Angehörige der von der Hamas als Geiseln genommenen Israelis nehmen an einem Protest vor dem Sitz des Verteidigungsministeriums teil.
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Angehörige der von der Hamas als Geiseln genommenen Israelis nehmen an einem Protest vor dem Sitz des Verteidigungsministeriums teil.

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Geiseln mit doppelter Staatsbürgerschaft – wer ist zuständig?

Mehr als 240 Geiseln wurden von der radikal-islamischen Hamas in den Gazastreifen entführt – im Sinne des Völkerrechts ein klares Kriegsverbrechen. Viele der Geiseln haben zwei Staatsbürgerschaften. Welche Nation ist dann zuständig?

Über dieses Thema berichtet: Tagesschau am .

Tel Aviv, Anfang der Woche. Auf dem Habima Platz stehen Betten – symbolisch, für die Betten, die seit einem Monat leer bleiben. Sie erinnern an die mehr als 240 Geiseln, die beim terroristischen Überfall der radikal-islamischen Hamas auf Israel in den Gazastreifen verschleppt wurden.

Solidarität am Freitag auch in München: Die Stühle an einem festlich gedeckten Schabbattisch auf dem Marienplatz bleiben leer. Auf den Plätzen kleben Vermisstenplakate – mit den Namen und Bildern derjenigen, die am 7. Oktober gefangen genommen und entführt wurden.

Von vielen Geiseln fehlt jede Spur

Seither wurden Geiseln von der Hamas ermordet, nur wenige wurden freigelassen und von einem Großteil fehlt jede Spur. Auch Shaked Haran hofft auf ein Lebenszeichen. Sieben Mitglieder ihrer Familie wurden von der Hamas entführt. Shakeds Mutter, ihre Schwester und die beiden Kinder haben einen deutschen Pass. Sie setzt deswegen auf den Einsatz der israelischen Regierung – und noch mehr auf die deutsche Bundesregierung.

Doppelte Staatsbürgerschaft: Beide Staaten sind verantwortlich

Bei doppelter Staatsbürgerschaft seien auch beide Staaten verantwortlich, erklärt Christoph Safferling, Völkerrechtsexperte und Professor an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Bürger mit doppelter Staatsbürgerschaft hätten in beiden Staaten die gleichen Rechte wie alle andere Staatsangehörige, aber auch die gleichen Pflichten, so Safferling.

Entscheidender Unterschied: Die Verhandlungsposition der Nationen

Eine Hierarchie gebe es nicht – die israelische Regierung ist demnach nicht mehr oder weniger für die Geiseln mit doppelter Staatsbürgerschaft verantwortlich wie die Bundesregierung. Dass Shaked Haran dennoch besonders auf den Einsatz der Bundesregierung hofft, ist für Safferling dennoch nachvollziehbar. "Der Umstand, dass Deutschland nicht unmittelbar in die kriegerischen Auseinandersetzungen involviert ist und ja auch nicht Ziel des terroristischen Anschlags der Hamas war, kann eine günstigere Verhandlungsposition für die Bundesrepublik vermitteln."

Es brauche Ergebnisse, ein Lebenszeichen, die Freilassung, so Shaked Haran, deren Angehörige verschleppt wurden. Sie wisse, dass Deutschland gute Verbindungen nach Katar pflege und über jegliche internationalen Kontakte. Deutschland werde als mächtiges Land in der EU und in der ganzen Welt wahrgenommen. Und deswegen habe sie die Hoffnung und die Erwartung, dass Deutschland eingreift.

Auswärtiges Amt richtet Sonderstab ein

Eine Sprecherin des Auswärtigen Amts erklärte auf Anfrage von BR24, Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) habe einen Sonderstab für die von der Hamas verschleppten Personen eingerichtet. Die Situation der Geiseln sei "Top-Priorität", auch in den Gesprächen der Ministerin mit internationalen Partnern. Das Auswärtige Amt nutze alle Gesprächskanäle, um auf die Akteure in der Region einzuwirken und halte engen Kontakt mit den Angehörigen der von den Hamas verschleppten Personen.

Israel schließt Waffenruhe aus, solange Geiseln nicht freigelassen werden

Versuche, die "sicherlich auch jetzt noch unternommen werden, wenn Israel dabei ist, die Geiseln mit militärischer Gewalt zu befreien", schätzt Völkerrechtsexperte Christoph Safferling. Im Gazastreifen setzt Israel seine Bodenoffensive weiter fort. Erste Bodentruppen haben Gaza-Stadt erreicht. Eine Waffenruhe schließt Israel aus – solange nicht alle Geiseln freigelassen wurden, bekräftigte Premierminister Benjamin Netanjahu.

Geiselnahme im Völkerrecht: Kriegsverbrechen durch Hamas

Völkerrechtlich sei Geiselnahme verboten, stellt Christoph Safferling gegenüber BR24 klar. "In diesem Fall handelt es sich um ein Kriegsverbrechen. Zusätzlich kann noch das Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Form des sogenannten Verschwindenlassens erfüllt sein." Das sei der Fall, wenn Angehörigen oder staatlichen Vertretern Information über den Verbleib der entführten Person vorenthalten wird.

Shaked Haran wartet weiter darauf, Informationen über ihre Familie zu erhalten. Niemand wisse etwas über sie, niemand wisse, ob sie am Leben seien. Solange bleibt ihr nur zu hoffen, dass die Bemühungen der Regierungen Erfolg haben – und ihre Familie freigelassen wird, zusammen mit allen Geiseln.

Im Video: Interview mit Melody Sucharewitz, betreut Angehörige von Hamas-Geiseln

Melody Sucharewitz im Interview mit report München
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Melody Sucharewitz im Interview mit report München

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