strategie. Nach außen will die AfD zeigen, dass sie handelt und Maßnahmen ergreift – um potenzielle Wählerinnen und Wähler nicht zu verprellen, und mit Blick auf die Beobachtung durch den Verfassungsschutz will sie nicht den Eindruck zu erwecken, Extremisten in den eigenen Reihen zu akzeptieren. Nach innen möchte die Partei zugleich Solidarität mit ihren Mitgliedern signalisieren.

Diese Vielstimmigkeit im Vorgehen sei nicht zufällig, sagt Marschall, sondern durchaus strategisch. Mit dem Ziel, sich nach mehreren Seiten abzusichern. Der Politikberater Johannes Hillje spricht von einer "symbolischen Distanzierung".

Umgang mit Problemfällen für alle Parteien eine Herausforderung

Wann aber ist eine Distanzierung glaubwürdig? Wann symbolisch? Klar ist: Auch andere Parteien tun sich schwer im Umgang mit innerparteilichen Problemfällen. Als der FDP-Politiker Otto Graf Lambsdorff in den 80ern wegen Steuerhinterziehung verurteilt wurde, trat er zwar als Wirtschaftsminister zurück. Später wählte die FDP ihn aber zu ihrem Bundesvorsitzenden. Die SPD schreckte lange vor einem Parteiausschluss des ehemaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder wegen dessen Russland-Nähe zurück. Am Ende scheiterte das Verfahren. Und die CDU hat im vergangenen Jahr lange mit dem Ausschluss von Hans-Georg Maaßen gerungen, der inzwischen vom Bundesverfassungsschutz beobachtet wird. Er trat schließlich selbst aus der Partei aus.

Der Unterschied zur AfD besteht laut Politikwissenschaftler Stefan Marschall in der Art der Fälle. "Da geht es um die Tendenz zum Rechtsextremismus", sagt er. Ähnlich äußert sich Simon Franzmann, Direktor des Göttinger Instituts für Demokratieforschung. "Das hat auch ganz klar mit dem Selbstverständnis der AfD zu tun", sagt er. Nämlich als eine Partei, die ausspricht, was sich andere nicht trauten. "Das merkt man schon, dass da noch eine ganze Menge akzeptiert wird, wo bei anderen Parteien schon viel, viel früher die Warnlampen angegangen wären."

AfD hat Erfahrung mit Parteiausschlussverfahren

Dieses Ringen zeigt sich in einer Reihe von Fällen: Der Rechtsextremist Andreas Kalbitz wurde zwar nach langem Machtkampf aus der Partei ausgeschlossen. Er ist aber weiterhin Mitglied der AfD-Fraktion im Brandenburger Landtag.

Der Bundestagsabgeordnete Matthias Helferich aus Nordrhein-Westfalen bezeichnete sich in Chats als "freundliches Gesicht des NS". Die AfD-Fraktion im Bundestag nahm ihn nicht auf. Ein Parteiausschlussverfahren und eine Ämtersperre aber scheiterten. Jetzt sitzt Helferich im Landesvorstand der nordrhein-westfälischen AfD.

Und Björn Höcke sollte 2017 aus der Partei ausgeschlossen werden, unter anderem, weil er für eine "erinnerungspolitische Wende um 180 Grad" geworben und das Holocaust-Mahnmal in Berlin als "Denkmal der Schande" bezeichnet hatte. Das Verfahren war umstritten, scheiterte. Jetzt ist er Spitzenkandidat für die Landtagswahl in Thüringen.

Glaubwürdigkeit durch Klarheit

Für einen Parteiausschluss gibt es hohen Hürden, die Verfahren dauern lang. Politikwissenschaftler Marschall sagt deswegen, glaubwürdig sei Distanzierung, wenn eine Partei "auch darüber hinaus versucht, Aufklärung zu betreiben und der Sache nachzugehen".

So sieht das auch Simon Franzmann. Im Fall von Krah und Bystron hätte die AfD beispielsweise klarmachen können, dass die beiden die Partei nicht mehr im Europawahlkampf vertreten werden. Ersatzweise hätte die AfD etwa die Kandidaten auf Listenplatz drei und vier aufbauen können. Das wäre, so Franzmann, "nach außen glaubwürdig gewesen" und "für jeden nachvollziehbar". Möglich sei auch eine Ankündigung, dass die Bundesspitze alles dafür tun werde, nach der Wahl keine gemeinschaftliche Fraktion mit Bystron oder Krah zu bilden. "Das ist nicht passiert", sagt Franzmann.

Neue Qualität der Vorwürfe

Offen ist, ob die Partei mit ihrer Strategie der Vielstimmigkeit und Ambivalenz jetzt an Grenzen stößt. Die aktuellen Vorwürfe – Spionage und Geldannahme – haben eine neue Qualität. Die Partei ist nervös, urteilt Politikberater Johannes Hillje, der unter anderem 2014 als Wahlkampfmanager der Europäischen Grünen arbeitete. Denn die AfD könne durch diese Fälle "großen Schaden nehmen".

Eine zentrale Erzählung der AfD ist, dass sie die einzige patriotische Kraft in der deutschen Parteienlandschaft sei. Das bekommt Risse, wenn AfD-Politiker "wie trojanische Pferde ausländischer Akteure handeln", sagt Hillje. Die AfD muss nun klären, ob sie auf der Seite der Griechen oder der Trojaner steht.

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