Verteidigungsminister Boris Pistorius bei einem Besuch in Kiew am 7.2.2023
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Ein Jahr im Amt: Was hat Pistorius bis jetzt geschafft?

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Ein Jahr im Amt: Was hat Pistorius bis jetzt geschafft?

Vor einem Jahr hat Boris Pistorius den Amtseid abgelegt. Waffenhilfe für die Ukraine, Nato-Verpflichtungen, Modernisierung der Bundeswehr: Als Verteidigungsminister steht er vor gewaltigen Aufgaben und in Umfragen an der Spitze der Beliebtheitsskala.

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Als im vergangenen Januar in Berlin jemand für die Spitze des Verteidigungsministeriums gesucht wird, hat ihn kaum einer auf dem Zettel. Boris Pistorius (SPD) selbst wird später sagen, dass der Anruf des Kanzlers überraschend gekommen sei. Ob er die Nachfolge der zurückgetretenen Christine Lambrecht antreten wolle? "Ich musste nicht lange überlegen", erinnert sich Pistorius. Von einer ehrenvollen Aufgabe spricht er, als die Personalentscheidung bekannt wird. Und davon, dass er sich "mit 150 Prozent in diese Aufgabe reinstürzen" werde.

Pistorius wechselt von Hannover nach Berlin

Pistorius ist erst ein paar Stunden im Amt, als er den US-amerikanischen Verteidigungsminister Lloyd Austin in Berlin empfängt. Einen Tag später geht es nach Ramstein in Rheinland-Pfalz, zum Treffen der Ukraine-Unterstützer. Es sind seine ersten Schritte auf internationalem Parkett. Vor seiner Zeit in der Hauptstadt hat sich der politische Wirkungskreis von Pistorius im Wesentlichen auf Niedersachsen beschränkt. Nach sechseinhalb Jahren als Oberbürgermeister seiner Heimatstadt Osnabrück wird er 2013 niedersächsischer Innenminister. Zehn Jahre lang ist er in Hannover für innere Sicherheit zuständig. Und seit einem Jahr für die äußere Sicherheit Deutschlands.

In Berlin scheint es ihm von Anfang an zu gelingen, die eine zentrale Botschaft zu vermitteln: dass er für die Sache brenne. "Er hat alles richtig gemacht, als er ins Amt gekommen ist – mit seinen Reden, mit seinen Initiativen", sagt der Politikwissenschaftler Carlo Masala von der Münchner Bundeswehr-Uni im Gespräch mit BR24. "Er ist beliebt in der Truppe." Bei Standortbesuchen sucht Pistorius tatsächlich immer wieder den Kontakt zu Soldatinnen und Soldaten.

Pistorius will Klartext sprechen

Zu seinem Kommunikationsstil gehört es, dass er auf eine klare Sprache setzt. Nachdem sich die Bundesregierung zur Lieferung von Kampfpanzern an die Ukraine durchgerungen hat, reist er dorthin, wo die Leopard-2-Panzer herkommen – und für längere Zeit fehlen werden: in eine Kaserne im nordrhein-westfälischen Augustdorf. "Es blutet ihnen natürlich das Herz", sagt Pistorius bei einer Begegnung mit Soldatinnen und Soldaten, "dass diese Panzer jetzt abgegeben werden müssen". Doch gehen die Bundeswehrkräfte nach seinen Worten professionell mit der Situation um.

Ein Kümmerer will er sein, ein Ohr für die Truppe haben. Aus Sicht der Grünen-Abgeordneten Sara Nanni ist es Pistorius damit ernst. Für sie kommt es darauf an, wie ein Minister nach innen und außen kommuniziert und wie er sein Haus leitet. Und das mache Pistorius "sehr gut", so Nanni. Auch die FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann lobt den Ressortchef im BR24-Interview. Sie sei "sehr erleichtert, dass er das Amt übernommen hat". Pistorius habe erkennbar Freude an seiner Aufgabe und packe die Dinge an. Auch auf Nachfrage lässt sich die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag keine Kritik entlocken. "Sie suchen jetzt nach dem Haar in der Suppe." Es gebe aber keins, so Strack-Zimmermann.

CSU stellt Pistorius durchwachsenes Zeugnis aus

Beugt sich die Opposition über die Suppe, findet sie durchaus ein Haar. "Die Bundeswehr ist weniger verteidigungsfähig als zu Beginn des Krieges in der Ukraine", sagt Florian Hahn, der verteidigungspolitische Sprecher der Unionsfraktion. Pistorius spreche zwar die richtigen Dinge an, setze sie aber nicht um. Als Beispiel nennt der CSU-Abgeordnete aus Oberbayern die Pläne, bis zu 5.000 Bundeswehrkräfte auf Dauer in Litauen zu stationieren, an der Nato-Ostgrenze. Das Vorhaben steht, nicht aber die Finanzierung.

Enttäuschend liefen für den SPD-Minister die Haushaltsverhandlungen. Pistorius hat ursprünglich zehn Milliarden Euro mehr für den regulären Verteidigungsetat gefordert. Am Ende musste er sich mit 1,7 Milliarden zufriedengeben – ein Betrag, der allein schon wegen gestiegener Löhne benötigt wird.

"Sondervermögen" Bundeswehr: zwei Drittel sind verplant

Erfreulicher ist aus Sicht von Pistorius der Blick auf die bisherige Beschaffungsbilanz. Vom 100-Milliarden-Programm für die Bundeswehr sind inzwischen zwei Drittel verplant, zum Beispiel für neue Schützenpanzer, ein modernes Luftverteidigungssystem sowie Transport- und Kampfhubschrauber. Und auch beim Tempo ist das Verteidigungsministerium nach eigenen Angaben vorangekommen. Die Verträge für Leopard-2-Panzer, die der Bundeswehr nach der Abgabe an die Ukraine zurzeit fehlen, seien in weniger als sechs Monaten unterschriftsreif gewesen. Normalerweise dauert so etwas laut Ministerium bis zu zwei Jahre.

Den Blick auf Meinungsumfragen muss der Minister erst recht nicht scheuen. Seit Februar vergangenen Jahres führt er ununterbrochen die Beliebtheitsliste im ARD-Deutschlandtrend an. Doch solche Rankings können sich ändern. Der Militärexperte Masala sieht Pistorius jetzt an einer "Wegmarke, wo er liefern muss". Die von Olaf Scholz ausgerufene Zeitenwende, die der Minister bei der Bundeswehr umsetzen will: Sie hat gerade erst begonnen.

Verteidigungsminister Boris Pistorius, SPD
Bildrechte: dpa-Bildfunk/Marcus Brandt
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