Symbolbild: Medizinisches Personal hält die Hand einer älteren Person.
Bildrechte: Johanna Schlüter Fotografie/Johanna Schlüter

Am Donnerstag wird im Bundestag über zwei fraktionsübergreifende Gesetzesentwürfe zur Sterbehilfe abgestimmt.

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Gesetzentwürfe zur Sterbehilfe sorgen für Kritik

Am Donnerstag wird im Bundestag über zwei fraktionsübergreifende Gesetzesentwürfe zur Sterbehilfe abgestimmt. Die katholische Kirche fürchtet eine "selbstverständliche Form der Lebensbeendigung". Auch Patientenschützer sehen die Entwürfe kritisch.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

In welchen Rahmen soll die so genannte Sterbehilfe erlaubt sein? Welche Vorgaben soll es künftig geben? Mit diesem Thema beschäftigen sich zwei Gesetzentwürfe, über die am kommenden Donnerstag im Bundestag abgestimmt wird. Die katholische Kirche plädiert im Vorfeld für ein strengeres Verfahren und dringt auf eine "Kultur der Lebensbejahung".

Überparteiliche Gruppe mit Kompromissvorschlag zur Sterbehilfe

"Assistierte Sterbehilfe findet seit Jahren in einer Grauzone statt", beklagte die Grünen-Abgeordnete Renate Künast bei der Vorstellung eines gemeinsamen fraktionsübergreifenden Gesetzentwurfs Mitte Juni. Den Antrag präsentierte sie gemeinsam mit Vertretern von SPD, FDP und der Linken. Ziel sei es, "Leitplanken" für den Weg zur Selbsttötung aufzustellen. Auch die FDP-Abgeordnete Katrin Helling-Plahr betonte, dass die Sterbehilfe in Deutschland Menschlichkeit statt Verbote brauche. "Menschen sollen nicht aus Verzweiflung auf unnötig risikoreiche und schmerzhafte Methoden zur Selbsttötung zurückgreifen müssen, wenn es doch Medikamente gibt, die eine humanere Möglichkeit bieten", sagte Helling-Plahr.

Sterbewillige müssen sich beraten lassen

Vorgesehen ist, dass nur Menschen Zugang zu Medikamenten zur Selbsttötung bekommen, die volljährig sind und auch eine Beratung bei einem Arzt oder einer fachlich qualifizierten Stelle in Anspruch genommen haben. Der Wunsch, das eigene Leben zu beenden, wird von geschulten Ärzten geprüft und es sollen auch Alternativen zur Selbsttötung angesprochen werden. Die Einrichtung von Beratungsstellen in ganz Deutschland für die vorgeschlagene gesetzliche Regelung zur Suizidbeihilfe würde die Zustimmung des Bundesrats nötig machen, sagte der Grünen-Abgeordnete Till Steffen bei der Vorstellung des Entwurfs.

Zwei Entwürfe zu Sterbehilfe stehen sich gegenüber

Der Kompromissentwurf der beiden Abgeordnetengruppen steht im Gegensatz zum eher restriktiven Entwurf einer anderen fraktionsübergreifenden Initiative rund um den SPD-Abgeordneten Lars Castellucci. Der sieht vor, assistierte Suizide grundsätzlich unter Strafe zu stellen. Sterbehilfe darf nur unter strengen Voraussetzungen in Anspruch genommen werden, etwa nach zwei Untersuchungen durch psychiatrische Fachärzte und einem Beratungsgespräch.

Bätzing fürchtet selbstverständliche Form der Lebensbeendigung

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, hat die Sorge, dass sich der assistierte Suizid als selbstverständliche Form der Lebensbeendigung durchsetzt. Die Neuregelung der sogenannten Sterbehilfe müsse dieser Tendenz entgegenwirken, so Bätzing. Notwendig sei dafür ein umfassendes Schutzkonzept, dass die Eigenverantwortlichkeit des Menschen ernst nehme und zugleich eine Kultur von Fürsorge und Zuwendung am Lebensende bewahre.

Besonders kritisch sieht Bätzing den liberalen Gesetzentwurf um die FDP-Politikerin Helling-Plahr und die Grünen-Politikerin Künast. Es dürfe keine Situation entstehen, in der ältere oder kranke Menschen eine gute Infrastruktur der Suizidassistenz vorfänden, aber keine angemessenen Rahmenbedingungen, um sich vertrauensvoll in Pflege zu begeben und Hilfe zu erhalten.

