ARCHIV - 26.11.2021, Berlin: Eine Einbürgerungsurkunde der Bundesrepublik Deutschland liegt auf einem Tisch.
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Kabinett beschließt schnellere Einbürgerungen für Migranten

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Kabinett beschließt schnellere Einbürgerungen für Migranten

Mit der Reform des Staatsbürgerschaftsrechts sollen legale Einwanderer schneller den deutschen Pass erhalten. Damit erhofft sich die Bundesregierung, Fachkräfte anzulocken. Bayern bezweifelt das – und kritisiert die Reform.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Jahrelang war es umstritten und wurde debattiert: die Reform der Staatsbürgerschaft. Jetzt hat das Bundeskabinett den Entwurf von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) gebilligt. Das neue Staatsbürgerschaftsrecht gehört zu den wichtigsten Reformprojekten der Ampel-Koalition, so Faeser: "Unser modernes Einwanderungsland braucht ein modernes Einwanderungsrecht. Unsere Wirtschaft braucht diese Reform."

Deutschland befinde sich in einem weltweiten Wettbewerb um Fachkräfte. Man könne die "besten Köpfe der Welt" nur gewinnen, wenn sie Teil der Gesellschaft mit allen demokratischen Rechten seien, so die SPD-Politikerin. Die Bundesregierung erhofft sich mit schnelleren Einbürgerungen einen Zuwachs an Fachkräften. In Frankreich oder den USA sei eine Einbürgerung bereits nach fünf Jahren möglich, in Kanada sogar nach drei Jahren, so Faeser.

Erleichterungen: Verkürzte Fristen, doppelte Staatsangehörigkeit

Somit wird es künftig für Menschen, die legal in Deutschland leben, verkürzte Fristen geben, um die deutsche Staatsbürgerschaft zu erhalten: Statt bisher acht Jahre, können Migranten nun nach fünf Jahren den deutschen Pass erhalten. Voraussetzungen bleiben weiterhin Nachweise für Integration und Deutschkenntnisse. Bei besonderen Integrationsleistungen oder Sprachkenntnissen verkürzt sich die Frist sogar auf drei Jahre. Zudem sollen in Deutschland geborene Kinder ausländischer Eltern schneller Deutsche werden können.

Die Bundesregierung will in Zukunft auch generell die doppelte Staatsbürgerschaft ermöglichen – bisher mussten Migranten bei der Einbürgerung ihre bisherige Staatsangehörigkeit aufgeben.

Steigende Einbürgerungszahlen in Bayern

Im BR24-Interview kritisiert Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) die Reform. Deutschland und Bayern bräuchten zwar ausländische Arbeitskräfte, wie er sagt, "aber ob die vor allem deswegen kommen, weil sie nicht erst nach acht Jahren, sondern nach fünf Jahren die Staatsangehörigkeit bekommen – das wird glaube ich nicht entscheidend sein."

In Bayern stiegen die Einbürgerungszahlen in den vergangenen Jahren stetig an, wie Zahlen des Innenministeriums zeigen: Gab es im Jahr 2013 noch 13.276 Einbürgerungen, waren es 2022 schließlich 28.336. Mit knapp 28 Prozent (7.886) wurden im Jahr 2022 die meisten Einbürgerungen aus EU-Staaten, wie Rumänien, Italien oder Polen verzeichnet. 20,5 Prozent (5.803) der Einbürgerungen stellten Menschen aus Syrien.

Kritik aus Bayern: "Klar zu einer Staatsangehörigkeit bekennen"

Die generelle doppelte Staatsangehörigkeit hält der bayerische Innenminister "für überzogen". Zwei Pässe zu besitzen sollte die Ausnahme, nicht die Regel sein. Herrmann weist auf den Russland-Ukraine-Krieg hin: Wenn jemand gleichzeitig die deutsche und russische Staatsangehörigkeit habe, zeige sich angesichts verhängter Sanktionen von Deutschland gegen Russland "sehr schnell, wie Konfliktfälle entstehen können". Er fordert daher, "dass sich jemand klar zu einer Staatsangehörigkeit bekennt".

Voraussetzung Einbürgerung: Lebensunterhalt selbst verdienen

Mit der vom Bundeskabinett beschlossenen Reform bleiben schärfere Voraussetzungen für die Einbürgerung bestehen: Wer die deutsche Staatsangehörigkeit erwerben möchte, muss für sich selbst und seine Familie sorgen können – also seinen Lebensunterhalt selbst bestreiten, so Faeser. Wer Geld vom Staat (z.B. Sozialhilfe) bekommt, hat demnach keinen Anspruch auf Einbürgerung.

Ausnahmen hiervon gelten unter anderem für Gastarbeiter, die zwischen 1950 und 1970 nach Deutschland gekommen sind. Für sie entfallen auch Einbürgerungs- und Sprachtests. Damit wolle man die Lebensleistung der Gastarbeitergeneration würdigen, die zum Wohlstand Deutschlands beigetragen haben, so Faeser.

Auch hier kommt Kritik aus Bayern, Innenminister Herrmann hält es für "völlig absurd", auf Deutsch-Anforderungen zu verzichten: "Wenn jemand nach 30 Jahren immer noch nicht Deutsch sprechen kann, dann hat er offensichtlich in der Integration was falsch gemacht, dann sehe ich keinen Anlass, dass er einen deutschen Pass bekommen soll."

Kritik von Verbänden: Sorge um Alleinerziehende und Azubis

Eine gänzlich andere Kritik am Ausnahmekatalog kommt von Menschenrechtsverbänden wie ProAsyl, der Diakonie, aber auch von den Grünen und der Antidiskriminierungsbeauftragten Ferda Ataman. Alleinerziehende, pflegende Angehörige, Menschen mit Behinderung, Auszubildende oder Studierende hätten demnach keinen Anspruch auf Einbürgerung – sie sind auf staatliche Hilfen angewiesen und können ihren Lebensunterhalt nicht gänzlich selbst bestreiten. Bundesinnenministerin Nancy Faeser verwies darauf, dass in diesen Fällen sogenannte Ermessenseinbürgerungen möglich seien – die zuständigen Behörden würden dann entscheiden.

Der Entwurf wird nun an den Bundestag weitergeleitet. Wenn das Parlament zustimmt, könnte er bereits ab Januar in Kraft treten. Dem Innenministerium zufolge haben mehr als zwölf Millionen Menschen keinen deutschen Pass (14 Prozent) – rund 5,3 Millionen Menschen davon leben seit mindestens zehn Jahren in Deutschland.

Bundestag in Berlin
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Einbürgerung soll erleichtert werden.

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