Bundeswehr-Soldaten machen auf einem Flugplatz in Rumänien einen Eurofighter startklar. Saudi-Arabien könnte weitere solcher Maschinen erhalten. Die Bundesregierung will von ihrer bisherigen Haltung zu Exporten in das Land abrücken.
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Bundeswehr-Soldaten machen auf einem Flugplatz in Rumänien einen Eurofighter startklar. Saudi-Arabien könnte weitere solcher Maschinen erhalten.

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Was steckt hinter Kehrtwende bei Eurofightern für Saudi-Arabien?

Wirtschaftsminister Robert Habeck bereist in dieser Woche den Nahen Osten. In Saudi-Arabien dürfte es in Gesprächen auch um den Export von Eurofighter-Kampfflugzeugen gehen. In dieser Frage vollzieht die Bundesregierung eine Kehrtwende.

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Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) ist unterwegs im Nahen Osten. Er holt eine Reise nach, die er vor Weihnachten absagen musste. Bei seinem heutigen Besuch in Saudi-Arabien dürfte es auch um den Export von Kampfflugzeugen vom Typ Eurofighter gehen. Die Bundesregierung hatte in den vergangenen Tagen signalisiert, grünes Licht dafür zu geben.

Die Ampelkoalition habe damit ihrer bislang zurückhaltende Position aufgegeben, obgleich die eigentliche Genehmigung noch aussteht, meint der Politikwissenschaftler Max Mutschler. Er arbeitet am International Center for Conflict Studies in Bonn (BICC) und beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit Waffenexporten. Lieferungen nach Saudi-Arabien sieht er kritisch. Das Land habe "massiv" gegen humanitäres Völkerrecht verstoßen. Dies könne jederzeit wieder passieren, mahnt Mutschler im Gespräch mit dem BR. Er vermisst eine eindeutige Strategie der Bundesregierung.

Worum geht es bei dem Kurswechsel?

Die Bundesregierung hatte derartige Lieferungen noch im Koalitionsvertrag von 2021 ausgeschlossen, weil Saudi-Arabien am Jemen-Krieg beteiligt ist. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte zudem noch im letzten Jahr am Rande des Nato-Gipfels in Vilnius erklärt, dass in absehbarer Zeit keine Entscheidung über die Lieferung von Eurofighter-Kampfjets an Saudi-Arabien anstünde.

Im Jemen kämpft Saudi-Arabien gemeinsam mit einer Militärallianz seit 2015 unter anderem gegen die vom Iran unterstützen Huthi-Rebellen. Diese hatten das Land zuvor in einen Bürgerkrieg gestürzt. Der Krieg gilt Beobachtern als Stellvertreterkrieg, in dem Saudi-Arabien versucht, iranischen Einfluss zurückzudrängen.

Im Rahmen der saudisch-geführten Militärintervention wurden wiederholt zivile Einrichtungen im Land bombardiert. Rund 380.000 Menschen wurden seit 2015 getötet, die meisten Menschen starben nach Angaben der Menschenrechtsorganisation "Save the children" an den Folgen des Kriegs wie Hunger und Krankheiten. Fast 22 Millionen Menschen sind laut UN-Angaben auf humanitäre Hilfe angewiesen. Das entspricht etwa zwei Dritteln der jemenitischen Bevölkerung. Mehr als 4,5 Millionen Menschen sind den Angaben zufolge Flüchtlinge im eigenen Land. Durch eine Seeblockade wurde die Lage zusätzlich verschärft. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International kritisierte unter anderem, die Blockade solle Waffenlieferungen an die Rebellen verhindern, treffe aber Zivilisten.

Die Militärintervention unter Führung Saudi-Arabiens gilt bis heute als militärisch erfolglos. Zwar sind die Kämpfe zuletzt abgeflaut, die Lage könne jederzeit wieder eskalieren. Ein nachhaltiger Friede sei in weiter Ferne, mahnt Politikwissenschaftler Mutschler.

Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) argumentiert bei ihrer jüngsten Visite in Israel, angesichts der Krieges zwischen Israel und der Hamas stabilisiere Saudi-Arabien die Region. Zudem trage das saudische Königshaus zu Israels Sicherheit bei, weil es Raketenangriffe von Huthi-Rebellen aus dem Jemen abwehre. Saudi-Arabien hatte sich Israel zuletzt deutlich angenähert, besteht aber auf einer klar vereinbarten politischen Perspektive für die Gründung eines palästinensischen Staates. Rückendeckung erhielt die Bundesaußenministerin vom Bundeskanzler.

Worum geht es bei den Lieferungen?

Großbritannien erwägt Berichten zufolge, sich auf eine Ausschreibung Saudi-Arabiens für den Kauf neuer Kampfjets zu bewerben. Demnach soll es um 48 Maschinen gehen. Weil das Kampfflugzeug im Rahmen eines Gemeinschaftsprojektes produziert wird, hat Deutschland ein Mitspracherecht bei Exporten. Beteiligt sind außerdem Spanien und Italien. Alle vier Entwicklerländer nutzen den Eurofighter auch selbst. London dürfte sich von der Lieferung weiteren Einfluss in der Region versprechen. Das Land drängt seit mehreren Jahren auf diese Lieferung und unterstützt die Militärkoalition gegen die Huthi-Rebellen.