Evangelische Kirche fordert Respekt für Suizidwunsch in Grenzsituationen

Die Evangelische Kirche in Deutschland plädiert ebenfalls für eine Regelung, die dem Schutz des Lebens Vorrang gibt. Zwar müsse der Wunsch von Menschen in Grenzsituationen nach einem assistierten Suizid respektiert werden, erklärte die EKD in einer am vergangenen Donnerstag verbreiteten Stellungnahme. Allerdings sei ein Suizidwunsch "ein menschliches Leid, das – wenn irgend möglich – abzuwenden ist". Sollten sich Menschen letztendlich doch für einen assistierten Suizid entscheiden, sei es nötig, "die Umsetzung dieser Entscheidung im Rahmen des Rechts zu ermöglichen, dieser Person vorurteilsfrei zu begegnen", erklärte die EKD aber auch. Betroffene sollten dann seelsorgerlich begleitet werden. Die gesetzliche Regelung müsse so ausgestaltet sein, dass sie Situationen verhindere, in denen sich Menschen zum Suizid gedrängt sehen, verlangte die EKD zudem.

Podcast: Sterbehilfe – Selbstbestimmung bis zum Schluss?

Patientenschützer Brysch warnt vor Gesetzesplänen zur Sterbehilfe

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz appelliert an die Bundestagsabgeordneten aller Fraktionen, bei der Abstimmung beide Gesetzesentwürfe abzulehnen. Ein klares Nein zu jedem der Anträge sei die einzige Chance, "das ethische Dilemma nicht zu vergrößern", erklärte Stiftungsvorstand Eugen Brysch am Sonntag. Er begründete dies damit, dass die vorliegenden Entwürfe über die Sorgen Sterbenskranker hinausgingen. "Vielmehr entfalten sie Wirkung auf lebenssatte, psychisch kranke oder depressive Menschen", sagte Brysch. "Dem Parlament muss bewusst sein, dass mit der Einführung solcher Regelungen harte Suizide nicht verhindert würden", ergänzte er. Brysch betonte zudem, eine Ablehnung der Entwürfe bedeute keinesfalls ein Verbot der Beihilfe zur Selbsttötung. Doch Suizidprävention bleibe so viel zu sehr auf der Strecke, beklagte Brysch.

Der Bundestag stimmt am Donnerstag ab

Katrin Helling-Plahr hatte sich im Juni zuversichtlich gezeigt, dass es am Ende grünes Licht des Parlaments für ihre Vorlage gibt. "Wir sind gut aufgestellt und haben viel Unterstützung." Auch der SPD-Abgeordnete Helge Lindh ist sicher, dass eine Mehrheit zustande kommt. Alle Umfragen der Bevölkerung zeigen, so Lindh, dass die Menschen beim Thema Sterbehilfe keine restriktive Regelung wollen, sondern größtmögliche Entscheidungsfreiheit in einem rechtlich sicheren Rahmen.

Seit Jahren ringen die Abgeordneten darum, wie die Sterbehilfe in Deutschland künftig geregelt werden soll. Das Verfassungsgericht hatte schon 2020 das Verbot sogenannter geschäftsmäßiger Sterbehilfe aufgehoben, weil es das Recht auf selbstbestimmtes Sterben verletze. In der Folge entstanden drei unterschiedliche, fraktionsübergreifende Gesetzentwürfe. Die beiden eher liberalen Anträge unter Federführung der Grünen-Abgeordneten Renate Künast und der FDP-Abgeordneten Katrin Helling-Plahr waren zu einem Entwurf verwoben worden, auch mit dem Ziel, die Chancen zu erhöhen, bei der Abstimmung im Bundestag eine Mehrheit zu bekommen.

Wenn einer der Entwürfe erfolgreich den Bundestag passiert, müsste das zustimmungspflichtige Gesetz dann noch in den Bundesrat. Frühestens im Herbst dürfte dann die Sterbehilfe in Deutschland gesetzlich geregelt sein, nach einem jahrelangen Diskussionsprozess.

Haben Sie Suizidgedanken oder haben Sie diese bei einem Bekannten festgestellt? Hilfe bietet auch die Telefonseelsorge: Anonyme Beratung erhalten Sie rund um die Uhr unter den kostenlosen Nummern 0800 / 111 0 111 und 0800 / 111 0 222. Auch eine Beratung über das Internet ist möglich unter telefonseelsorge.de.

Mit Informationen von AFP, KNA, EPD

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