19.05.2023, Japan, Hiroshima: Justin Trudeau (l-r), Premierminister von Kanada, Charles Michel, EU- Ratspräsident, US-Präsident Joe Biden, Emmanuel Macron, Präsident von Frankreich, Fumio Kishida, Premierminister von Japan, und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), gehen beim G7-Gipfel. Die Regierungschefs der G7 Staaten treffen sich im japanischen Hiroshima zu ihren jährlichen Beratungen. Foto: Michael Kappeler/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
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G7-Gipfel in Hiroshima - Friedenspark

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G7 bestehen auf vollständigen russischen Abzug aus Ukraine

Die sieben führenden demokratischen Wirtschaftsmächte haben Russland erneut eindringlich zu einem kompletten Rückzug seiner Truppen aus der Ukraine aufgefordert. Doch wie sieht es mit der Lieferung gewünschter Kampfjets aus?

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Die G7-Staats- und Regierungschefs bestehen auf einen "vollständigen und bedingungslosen Abzug" Russlands aus der Ukraine. In einer am Freitag veröffentlichten Gipfelerklärung zum Treffen im japanischen Hiroshima betonen die Staats- und Regierungschefs der sieben führenden westlichen Industriestaaten, dass sie die Ukraine auch finanziell im kommenden Jahr weiter unterstützen werden.

"Ein gerechter Frieden ist nicht möglich ohne den vollständigen und bedingungslosen Abzug der russischen Truppen und militärischer Ausrüstung. Dies muss in jedem Friedensaufruf enthalten sein", heißt es weiter. Damit treffen die G7 auch eine Vorfestlegung für die verschiedenen Friedensinitiativen, die derzeit von Brasilien, der Arabischen Liga bis zu China vorgebracht werden.

Biden stimmt F-16-Kampfjet-Schulung für Ukrainer zu

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sprach bisher stets nur davon, dass ein Rückzug russischer Truppen Voraussetzung für Friedensgespräche sei, ohne das Wort "vollständig" zu erwähnen. Westliche Regierungen hatten zuvor mehrfach betont, dass sie der Ukraine die Entscheidung überlassen wollen, wann sie in Friedensgespräche mit Russland einsteigen will.

An dem Ort, an dem 1945 die erste Atombombe abgeworfen wurde, erinnert die G7 in ihrer Erklärung Russland daran, dass schon die Drohung mit dem Einsatz von Atomwaffen nicht akzeptabel sei. Die Staats- und Regierungschefs bekräftigen auch ihre Bereitschaft, die Ukraine gemäß ihren Bedürfnissen weiterhin auch militärisch zu unterstützen. Konkreter werden sie allerdings nicht. Auf die Diskussion über die Lieferung von Kampfjets westlicher Bauart geht die Erklärung nicht ein.

Ohnehin solle darüber zu einem späteren Zeitpunkt entschieden werden, sagte ein hochrangiger US-Regierungsvertreter. US-Präsident Joe Biden habe jedoch während des Gipfels Plänen zugestimmt, ukrainische Piloten an F-16-Kampfjets aus amerikanischer Produktion zu schulen.

Weitere Sanktionen gegen Russland

Zudem wurden wie erwartet weitere Sanktionen gegen Russland verkündet. "Wir werden unsere Maßnahmen ausweiten, um sicherzustellen, dass die Ausfuhr aller für Russlands Aggression kritischen Güter einschließlich derjenigen, die von Russland auf dem Schlachtfeld verwendet werden, in allen unseren Zuständigkeitsbereichen eingeschränkt werden", heißt es.

Dies betreffe auch die Ausfuhr von Industriemaschinen, Werkzeugen und andere Technologie, die Russland zum Aufbau seiner Kriegsmaschinerie brauche. Genannt werden die Industrie, das Baugewerbe und das Transportwesen sowie Dienstleistungen. Mögliche Auswirkungen auf Drittländer sollen vermieden werden. Die G7 selbst können aber keine Sanktionen verhängen, sondern sie nur koordinieren.

Im Audio: G7-Gipfel: Die Arbeit beginnt

G7 Hiroshima - vor dem Veranstaltungsgelände in Japan.
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G7 Hiroshima - vor dem Veranstaltungsgelände in Japan.

Preisobergrenzen für Erdöl bleiben

Außerdem wollen die G7-Staaten weiterhin die Preisobergrenzen für russisches Erdöl und Erdölprodukte aufrechterhalten. Eine Umgehung dieses Preisdeckels soll verhindert werden - möglichst ohne Schäden für die globale Energieversorgung.

