Extremismusforscher Prof. Peter Neumann.
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Extremismusforscher Neumann warnt vor AfD-Verbotsverfahren

Der Extremismusforscher Peter Neumann hält ein Parteiverbotsverfahren eher förderlich als schädlich für die AfD. In einem Interview mit BR24 unterstrich er die Langwierigkeit solcher Verfahren und die Unsicherheit über deren Ausgang.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Ein Parteiverbotsverfahren würde der AfD nach Ansicht des Extremismusforschers Peter Neumann vom Kings College in London eher nutzen als schaden. Ein solches Verfahren dauere lang, der Ausgang sei ungewiss. In dieser Phase könne die AfD geschickt das Bild des Opfers generieren und weitere Wählerstimmen sammeln, indem sie verkünde: "Das ist die letzte Chance, uns zu wählen", äußerte Neumann in einem Gespräch mit BR24 im BR Fernsehen.

Das Wochenende zeige eindrucksvoll, dass Hunderttausende Menschen deutschlandweit gegen Rechtsextremismus demonstrierten, was die reibungslose Funktionsweise der Demokratie unterstreiche, betonte Neumann.

Neumann: 50 Prozent wählen AfD aus Protest

Genauso wichtig sei aber, dass die Politik Handlungsfähigkeit beweise. Es sei entscheidend, Themen wie Migration so anzugehen, dass die Menschen nicht den Eindruck hätten, dass Politik nur für einige Wenige gemacht werde, erklärte Neumann. Wenn Themen nicht angemessen adressiert würden, könne dies dazu führen, dass die Menschen sich der AfD zuwenden. Er sagte, dass 50 Prozent der AfD-Wähler Protestwähler seien.

Forscher: AfD radikalisiert sich immer mehr

Das kürzlich bekannt gewordene Geheimtreffen Rechtsextremer mit AfD-Politikern in Potsdam stufte der Extremismusforscher als "gefährlich" ein. Pläne, Menschen aus dem Land zu treiben, zirkulierten in diesen Kreisen zwar seit Jahren, aber das Treffen zeige, "wie Mainstream" diese Art von Idee in der AfD nun geworden sei und wie stark sie sich in der Partei verankere.

Die AfD radikalisiere sich seit Jahren immer mehr. Sie sei "extremer denn je". Vor zehn Jahren sei so etwas noch nicht für möglich gehalten worden, betonte CDU-Mitglied Neumann, der 2021 zum Wahlkampfteam von Kanzlerkandidat Armin Laschet gehörte.

Den Vergleich des Geheimtreffens mit der Wannseekonferenz am 20. Januar 1942 nannte Neumann aber "problematisch". Im Gegensatz zur heutigen Situation hätten an der Wannseekonferenz Menschen teilgenommen, die in Machtpositionen waren und die "systematische Ermordung" der europäischen Juden geplant hätten. Dieser Vergleich könne als Warnung vor dem, was möglich sei, verstanden werden. Dennoch sei das aber "nicht das gleiche Level".

Debatte über AfD-Verbot in vollem Gange

Seit dem Bekanntwerden des Geheimtreffens von Potsdam ist die Diskussion über ein AfD-Verbot in vollem Gange. Die Meinungen in der Politik gehen auseinander: Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther von der CDU etwa ist dafür, sein Partei-Chef Friedrich Merz sagt: Ein Verbotsverfahren würde Jahre dauern und die AfD nur "in ihrer Märtyrerrolle" bestärken.

Hans-Jürgen Papier, ehemaliger Präsident des Bundesverfassungsgerichts, hält einen AfD-Verbotsantrag für falsch. Dieser würde "der AfD nur in die Hände spielen". Wer die AfD verbieten will, pusht die AfD – so sieht es auch Steffen Kailitz vom Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung im BR24-Interview für "Possoch klärt" (Video unten): "Wir leben in einem Prozess der Polarisierung der Gesellschaft, und wenn nun ein Parteiverbotsverfahren gegen die AfD angestrebt wird, dann wird das entsprechend zu Mobilisierungseffekten führen, und damit muss man natürlich schon im Vorfeld rechnen."

Im Video: Wäre ein AfD-Verbot überhaupt sinnvoll? Possoch klärt!

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