Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD)
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EU-Flüchtlingspolitik: Faeser sieht "historisches Momentum"

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EU-Flüchtlingspolitik: Faeser sieht "historisches Momentum"

Seit der Flüchtlingskrise 2015 ist es der EU nicht gelungen, sich auf eine Reform des Asylsystems zu einigen. Bundesinnenministerin Faeser sieht nun die Chance, dass Europa hier gemeinsam vorankommt. Das Ziel: Asylverfahren an den EU-Außengrenzen.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Deutschland will sich nach Angaben von Bundesinnenministerin Nancy Faeser für Asylverfahren an den EU-Außengrenzen einsetzen. Darauf habe sich die Ampel-Koalition geeinigt, sagte die SPD-Politikerin am Sonntag im ARD-"Bericht aus Berlin". Es gehe darum, dass "an den Grenzen schon Asylverfahren stattfinden können", sagte Faeser. "Das heißt, dass bereits dort die Registrierung und Erfassung und Identifizierung der Geflüchteten stattfinden wird."

Im Zuge eines "Ausgleichs" innerhalb der EU sei dann die "Solidarität der anderen Staaten" gefragt. Wer die Voraussetzungen für Asyl erfülle, müsse dann auch aufgenommen werden.

Faeser sieht "historisches Momentum" für Asylverfahren

Die Bundesinnenministerin sieht die Chance, dass Europa gemeinsam bei der Asylpolitik vorankommt. "Wir sehen jetzt ein historisches Momentum, dass wir mit anderen europäischen Staaten es schaffen können, ein gemeinsames Asylsystem auf den Weg zu bringen, wo an den Grenzen die Asylverfahren stattfinden", sagte Faeser. Deutschland arbeite dabei mit Frankreich, Italien, Spanien, Schweden und Belgien zusammen.

Momentan sei man im Gespräch mit den anderen Staaten, wie lange solche Verfahren dauern könnten. Wahrscheinlich gehe es um zwölf Wochen. "Ich glaube, dass es unglaublich wichtig ist, die Registrierung, die Identifizierung bereits zum frühestmöglichen Zeitpunkt durchzuführen, damit wir eben auch offene Grenzen in Europa nach wie vor haben können", sagte Faeser.

Länder wollen Liste "sicherer Herkunftsstaaten" erweitern

Vor dem geplanten Flüchtlingsgipfel am 10. Mai im Kanzleramt in Berlin sprechen sich unterdessen einige Ministerpräsidenten von CDU und SPD für eine Ausweitung der Liste sicherer Herkunftsstaaten aus. Dies würde aus Sicht von Hamburgs Erstem Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) die Asylverfahren beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sowie bei den Verwaltungsgerichten beschleunigen sowie Länder und Kommunen entlasten, wie ein Senatssprecher der "Welt" sagte.

Denkbar wären demnach "insbesondere Länder wie Georgien, Marokko, Algerien, Tunesien und Indien, die eine Vielzahl von Asylverfahren mit einer äußerst niedrigen Schutzquote aufweisen". Davon unberührt würde der individuelle Anspruch auf Einzelfallprüfung im Asylverfahren bestehen bleiben.

Länder mit "minimaler Anerkennungsquote"

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) hält "eine Einstufung von Georgien, Marokko, Algerien und Tunesien als sichere Herkunftsstaaten für dringend geboten". Bei diesen vier Ländern gebe es lediglich eine "minimale Anerkennungsquote". Es gebe ein akutes Problem: "Das bestätigen alle Bürgermeister und alle Landräte in Deutschland über Parteigrenzen hinweg."

Zwei Flüchtlingsgipfel habe man "ohne Ergebnis" erlebt. "So kann das nicht weitergehen. Um auch im Bundesrat weiterzukommen, braucht es den Druck aus Berlin", forderte Kretschmer.

Am 10. Mai ist der kommende Flüchtlingsgipfel der Bundesregierung geplant. Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) sagte, es sei "die Aufgabe der Grünen, der SPD und der Liberalen auf Bundesebene, dafür zu sorgen, dass über veraltete und nicht mehr in die Zeit passende Positionen neu diskutiert wird".

Herrmann fordert Abkommen mit afrikanischen Herkunftsländern

Auch Bayerns Innenminister Joachim Herrmann plädiert für Abkommen mit den Herkunftsländern, etwa in Afrika. Der CSU-Politiker geht davon aus, dass immer mehr flüchtende Menschen nach Deutschland kommen werden. Etwa die Hälfte der Schutzsuchenden erhalte einen negativen Bescheid und müsste eigentlich abgeschoben werden, sagte Herrmann in der BR-Sendung "Sonntags-Stammtisch". Das aber, so kritisierte er, funktioniere oft nicht.

Durch Abkommen hingegen könne verhindert werden, dass sich nicht-asylberechtigte Flüchtlinge auf die Reise nach Europa machten. "Dann ist klar, wer in ein Boot steigt, hat in Europa nichts verloren", so Herrmann.

Zum Artikel: "Herrmann rechnet 2023 mit hohen Flüchtlingszahlen"

Der Bayerische Innenminister Joachim Herrmann
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Der Bayerische Innenminister Joachim Herrmann will abgelehnten Asylbewerbern, die integriert sind und Arbeit haben, ein Bleiberecht ermöglichen.

Menschenrechtslage in Nordafrika äußerst schlecht

Die Menschenrechtslage in mehreren nordafrikanischen Staaten wie Algerien, Marokko und Tunesien ist allerdings denkbar schlecht – besonders Journalisten landen wegen der Ausübung ihrer Arbeit immer wieder hinter Gittern – gleiches gilt für Oppositionspolitiker. Frauen und Mädchen werden in Nordafrika weiterhin durch Gesetze und im täglichen Leben diskriminiert, heißt es im "Regionalkapitel Naher Osten und Nordafrika 2022" von Amnesty International.

Schwere Menschenrechtsverletzungen würden in diesen Ländern zudem nicht strafrechtlich verfolgt. "Überall im Nahen Osten und in Nordafrika wurden lesbische, schwule, bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche Menschen (LGBTI*) wegen ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität festgenommen und strafrechtlich verfolgt", heißt es in dem im März 2023 erschienenen Bericht.

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