Robert Habeck, Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, spricht mit Anton Hofreiter
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Robert Habeck, Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, spricht mit Anton Hofreiter

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Der lange Weg zum Heizungsgesetz: Drama mit offenem Ausgang

Eigentlich wollte die Ampel vor der Sommerpause einen Haken unters Heizungsgesetz setzen. Doch nach dem Beschluss des Verfassungsgerichts bleibt das Gesetz auf der Tagesordnung. Eine Zwischenbilanz.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im BR Fernsehen am .

"Gesetze sind wie Würste: Man sollte besser nicht dabei sein, wenn sie gemacht werden." Das Zitat geht auf einen US-amerikanischen Dichter zurück, auch Otto von Bismarck soll es sich zu eigen gemacht haben. In diesen Tagen scheint der Ausspruch aktueller denn je: Der Dauerstreit über das Heizungsgesetz zeigt, wie mühevoll der Gesetzgebungsprozess sein kann.

Dabei hatten die Vertreter von SPD, Grünen und FDP eher nicht den ehemaligen Reichskanzler vor Augen, als sie im Dezember 2021 den Koalitionsvertrag unterschrieben. Überschrift: "Mehr Fortschritt wagen". Eine Anspielung auf den SPD-Kanzler Willy Brandt und dessen Versprechen, die Demokratie im Nachkriegsdeutschland zu stärken. Und mit "mehr Fortschritt" meinten insbesondere die Grünen nicht zuletzt "mehr Klimaschutz".

Habeck drückt beim Klimaschutz aufs Tempo

Robert Habeck macht von Anfang an deutlich, dass er als zuständiger Minister keine Zeit verlieren will. Der Grünen-Politiker ist erst wenige Wochen im Amt, als er eine "Eröffnungsbilanz Klimaschutz" vorstellt. Dabei schwört er das Land auf große Veränderungen ein: "Wir starten mit einem drastischen Rückstand. Die bisherigen Klimaschutzmaßnahmen sind in allen Sektoren unzureichend." Ein Sorgenkind aus klimapolitischer Sicht: der Gebäudesektor und die Art und Weise, wie dort geheizt wird. Nämlich überwiegend mit Öl und Gas.

Deshalb strebt Habeck eine "Wärmewende" an: also den Umstieg auf klimaneutrales Heizen. Als einen wichtigen Baustein nennt das Wirtschaftsministerium schon im Januar vergangenen Jahres eine Überarbeitung des bestehenden Gebäudeenergiegesetzes, mittlerweile auch als Heizungsgesetz bekannt. Mit dem Ziel, dass neue Heizungen künftig zu mindestens 65 Prozent mit erneuerbarer Energie betrieben werden. Das Vorhaben ist da schon klar benannt, doch in der Koalition bleibt es ruhig – und die Öffentlichkeit nimmt kaum Notiz davon.

Ampel beschleunigt "Wärmewende" wegen des Kriegs

Nach dem Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine legen die Ampel-Parteien nach. Ursprünglich sollte die Reform des Heizungsgesetzes erst 2025 in Kraft treten, doch der Krieg führt der Bundesregierung die Risiken vor Augen, die die bisherige Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen mit sich bringt. Also beschließt die Ampel im Frühjahr 2022, die Pläne um ein Jahr vorzuziehen: auf Anfang 2024. Auch das geschieht relativ geräuschlos.

Im Juli 2022 stellen das Grünen-geführte Wirtschaftsministerium und das SPD-geführte Bauressort ein Konzept vor, das bereits eine Reihe von Details zum geplanten Heizungsaustausch enthält. In dem Papier listen die beiden Ministerien Möglichkeiten auf, wie Hausbesitzer die 65-Prozent-Vorgabe erfüllen können: zum Beispiel durch einen Anschluss ans Fernwärmenetz, durch den Einbau einer Wärmepumpe oder durch die Installation einer Hybridheizung, die fossile und erneuerbare Energieträger verbindet. Auch bei dieser Etappe bleiben größere Diskussionen aus. Der Krieg, explodierende Energiepreise und eine drohende Gasknappheit im Winter ziehen alle Aufmerksamkeit auf sich.

Habeck-Pläne werden zum Jahreswechsel konkreter

Insofern dürfte es aus Habecks Sicht nur folgerichtig gewesen sein, die Pläne zum Jahreswechsel voranzutreiben. Zum einen legen die bisherigen Reaktionen nicht nahe, dass das Thema eine solche Brisanz entwickeln würde. Zum anderen erscheint es nach der Energiekrise des vergangenen Sommers einleuchtend, die Abkehr von Öl und Gas zu beschleunigen. Auch im Gebäudesektor.