Auch die Einnahmen Russlands aus der Ausfuhr von Diamanten sollen verringert werden. So soll die Verwendung von in Russland geschürften, verarbeiteten oder hergestellten Diamanten eingeschränkt werden. Dazu wollen man mit anderen Staaten zusammenarbeiten, um eine wirksame Umsetzung zu erreichen und etwa durch Rückverfolgungstechnologien eine Umgehung der Sanktionen zu verhindern.

Auch Forderungen an die Ukraine

Auf sogenannte exterritoriale Strafen gegen Drittstaaten, über die Sanktionen umgangen werden, wird in der Erklärung verzichtet. Stattdessen wird betont, dass man mit solchen Staaten zusammenarbeiten und sie "ermutigen" wolle, Sanktionsumgehungen zu vermeiden.

Die G7 verurteilten erneut russischen Drohungen zum Einsatz von Atomwaffen und die Stationierung von Atomwaffen in Belarus. Zudem werden die "anhaltende Entschlossenheit und die Bemühungen" der ukrainischen Regierung zur Bekämpfung von Korruption gelobt. Nötig sei eine weitere Reformagenda, die eine verantwortungsvolle Staatsführung unterstützen und das Vertrauen der Investoren stärke. Insbesondere Reformen im Justizbereich und bei der Rechtsstaatlichkeit seien wichtig. Diese Reformen sind auch für einen EU-Beitritt der Ukraine wichtig.

Auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj wird am Wochenende zum G7-Gipfel erwartet. Zunächst weilt er überraschend in Saudi-Arabien, um dort als Gast am Gipfeltreffen der Arabischen Liga teilzunehmen. "Das Königreich Saudi-Arabien spielt eine wichtige Rolle und wir sind bereit, unsere Zusammenarbeit auf eine neue Ebene zu heben", twitterte Selenskyj kurz nach seiner Ankunft.

Rolle der Veto-Mächte wird hinterfragt

Neben der Ukraine geht es aber auch um die Interessen des sogenannten Südens. Schon vor dem Treffen hatte Kanzler Scholz seinen Partnern ins Stammbuch geschrieben, dass man sich "westlichen Doppelstandards" nicht mehr leisten könne. Damit zielte er etwa auf die USA: Denn eine Reform des UN-Sicherheitsrates, der immer noch die Struktur am Ende des Zweiten Weltkriegs abbildet, scheitert sowohl an den Vetomächten China und Russland, aber eben auch den Vereinigten Staaten.

Auf der anderen Seite gibt es seit Jahrzehnten eine Interessenübereinstimmung der Wirtschaftsnationen Deutschland und Japan mit den großen Schwellenländern Brasilien und Indien: Alle vier fordern endlich eine ihrem Status angemessene Vertretung etwa im UN-Sicherheitsrat. Und mit Südafrika, Nigeria oder Indonesien klopfen längst die nächsten wachsenden Staaten an die Tür des obersten UN-Gremiums - ohne dass die fünf Veto-Mächte im Sicherheitsrat sich irgendwie bewegen.

Ringen um Umgang mit China

Auch die Kritik an China ist beim Gipfel allgegenwärtig, obwohl die Diplomaten beteuern, ein Anti-China-Gipfel solle es nicht werden. "Unsere Politik gegenüber China muss sich ändern, weil China sich verändert hat", sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. "China ist im Inland repressiver und im Ausland forscher geworden, besonders in seiner Nachbarschaft."

Zugleich betonte von der Leyen, dass eine Abkopplung von China aus ihrer Sicht weder machbar noch im Interesse Europas sei. Deswegen sollte man zum einen die Kommunikationskanäle offen halten und mit China bei Themen wie Klimawandel, Pandemie-Vorsorge, Finanzstabilität und Nichtweiterverbreitung von Atomwaffen zusammenarbeiten. Zum anderen gehe es darum, die eigenen Verwundbarkeiten in den Wirtschaftsbeziehungen zu verringern.

Mit Informationen von Reuters und dpa

Im Video: G7 beraten in Japan über neue Sanktionen gegen Russland

Der G7-Gipfel: Die Staats- und Regierungschefs in Hiroshima
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Der G7-Gipfel: Die Staats- und Regierungschefs in Hiroshima

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