Polizisten und Bahn-Mitarbeiter betrachten am 14. Juni 2022 Schotterbett und Gleise an der Unfallstelle in Burgrain.
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Polizisten und Bahn-Mitarbeiter betrachten am 14. Juni 2022 Schotterbett und Gleise an der Unfallstelle in Burgrain.

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Nach Zugunglück: Dokument legt Verdacht zur Unfallursache nahe

Fünf Menschen sind bei einem Zugunglück in Burgrain bei Garmisch-Partenkirchen am 3. Juni gestorben. Noch immer ist nicht klar, was die Ursache für das Unglück war. Eine Bundestagsdrucksache, die dem BR vorliegt, weckt nun einen Verdacht.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Oberbayern am .

Hat ein Bahn-Mitarbeiter einen Fehler gemacht? War ein Waggon defekt, oder waren die Gleise nicht in Ordnung? Bei dem Zugunglück am 3. Juni in Burgrain bei Garmisch-Partenkirchen sind fünf Menschen gestorben. Noch immer ist nicht klar, was die Ursache für dieses Unglück war. Vieles ist bisher Spekulation, doch nun kristallisiert sich ein Verdacht heraus.

Spielten vorgeschädigte Betonschwellen beim Unglück eine Rolle?

Eine Bundestagsdrucksache, die dem BR vorliegt und die sich mit der Ursache des Zugunglücks beschäftigt, spricht von einer Schienenverschiebung, deren Grund "horizontale Brüche in den Betonschwellen" an der Unglücksstelle gewesen seien, und weiter von "zum Teil vorgeschädigten Betonschwellen". Diese haben dem Dokument zufolge vermutlich dazu geführt, dass es "zu einer unzulässigen Spurerweiterung und dem Verlust der Spurführung" kam.

Das legt den Verdacht nahe, dass Schäden an Betonschwellen für das Unglück zumindest mitverantwortlich gewesen sein könnten. Das verantwortliche Unternehmen DB Netz hat zu dieser Vermutung keine Stellung genommen.

Schäden im Gleisbett könnten das schwere Zugunglück in Burgrain verursacht haben. Der Vorsitzende der Eisenbahngewerkschaft EVG, Burkert, sagt im BR24-Interview, seit Jahrzehnten seien zu wenig Mittel in die Sanierung des Schienennetzes geflossen.
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Schäden im Gleisbett könnten das schwere Zugunglück in Burgrain verursacht haben. Der Vorsitzende der Eisenbahngewerkschaft EVG im BR24-Interview

Nach dem Unglück sehr viel mehr Langsamfahrstellen

Klar ist: Das Streckennetz der Deutschen Bahn ist in schlechtem Zustand. An vielen Stellen in Oberbayern dürfen die Züge deshalb nur sehr langsam fahren. Solche Langsamfahrstellen sind meist einige Hundert Meter lange Strecken, auf denen die Züge zum Teil bis auf 20 Stundenkilometer abbremsen müssen. Sie können verschiedene Gründe haben, zum Beispiel marode Brücken, Baustellen oder Mäharbeiten.

Gefahr durch sogenannte Oberbauschäden

Ein weiterer Grund für Langsamfahrstellen sind sogenannte Oberbauschäden. Der Oberbau bezeichnet Schienen, Schwellen und Schotter. Langsamfahrstellen wegen Oberbauschäden gibt es nun plötzlich viele, besonders im Alpenvorland. Ein internes Dokument der Bahn listet alle Langsamfahrstellen in Süddeutschland auf, die am 22. Juni gültig waren, also vor einer Woche. Wegen Oberbauschäden gibt es derzeit knapp 20 Langsamfahrstellen in Oberbayern – und bis auf drei sind alle in den zwei Wochen nach dem Zugunglück in Burgrain eingerichtet worden. Davon allein fünf auf der Strecke München–Garmisch–Mittenwald. Ebenfalls betroffen sind unter anderem die Strecken von München nach Rosenheim und Freilassing, nach Mühldorf und nach Lenggries sowie die Strecke Dachau–Altomünster.

Endgültige Klarheit zur Unfallursache soll die Bundesstelle für Eisenbahnunfalluntersuchung schaffen. Diese hat aber noch keinen Bericht zu dem Unglück veröffentlicht.

Die Überreste des Zugs nach dem Unglück im Juni bei Burgrain.
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Die Überreste des Zugs nach dem Unglück im Juni bei Burgrain.

Pro Bahn: Strukturelle Probleme bei Deutscher Bahn

Norbert Moy, der oberbayerische Pro-Bahn-Vorsitzende, zeigte sich überrascht, dass die Betonschwellen auf der Zugstrecke ein Problem sind. Denn Betonschwellen seien ein Indiz dafür, dass die Strecke vor nicht all zu langer Zeit saniert worden sei, sagte Moy. "Fest steht allerdings: Wir haben an vielen Stellen im Streckennetz, gerade im regionalen, doch erhebliche Mängel, die wir als Fahrgäste seit Jahren eigentlich immer wieder zu spüren bekommen – durch Langsamfahrstellen, durch Streckensperrungen. Für uns ist das eigentlich keine neue Botschaft." Moy warf der Politik vor, lieber in die Straße zu investieren – dafür sei das Loisachtal ein gutes Beispiel.

Grünen-Politiker: Langsamfahrstellen keine Dauerlösung

Deutlich äußerte sich Markus Büchler, Landtagsabgeordneter und Bahnexperte der Grünen: "Die Langsamfahrstellen sprießen gerade in Südbayern wie Schwammerl aus dem Boden." Ein Zusammenhang zu dem Unfall liege nahe, so der Politiker. Das Schienennetz in Deutschland und in Bayern sei seit Langem marode und werde aufgrund der niedrigen Investitionen durch den Bund immer "bröckeliger und bröseliger", betonte Büchler. Sollten sich kaputte Bahnschwellen als Ursache für das Unglück herausstellen, dann habe man bundesweit ein riesengroßes Problem, sagte Büchler dem Bayerischen Rundfunk. "Dann müssen wir sehr schnell sehr viel mehr Geld bereitstellen, um Eisenbahnstrecken zu modernisieren und zu erneuern." Kurzfristig könne man zwar mit einer Langsamfahrstelle eine mögliche Gefahr entschärfen, jedoch seien sie keine Dauerlösung. "Denn damit haut's ja alle Fahrpläne durcheinander."

SPD-Mann von Brunn: Investieren, um Leben zu retten

Das bayerische Bahnnetz sei in einem wirklich schlechten Zustand, sagte auch Bayerns SPD-Vorsitzender Florian von Brunn dem Bayerischen Rundfunk. Das sehe sicher auch in anderen Bundesländern so aus: "Das liegt sicher an einer jahrelangen Vernachlässigung der Bahn", so von Brunn. "Insbesondere der letzte Verkehrsminister hat sich um die Maut, ums Auto gekümmert – aber nicht um die Bahn." Es sei dringend notwendig jetzt zu investieren, um Menschenleben zu retten.

Schäden im Gleisbett könnten das Zugunglück in Burgrain verursacht haben. Deshalb fordert Bayerns Verkehrsminister Bernreiter, CSU, von Bund und Bahn mehr Geld für das Schienennetz.
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Schäden im Gleisbett könnten das Zugunglück in Burgrain verursacht haben.

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