Wasserdampf steigt aus dem Kühlturm des Atomkraftwerks (AKW) Isar 2.
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Wasserdampf steigt aus dem Kühlturm des Atomkraftwerks (AKW) Isar 2.

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Dobrindt hält AKW-Laufzeitverlängerung um fünf Jahre für denkbar

Während 2011 ein parteiübergreifender Atomausstiegsbeschluss feststand, wackelt elf Jahre später einiges. Die CSU lässt bei der Laufzeitverlängerung nicht locker. Der Gesamtmetallchef fordert sogar den Bau neuer Atomkraftwerke.

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Wegen der Gaskrise diskutiert Deutschland weiter über längere Laufzeiten für Atomkraftwerke. Die CSU will in der Debatte über längere Laufzeiten von Atomkraftwerken den Druck erhöhen. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt hält eine Verlängerung um mehrere Jahre für möglich. Auch andere Politiker von Union und von FDP forderten bereits deutlich längere Laufzeiten - und zwar nicht nur für einige Monate, um kurzfristig mögliche Stromengpässe im Winter zu überbrücken.

Gesamtmetallchef fordert Bau neuer Atomkraftwerke

Nun hat sich auch der Präsident des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall, Stefan Wolf, in die Diskussion eingeschaltet: "Ich halte eine längere Laufzeit der Atomkraftwerke für absolut notwendig", sagte Wolf den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Eine verlängerte Laufzeit der drei noch im Betrieb befindlichen Atomkraftwerke könne die Verstromung von Gas deutlich reduzieren und dazu beitragen, die Stromversorgung zu sichern, wenn wirklich kein Gas mehr zu Verfügung stehe.

"Wir müssen aber auch eine Debatte über den Bau von neuen Atomkraftwerken führen", sagte Wolf weiter. "Weltweit werden derzeit 50 neue Atomkraftwerke gebaut, die Technik hat sich weiterentwickelt. Die EU hat die Atomenergie gerade erst als grüne Energie gekennzeichnet."

Lindner appelliert an Habeck

Auch Bundesfinanzminister Linder (FDP) macht sich dafür stark, wieder mehr auf Atomenergie zu setzen. Er sagte der "Bild"-Zeitung, die Gaskrise dürfe nicht zur Stromkrise werden. Lindner (FDP) fordert Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) dazu auf, die Stromproduktion mit Hilfe von Gas zu stoppen. "Wir müssen daran arbeiten, dass zur Gaskrise nicht eine Stromkrise kommt", sagt Linder der "Bild am Sonntag". "Vieles spricht dafür, die sicheren und klimafreundlichen Kernkraftwerke nicht abzuschalten, sondern nötigenfalls bis 2024 zu nutzen."

Dobrindt: Weitere fünf Jahre Atomkraft denkbar

Dobrindt forderte in der "Welt am Sonntag" eine Entscheidung zur "Vernunft-Energie". Mit Blick auf Russlands Präsidenten Wladimir Putin sagte er: "Wir werden uns noch lange Zeit Putins brutalem Versuch, den Westen durch Energieterror zu destabilisieren, ausgesetzt sehen. In dieser Lage sind Laufzeitverlängerungen für die Kernkraft von mindestens weiteren fünf Jahren denkbar."

  • Zum Artikel: "'Kein Wünsch-dir-was': Bayern drängt auf rasche AKW-Verlängerung"

Im Koalitionsstreit erhob die FDP am Freitag bereits weitere Forderungen: "Wir müssen in den nächsten Wochen neue Brennstäbe bestellen", sagte Fraktionschef Christian Dürr dem "Spiegel". Ein sogenannter Streckbetrieb mit alten Brennstäben sei nicht ausreichend, da die verbliebenen AKW dann nicht unter Volllast Strom produzieren könnten.

Streckbetrieb schließen auch Grünen-Politiker nicht aus

Aktuell sind noch drei Atomkraftwerke in Deutschland am Netz: Emsland in Niedersachsen, Isar 2 bei Landshut in Bayern und Neckarwestheim 2 in Baden-Württemberg. Sie sollen laut aktueller Gesetzeslage aber Ende 2022 abgeschaltet werden. Diskutiert wird unter anderem, sie in einem sogenannten Streckbetrieb einige Monate länger laufen zu lassen. Das schließen auch Grünen-Politiker nicht aus, verweisen aber auf einen neuen Stresstest zur Stromversorgung, den Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Die Grünen) angeordnet hat.

Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Die Grünen) sagte der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" mit Blick auf Isar 2: "Wenn der Stresstest ergibt, dass Bayern tatsächlich ein ernsthaftes Strom- bzw. Netzproblem haben könnte, dann werden wir diese Situation und die dann bestehenden Optionen bewerten."

Trittin bringt Parteitag zur Klärung der Grünen-Position ins Spiel

Zur Klärung der Grünen-Position zu längeren Laufzeiten hält Ex-Umweltminister Jürgen Trittin notfalls einen Parteitag für nötig. "Wenn man ernsthaft eine Änderung des Atomgesetzes wollte, wird das ohne Parteitag nicht gehen", sagte er dem "Tagesspiegel". Trittin betonte, auch ein sogenannter Streckbetrieb sei eine Laufzeitverlängerung. Dafür müsse das Atomgesetz geändert werden. "Das werden wir nicht anfassen", zeigte sich Trittin überzeugt.

Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) hält einen Weiterbetrieb der Atomkraftwerke für nicht genehmigungsfähig - und warnt die Grünen davor, von ihrem Nein dazu abzurücken. "Die Forderungen nach einem Weiterbetrieb der deutschen Atomkraftwerke sind populistisch", sagte BUND-Chef Olaf Bandt schon am Donnerstag. Er sei "erschüttert", dass auch bei den Grünen ein Weiterbetrieb erwogen werde. Vorsitzende Ricarda Lang lehnte eine solche Verlängerung zuletzt klar ab.

CDU-Spitzenkandidat für Niedersachsen: Pragmatische Lösungen

Niedersachsens Wirtschaftsminister Bernd Althusmann hingegen plädiert dafür, die noch drei am Netz befindlichen Atomkraftwerke länger laufen zu lassen. Zwar sollte der Atomausstieg grundsätzlich nicht infrage gestellt werden, sagte der CDU-Spitzenkandidat für die Landtagswahl am 9. Oktober. Angesichts der drohenden Gas- und auch Stromlücke erwarteten die Menschen aber pragmatische Lösungen, um gut durch den Winter zu kommen.

Längere Laufzeit, mehr Atommüll?

Das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (Base) warnt derweil vor einer Zunahme des Atommülls bei einer möglichen Laufzeitverlängerung. Bis zur Inbetriebnahme eines Endlagers gebe es dann "auf Jahrzehnte nur Zwischenlager mit zeitbegrenzter Sicherheitsgarantie", sagte die Leiterin der Abteilung Nukleare Sicherheit, Mareike Rüffer, der "Funke Mediengruppe". Es sei eine gesellschaftspolitische Entscheidung, ob die kurzfristige Versorgungssicherheit höher bewertet werde als der langfristige Schutz von Mensch und Umwelt vor den Gefahren der Radioaktivität.

Base-Präsident Wolfram König äußerte sich schon zuvor skeptisch: "In der momentanen Debatte fehlt ein zentraler Aspekt - wichtigster Maßstab im Umgang mit der Hochrisikotechnologie Atomkraft ist und bleibt die Sicherheit."

Mit Material von dpa und AFP.

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