Wer muss Lieferung genehmigen?

Für die entscheidende Genehmigung von Rüstungsexporten ist der sogenannte Bundessicherheitsrat zuständig. Diesem vertraulich tagenden Gremium gehören der Bundeskanzler, die Außenministerin, der Verteidigungs-, der Finanzminister sowie weitere Ministerinnen und Minister an.

Während der Kanzlerschaft von Angela Merkel hatte die Bundesregierung Exporten nach Saudi-Arabien mehrfach zugestimmt. Medienberichten zufolge verfügt das Land auch bereits über rund 70 Eurofighter. 2018 wurde ein weitreichender Exportstopp durchgesetzt. Grund war damals der mutmaßliche Auftragsmord am regierungskritischen Journalisten Jamal Khashoggi im saudischen Generalkonsulat in Istanbul.

Wie sind Waffenexporte geregelt?

Waffenexporte in sogenannte Drittländer sind nach deutschem Recht möglich. Damit sind Staaten wie Saudi-Arabien gemeint, die weder der EU noch der Nato angehören oder als gleichgestellt betrachtet werden.

Der offiziellen Haltung der Bundesrepublik zufolge müssen derartige Exporte aber dem sicherheitspolitischen Interesse Deutschlands dienen. Für sie gelten somit strengere Vorgaben als für Lieferungen an Nato-Staaten. In Bürgerkriegsländer darf nicht geliefert werden. Außerdem soll vertraglich sichergestellt werden, dass Waffen nicht weiterverkauft werden.

Wiederholt sind deutsche Regierungen in der Vergangenheit dafür kritisiert worden, die Regelungen nicht konsequent genug umzusetzen. Rüstungsexporte als Mittel der deutschen Sicherheitspolitik gelten als umstritten, was auch die Auseinandersetzung innerhalb der Ampelparteien erklärt – zumal diese Rüstungsexporte neu regeln wollen.

Wie werden die Überlegungen bewertet?

Politikwissenschaftler Max Mutschler nennt es "frappierend", dass Saudi-Arabien möglicherweise Eurofighter erhalten könnte, die Ukraine aber nach wie vor keine Marschflugkörper vom Typ "Taurus" erhalte: "Es ist nicht stimmig zu sagen, die Ukraine ist unser Partner, bekommt die Marschflugkörper aber nicht, und dann über Eurofighter-Lieferungen an Saudi-Arabien nachzudenken. Die Ukraine gilt uns als demokratisches Land, das wir unterstützen."

Der verteidigungspolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Florian Hahn (CSU), verurteilt in einer Stellungnahme die bisherige Zurückhaltung der Bundesregierung hinsichtlich der britischen Lieferabsichten: "Die selbst auferlegten Exportrestriktionen halten der Realität nicht stand. Sie werden zunehmend zum Bremsklotz und damit auch zum Jobkiller. Deutschland war zu lange Sand im Getriebe gemeinsamer europäischer Rüstungsprojekte. Wir sollten nicht so tun, als seien wir moralischer als andere. Damit muss Schluss sein."

Die sicherheitspolitische Sprecherin der Grünen im Deutschen Bundestag, Sara Nanni, erwartet laut Angaben des "Spiegel", dass die Bundesregierung bei ihrer ablehnenden Haltung bleibt. Parteichefin Ricarda Lang bezeichnet die Überlegungen in einem Interview mit dem RBB mit Blick auf die Menschenrechts-Situation in Saudi-Arabien als falsch, auch wenn sich die Lage seit dem Angriff der Hamas auf Israel verändert habe. Die Bundestagsabgeordnete Sevim Dagdelen (ehemals Die Linke, jetzt Bündnis Sahra Wagenknecht) sprach von "massivem Wahlbetrug". Sie bezog sich damit offenbar auf den Koalitionsvertrag der Ampelparteien.

Die Industrie hingegen dürfte sich angesichts der Entwicklungen Hoffnungen machen. Seitens der IG-Metall und aus Kreisen der Eurofighter-Hersteller-Firma Airbus waren zuletzt Rufe nach Produktionsaufträgen laut geworden. Zwar profitiert Airbus durch Bestellungen von speziellen Eurofightern für die elektronische Kampfführung vom Sondervermögen Bundeswehr, gewünscht wird aber mehr: Konkret die Perspektive, eine neue Generation des Flugzeuges zu entwickeln. Vertreter von Konzern und Gewerkschaft argumentieren, dass sich nur so Standorte und Kompetenzen langfristig sichern ließen.

Die Position der Industrie ist auch Thema im Dossier Politik "Die Bundeswehr kriegstüchtig machen: Was heißt das und müssen wir es wirklich tun?". Den Podcast gibt es hier.

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