Ein Windrad wird abgebaut.
Bildrechte: picture alliance / Patrick Pleul/dpa-Zentralbild/ZB | Patrick Pleul

Rund 30.000 Windräder sind derzeit in Deutschland am Netz.

Per Mail sharen
Artikel mit Bild-InhaltenBildbeitrag

#Faktenfuchs: Wie lange bleiben Windräder am Netz?

Im Netz kursieren viele Fragen und Behauptungen zu Windrädern. Im ersten Artikel einer mehrteiligen Serie geht der #Faktenfuchs der Frage nach, wie lange Windräder am Netz sind und welche Schwierigkeiten es beim Rückbau gibt.

Dieser Artikel ist der erste einer #Faktenfuchs-Serie zur Windkraft. In den kommenden Wochen werden wöchentlich Faktenchecks zu Behauptungen rund um die Windkraft erscheinen.

1987 ging an der Nordseeküste Schleswig-Holsteins der erste Onshore-Windpark Deutschlands mit 30 Windrädern ans Netz. 35 Jahre später sind deutschlandweit rund 28.200 (Onshore-)Windenergieanlagen am Netz (Stand: März 2022), schreibt eine Sprecherin des Umweltbundesamts dem #Faktenfuchs. Zusätzlich stehen in der Nord- und Ostsee aktuell rund 1.500 (Offshore-)Windräder. Ein weiterer Offshore-Windpark ist derzeit im Bau, im zweiten Halbjahr 2022 werden voraussichtlich weitere Anlagen angeschlossen. Aber wie lange können Windräder in Betrieb bleiben? Und was passiert im Anschluss mit ihnen? Das interessiert viele im Netz.

Bildrechte: BR Grafik
Artikel mit Bild-InhaltenBildbeitrag

Tweet: "Wie lange hält eigentlich so ein Windrad? Die Entsorgung/das Recycling ist ja nach wie vor schwierig."

Wie lange kann ein Windrad in Betrieb bleiben?

Bei der Lebensdauer von Windrädern gibt es Unterschiede zwischen denen an Land und denen, die im Meer gebaut werden.

  • Onshore-Windenergieanlagen

Das Umweltbundesamt antwortet auf eine #Faktenfuchs-Anfrage, dass bei den Windenergieanlagen an Land "mit einer Nutzungsdauer von 20 Jahren zuzüglich des Inbetriebsnahmejahres" kalkuliert werde. Bei einigen neueren Anlagen gebe es die Tendenz, die Nutzungsdauer auf 25 Jahre auszulegen. Diese Nutzungsdauer orientiert sich an einer sogenannten Typenprüfung, die für jeden Typ Windrad durchgeführt wird, erklärt Dirk Sudhaus von der Fachagentur Windenergie im Interview mit dem #Faktenfuchs. Dafür werde getestet, wie lange eine Anlage - unter Annahme einer gewissen Windlast - stabil läuft. Dabei wird je nach Windradtyp in der Regel von 20 bis 25 Jahren ausgegangen.

"Bis 2017 wurden die Windenergieanlagen durchschnittlich 17 Jahre betrieben. Heute liegt das durchschnittliche Alter der Stilllegung bei 21 Jahren. Und das zeigt, dass Windenergieanlagen nach einer Prüfung meist weiterbetrieben werden können. Ganz einfach, weil sie in den 20 Jahren weniger belastet werden, als es prognostiziert wurde." Dirk Sudhaus, Fachagentur für Windenergie

Nach den 20 beziehungsweise 25 Jahren könne vor Ort eine ausgiebige Prüfung zum Weiterbetrieb der Anlage erfolgen. Grundsätzlich ist ein Weiterbetrieb der Windräder nach Ablauf der 20 oder 25 Jahre also möglich, schreibt auch das Umweltbundesamt.

  • Offshore-Windenergieanlagen

Offshore-Windenergieanlagen werden von vornherein gesetzlich befristet für 25 Jahre genehmigt. Es gibt die Möglichkeit einer einmaligen Verlängerung um höchstens zehn Jahre. Das Umweltbundesamt schreibt dem #Faktenfuchs, bei entsprechenden Wartungskonzepten sei eine Lebensdauer von 30 bis 35 Jahren denkbar. Da es die Windenergie im Meer in Deutschland erst seit 2010 gibt, werde der "Rückbau auf See" erst in den nächsten 10 bis 15 Jahren beginnen.

Gründe für den Abbau von Windrädern

Ein BR24-Nutzer fragt in einem Kommentar, wieso bestehende Windenergieanlagen abgebaut werden, wenn sie weiterhin Strom produzieren können.

Bildrechte: BR Grafik
Artikel mit Bild-InhaltenBildbeitrag

Kommentar unter einem BR24-Artikel: Warum werden bestehende Anlagen abgerissen?

