Häusliche Gewalt: Bundesregierung will Frauen besser schützen
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Häusliche Gewalt: Bundesregierung will Frauen besser schützen

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Häusliche Gewalt: So sollen Frauen besser geschützt werden

In Deutschland wird alle zwei Minuten ein Mensch Opfer von häuslicher Gewalt – meist Frauen. Das zeigen die aktuellen Zahlen des Bundeskriminalamts. Frauenhäuser werden da immer wichtiger – doch es gibt zu wenige. Die Regierung will das ändern.

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Er kontrollierte jeden ihrer Schritte: per App am Handy oder mit Trackern im Spielzeug der Kinder. Ein schleichender Prozess, der immer mehr eskalierte: Sie durfte keinen Schritt mehr ohne ihren Ehemann gehen, konnte das Auto nicht mehr nutzen – es folgten Stalking und körperliche Gewalt. Doch sie hat immer wieder gehofft, ihr Mann ändere sich. Sechs Jahre hat sie gewartet und gezögert, bis sie sich Hilfe gesucht hat.

Wenn Birgit Schlick-Blieninger, Leiterin des AWO-Frauenhauses in Landshut, von dem Fall aus der niederbayerischen Stadt erzählt, dann spricht sie von einer "Gewaltspirale" im eigenen Zuhause hinter verschlossenen Türen. Diese Spirale zu stoppen, sei wahnsinnig schwer. Doch die Frau, die anonym bleiben muss, hat sich an Schlick-Blieninger im Landshuter Frauenhaus gewandt – durch einen Flyer ist sie auf das Hilfsangebot aufmerksam geworden und wurde schließlich mit ihren drei Kindern aufgenommen.

Häusliche Gewalt: Fälle steigen, Frauen als Opfer

Wie wichtig Frauenhäuser wie in Landshut sind, zeigen die jetzt veröffentlichten Zahlen des Bundeskriminalamts: Demnach werden Frauen und Mädchen häufiger Opfer von Gewalt in der Familie. Zudem steigen die Fälle häuslicher Gewalt insgesamt an: Im Vergleich zum Vorjahr ist die Zahl mit 240.547 Opfern im Jahr 2022 um 8,5 Prozent angestiegen. Mit knapp 158.000 Fällen von Gewalt in Partnerschaften wurde im vergangenen Jahr ein neuer Höchststand verzeichnet. Doch die Dunkelziffer bleibt hoch.

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Anzahl der Opfer Häuslicher Gewalt

Studie zum Dunkelfeld startet im Juli

Um zu ermitteln, wie viele Übergriffe nicht gemeldet werden, startet im Juli eine umfassende Dunkelfeldstudie: "Lebenssituation, Sicherheit und Belastung im Alltag". Das haben Innenministerin Nancy Faeser (SPD), Familienministerin Lisa Paus (Grüne) und der Präsident des Bundeskriminalamtes, Holger Münch, in Berlin angekündigt. Deutschlandweit sollen demnach 22.000 Menschen im Alter zwischen 16 und 85 Jahren befragt werden. Erste Ergebnisse sollen 2025 vorliegen.

Faeser betonte, häusliche Gewalt sei keine Privatsache, sondern ein gravierendes Problem in allen gesellschaftlichen Gruppen: "Wir müssen helfen, das Schweigen zu brechen." Gewalttäter dürften nicht schnell vom Radar verschwinden, sondern müssten nach dem ersten Übergriff sofort aus der Wohnung verwiesen werden – das müsse konsequent kontrolliert werden.

Frauenhaus: Wenn Frauen sich gegenseitig unterstützen

Anders war es in Landshut: Schlick-Blieninger vom Frauenhaus erzählt, dass die traumatisierte Frau mit ihren drei Kindern ein halbes Jahr im Frauenhaus geblieben ist. "Sie war lange da – dann erst hat sie sich getraut, alleine mit ihren Kindern zu leben." Heute habe sie dank des Frauenhauses eine eigene Wohnung, einen Job. Ihr gehe es gut. Geholfen habe ihr vor allem der Kontakt im Frauenhaus zu anderen Betroffenen, die ähnliches Zuhause mit Partnern oder Ex-Partnern erleiden mussten, wie Schlick-Blieninger sagt: "Die Frauen tauschen sich untereinander aus, es bilden sich auch tolle Freundschaften. Sie unterstützen sich gegenseitig".

Zu wenig Plätze: Volle Frauenhäuser

Das größte Problem aber: Es gibt zu wenig Plätze, zu wenig Frauenhäuser. Für Frauen mit Kindern ist es in manchen Regionen Deutschlands schwierig, einen freien Platz in einem Frauenhaus zu finden. Das zeigt auch die bundesweite Frauenhaus-Such-Karte – die meisten Punkte leuchten rot auf: keine Aufnahme mehr möglich.

Auch in Landshut sind beide Frauenhäuser derzeit voll belegt. Die Häuser sind mit zehn Plätzen für vier Kommunen zuständig: Stadt und Landkreis Landshut, Landkreis Rottal-Inn und Landkreis Dingolfing-Landau. Die Plätze von Frauenhäusern werden nach der Einwohnerzahl berechnet – "da sind wir viel zu weit unten. Wir bräuchten mindestens 15 Plätze für vier Kommunen." Wie die Frauenhaus-Leiterin Schlick-Blieninger sagt, seien fünf weitere Plätze und ein Neubau geplant – doch sie sei nur "vorsichtig optimistisch". Es geht um hohe Kosten.

Ampel-Regierung will Rechtsanspruch auf Schutz

SPD, Grüne und FDP hatten bereits 2021 in ihrem Koalitionsvertrag festgehalten: "Wir werden das Recht auf Schutz vor Gewalt für jede Frau und ihre Kinder absichern und einen bundeseinheitlichen Rechtsrahmen für eine verlässliche Finanzierung von Frauenhäusern sicherstellen."

Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) betonte in Berlin, sie werde sich dafür einsetzen, "die Lücken im Netz der Frauenhäuser und Beratungsstellen zu schließen". Frauen müssten überall in Deutschland einen sicheren Zufluchtsort und Hilfe finden. Trotz schwieriger Haushaltslage seien dafür deshalb in diesem und im kommenden Jahr zusätzlich zehn Millionen Euro vorgesehen. Zu wenig, wie Verbände kritisieren. Paus betonte in Berlin jedoch, dass ihr Ministerium aktuell ein Gesetz vorbereite, das für Betroffene einen Rechtsanspruch auf Schutz vorsehe.

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Das Hilfetelefon

Hilfe für Betroffene: Chats, Hilfetelefon

Frauenhaus-Leiterin Birgit Schlick-Blieninger aus Landshut will Frauen Mut machen: „In Deutschland bekommt man Hilfe, Frauen haben Rechte“. Wichtig sei zudem, dass auch Freunde, Bekannte, Nachbarn oder Kollegen nicht wegschauen, wenn es zu häuslicher Gewalt komme.

Bundesweit gibt es rund 400 Frauenhäuser, rund 100 Schutzwohnungen und mehr als 750 Beratungsstellen. Auch über Chats und Hilfetelefone kann Unterstützung erhalten werden. Über die Nummer 116 016 können Frauen kostenlos, anonym und vertraulich rund um die Uhr beim Hilfetelefon anrufen. Die mehrsprachigen Beraterinnen zeigen Handlungsoptionen auf. Für gewaltbetroffene Männer gibt es das Hilfetelefon unter der Nummer 0800 1239900.

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