So entsteht auf der Grundlage des Konzeptpapiers ein erster Entwurf für ein neues Gesetz, der Anfang des Jahres in der Regierung die Runde macht - und schnell in der Redaktion einer großen Boulevard-Zeitung landet, die dem Vorhaben das Etikett "Heiz-Hammer" verpasst. Das ist der Moment, in dem sich eine Welle der Empörung aufbaut. In den Wochen danach gerät Habeck immer mehr in die Defensive. Und Teile der FDP gehen zunehmend auf Distanz zu den Plänen des Grünen-Politikers.

Ampel-Einigung zum Heizungsgesetz nach Marathon-Sitzung

Schnell entwickelt sich ein erster großer Koalitionsstreit rund ums Heizungsgesetz. Rund 30 Stunden brauchen die Ampel-Spitzen bei einem Treffen, um diesen und andere Konflikte zu entschärfen. Danach versprechen die Regierungspartner, die geplante Wärmewende pragmatisch umzusetzen und soziale Folgen abzufedern. Doch Ruhe kehrt damit nicht ein. Im April stimmt das Bundeskabinett den Plänen von Habeck zu. Allerdings hat die FDP nach wie vor so große Vorbehalte, dass Parteichef Christian Lindner in seiner Eigenschaft als Finanzminister sein Ja mit einer Protokollerklärung verbindet. Darin kündigt er Änderungen im parlamentarischen Verfahren an.

Ein Verfahren, das normalerweise gleich nach einem Kabinettsbeschluss in Fahrt kommt. Das Heizungsgesetz aber hängt zunächst in einem politischen Niemandsland fest, irgendwo zwischen Regierung und Bundestag. Denn über Wochen können sich die Koalitionsfraktionen nicht darauf einigen, die Gesetzespläne auf die Tagesordnung des Parlaments zu setzen. Schließlich muss Kanzler Olaf Scholz zusammen mit Habeck und Lindner die Ampel-Abgeordneten auf eine gemeinsame Linie einschwören. Mitte Juni bringt das Regierungsbündnis das Vorhaben dann in den Bundestag ein. Doch zu diesem Zeitpunkt ist die Ampel schon knapp an einer Koalitionskrise vorbeigeschrammt.

Heizungsgesetz: SPD und Grüne drücken aufs Tempo

Und auch in den darauffolgenden Wochen steht das Heizungsgesetz unter keinem guten Stern. Die Ampel-Parteien haben sich zwar auf "Leitplanken" geeinigt, wonach Hausbesitzern mehr Zeit für die Umrüstung von Heizungen gegeben werden soll. Aber der Zeitplan für das Gesetz selbst ist straff. SPD und Grüne wollen, dass der Bundestag die Pläne noch vor der Sommerpause beschließt, damit ihnen der Ärger um die Heizungen nicht die Wahlkämpfe in Bayern und Hessen verhagelt. Die Eile hat allerdings zur Folge, dass der Gesetzentwurf in Teilen schon überholt ist, als die parlamentarischen Beratungen beginnen. Die "Leitplanken" müssen da noch eingearbeitet werden.

Jetzt ist es das Bundesverfassungsgericht, das der Ampel einen Strich durch die Rechnung macht. Die Karlsruher Richter geben dem Eilantrag eines CDU-Abgeordneten statt, der sich durch das angestrebte Tempo bei der parlamentarischen Beratung in seinen Rechten verletzt sieht. Damit ist klar: Die für diese Woche geplante Bundestagsentscheidung muss verschoben werden.

Wenn es nach den Ampel-Fraktionen geht, soll es nun im September so weit sein – nach der parlamentarischen Sommerpause. Doch bis dahin sind es rund zwei Monate. Eine lange Zeit, in der der Streit wieder aufflammen könnte. Das Drama ums Heizungsgesetz: Möglicherweise steht bald der nächste Akt bevor.

Im Audio: Die Woche des Heizungsgesetzes

Das Rednerpult wird im leeren Plenum des Bundestags von der Sonne angestrahlt (Archivbild).
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Das Rednerpult wird im leeren Plenum des Bundestags von der Sonne angestrahlt (Archivbild).

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