Letztendlich entscheiden die Betreiber, wie lange sie ein Windrad am Netz lassen, natürlich unter Berücksichtigung der entsprechenden Prüfungen. Dabei ziehen sie unter anderem Faktoren wie den technischen Zustand der Anlage, die Marktbedingungen für Stromerlöse oder auch die Möglichkeit eines Repowerings in Betracht, schreibt das Umweltbundesamt dem #Faktenfuchs. Unter dem sogenannten "Repowering" versteht man den Ersatz alter Windräder durch "Anlagen neuester Bauart", erklärt Dirk Sudhaus von der Fachagentur Windenergie im Telefoninterview. Neuere, modernere Anlagen können mehr Leistung erbringen als ältere und sind daher wirtschaftlicher. Oft würden die alten Anlagen dann jedoch verkauft und "in anderen Ländern wieder aufgebaut, wo sich die Windenergie erst neu etabliert hat".

Die Rolle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG)

Als ein weiterer Grund für die Stilllegung von funktionsfähigen Windenergieanlagen wird häufig das Ende der Förderung durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) genannt. Im Jahr 2000 beschloss die damalige rot-grüne Bundesregierung mit dem EEG die Förderung von Öko-Strom. Für eine Laufzeit von 20 Jahren erhielten Betreiber von erneuerbaren Energien-Anlagen - wie auch Windrädern - einen staatlichen Zuschuss. Für viele Windräder ist dieser Zuschuss vor kurzem abgelaufen, weitere werden folgen: Bis 2025 sind 11.800 Windenergieanlagen vom Ende der Förderung betroffen, schreibt eine Sprecherin des Umweltbundesamts dem #Faktenfuchs. Das Ende der Zuschüsse bedeutet, dass die Betreiber ihren Strom zu Marktpreisen - ohne den lukrativen Zuschuss - verkaufen müssen. Vor allem für ältere Anlagen, die weniger Strom produzieren können, lohnt sich der Betrieb dann möglicherweise nicht mehr.

Experten rechneten noch im vergangenen Jahr damit, dass aufgrund der ausgelaufenen Förderung in naher Zukunft sehr viele Windräder abgebaut werden könnten. Allerdings sind die Strompreise derzeit, auch durch den Krieg in der Ukraine, "durch die Decke gegangen", wie Dirk Sudhaus von der Fachagentur Windenergie betont.

"Wir haben schon im letzten Quartal des vergangenen Jahres gesehen, dass die Strompreise angestiegen sind und sich ein Weiterbetrieb durchaus lohnen könnte. Und gerade jetzt, seitdem der Krieg in der Ukraine angefangen hat und die Strompreise nochmal deutlich an der Börse gestiegen sind, ist der Betrieb ohne EEG-Förderung finanziell durchaus sehr gut darstellbar." Dirk Sudhaus, Fachagentur für Windenergie

Es sei daher zurzeit schwer zu prognostizieren, wie viele Windräder tatsächlich nach Auslauf der EEG-Förderung abgebaut werden.

Recycling von Windrädern

Immer wieder erreichten den #Faktenfuchs auf unterschiedlichen Wegen Behauptungen zum Recycling von Windenergieanlagen. Was passiert mit den Bestandteilen, wenn alte Anlagen abgebaut werden - ob nun, um Platz für neuere Anlagen zu machen, oder weil sie komplett vom Netz genommen werden?

Auch nach der Stilllegung einer Windenergieanlage liegt die Verantwortung beim Betreiber. Das Windrad müsse dann zurückgebaut werden, so Dirk Sudhaus. Der Zeitraum, in dem das passieren muss, werde schon in der Genehmigung festgelegt, zusätzlich würden sogenannte Rückbaubürgschaften von den Betreibern eingefordert. So solle sichergestellt werden, dass die Abbaukosten nach der Stilllegung zur Verfügung stehen. Möglicherweise müssten die Rücklagen dafür aber gar nicht angetastet werden, ergänzt Sudhaus, da der Schrottwert der Anlagen, die zum Großteil aus Stahl, aber auch aus Kupfer bestehen, so hoch sei, dass man die Bestandteile gut verkaufen könne.

Bleibt das Betonfundament im Boden?

Bildrechte: BR Grafik
Artikel mit Bild-InhaltenBildbeitrag

Tweet: Wie werden die demontierten Windräder entsorgt?

Bildrechte: BR Grafik
Artikel mit Bild-InhaltenBildbeitrag

Tweet: Aus "Kostengründen" lässt man das Betonfundament im Boden und vergräbt die Flügel, weil Recycling zu teuer."

Im Netz kursieren Behauptungen zum Betonfundament, welches für den Bau einer Windenergieanlage in den Boden eingelassen wird. Dabei geht es um die Frage, ob dieses nach dem Rückbau des Windrads im Boden bleibt. Seit 2004 müssen Betreiber laut dem Baugesetzbuch eine Verpflichtungserklärung über den vollständigen Rückbau des Windrads abgeben, diese schließt auch Bodenversiegelungen - also das Betonfundament - ein. Die Rückbauverpflichtung bestehe nicht direkt gesetzlich, sondern erst durch die Selbstverpflichtungserklärung, erklärt Dirk Sudhaus. Der Rückbau könne durchgesetzt werden, da die Selbstverpflichtungserklärung Voraussetzung für die Genehmigung eines Windrads sei. Eine Ausnahme gibt es laut Sudhaus, wenn die Gefahr für den Boden durch das Entfernen des vollständigen Betonfundaments größer ist, als wenn man das Fundament lediglich abschneidet. Das müsse im Einzelfall geprüft werden. Im Anschluss an die Entfernung könne der Beton als Schüttgut für den Straßen-und Wegebau genutzt werden, so Sudhaus.

Auch wenn die Regelung mit der Verpflichtungserklärung das Betonfundament eindeutig einschließt, gab es in der Vergangenheit andere Auslegungen: 2018 ergab eine NDR-Recherche, dass in einigen Landkreisen in Norddeutschland Teile des Betonfundaments beim Rückbau im Boden blieben. Dort war man der Ansicht, dass der Rückbau erfolgt ist, wenn die "Bodeneigenschaften weitgehend wieder hergestellt sind" und wieder landwirtschaftlich gewirtschaftet werden kann. Dafür reiche die Entfernung des Betons bis einen Meter unter der Geländeoberkante, sagte damals ein Pressesprecher des Landesamtes für Landwirtschaft in Schleswig-Holstein.

Werden die Flügel vergraben?

Eine besondere Herausforderung für das Recycling von Windrädern stellen die sogenannten Rotorblätter - also die Flügel - dar. Denn diese bestehen aus einem Materialmix, der nicht so leicht zu trennen ist, erklärt Dirk Sudhaus im #Faktenfuchs-Interview. Dazu gehören unter anderem Glas- oder Carbonfasern und Kunstharz zum Verkleben. Auch wenn es Recyclingmethoden für diese Stoffe gibt, ist der Prozess bei den Rotorblättern kompliziert und nicht sehr lohnend, erzählt Sudhaus. Denn die Produkte, die daraus entstehen, seien nicht sonderlich wertvoll. So könne man beispielsweise aus den Glasfasern einen Zusatzstoff für Zement herstellen. Es gebe aber "eine ganze Menge Forschung, wie man Rotorblätter besser recyceln kann" oder sie sogar bereits so baut, dass sie besser zu recyceln sind.

Entgegen der Behauptungen dürfen Rotorblätter in Deutschland nicht im Boden vergraben werden, diese Praxis sei "eindeutig nicht zulässig", schreibt eine Sprecherin des Umweltbundesamts. In einem Bericht des Umweltbundesamts von 2019 ist allerdings davon die Rede, dass das "Vergraben von ganzen Rotorblättern in Einzelfällen praktiziert worden sei". Das habe daran gelegen, dass die Behörden teilweise keine Dokumentation der Entsorgung eingefordert hätten. Meist funktioniere der Dokumentationsprozess über die Entsorgung aber gut, heißt es im Bericht. Fotos von vergrabenen Rotorblättern, die im Netz kursieren, stammen aus den USA.

Fazit

Onshore-Windräder haben eine ungefähre Lebensdauer von 20 bis 25 Jahren, sie können bei entsprechender Wartung jedoch auch wesentlich länger betrieben werden. Teilweise werden funktionsfähige Windräder für das sogenannte Repowering abgebaut und durch leistungsstärkere Anlagen ersetzt. Einige Anlagen werden nach dem Abbau ins Ausland verkauft, ein großer Teil lässt sich unkompliziert recyceln - der Schrottwert ist dabei teilweise hoch genug, um die Kosten des Abbaus auszugleichen.

Seit 2004 müssen Betreiber eine Verpflichtungserklärung abgeben: Diese sieht vor, dass die Betonfundamente im Boden komplett entfernt werden, es sei denn, der Eingriff schadet dem Boden mehr, als er ihm nützt. Die Rotorblätter eines Windrads bestehen aus einem komplexen Materialverbund und sind schwierig zu recyceln. Aus ihnen kann ein Zusatzstoff für Zement hergestellt werden. Es gibt allerdings Forschung dazu, wie man die vorhandenen Rotorblätter besser recyceln kann. Die Praxis, die Flügel im Boden zu vergraben, ist in Deutschland nicht zulässig.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!