07.07.2023, Bayern, München: Manfred Genditzki (M) geht mit Ehefrau Maria (r) nach der Urteilsverkündung im Wiederaufnahmeverfahren um den sogenannten Badewannen-Mordfall aus dem Gericht. Im Münchner Prozess um den sogenannten Badewannen-Mord von Rottach-Egern ist der angeklagte Manfred Genditzki am Freitag freigesprochen worden.
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Freispruch im Prozess um "Badewannen-Mord"

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13 Jahre unschuldig im Knast - Freispruch im Badewannen-Prozess

Im sogenannten "Badewannen-Mord-Prozess" hat das Landgericht München I den wegen Mordes angeklagten Manfred Genditzki nach mehr als 13 Jahren Haft freigesprochen. Dem Mann war vorgeworfen worden, eine Rentnerin in ihrer Badewanne ertränkt zu haben.

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Das Landgericht München I hat den wegen Mordes angeklagten Manfred Genditzki freigesprochen. Nach Verlesung des Tenors sagte die Vorsitzende Richterin zum Freigesprochenen, "So Herr Genditzki, nun haben Sie das Urteil, für das Sie all die Jahre gekämpft haben."

Zwar habe sich Genditzki während der Verhandlung nach außen sehr ruhig gezeigt, dennoch hätte man bei näherer Betrachtung erkennen können, wie es in ihm aussieht, so die Richterin. Es sei ein steiniger Weg für den Angeklagten gewesen, den er mit bewundernswerter Geduld gegangen sei. Die Staatskasse müsse ihn für die zu Unrecht verhängte Gefängnisstrafe entschädigen. Das Justizministerium will Genditzki bei der Rückkehr in ein Leben in Freiheit zu unterstützen und versuchen, seine gesellschaftliche Integrität wiederherzustellen.

Genditzki: "Ich bin unschuldig. Das war's"

Im fast vollbesetzten Gerichtssaal begannen Zuschauer zu weinen. Die Kinder des Angeklagten weinten ebenfalls und umarmten sich. Der Angeklagte nahm das Urteil ohne Regung zur Kenntnis. Zum Abschluss des Prozesses sagte er: "Und: Ich möchte noch sagen, ich bin unschuldig. Das war's."

Ursprünglich war dem heute 63-Jährigen vorgeworfen worden, im Jahr 2008 eine 87-jährige Rentnerin aus Rottach-Egern nach einem Streit geschlagen und dann in ihrer Badewanne ertränkt zu haben. Wegen dieser vermeintlichen Tat saß der Angeklagte bereits 13 Jahre und sechs Monate in Haft, bevor das Landgericht München im vergangenen Jahr erhebliche Zweifel an der Tat erkannt hatte. Mit dem Freispruch war gerechnet worden, da selbst die Staatsanwaltschaft in ihrem Plädoyer diesen beantragt hatte.

Richter hielten Angeklagten des Mordes für schuldig

Es war das nunmehr dritte Verfahren in dem Fall. In zwei vorangegangenen Prozessen hatten die Richter den Angeklagten für schuldig befunden und ihn zu lebenslanger Haft verurteilt. Die Urteile stützten sich größtenteils auf die Aussage eines Rechtsmediziners, der damals ausschloss, dass die Rentnerin, aufgrund eines Schwächeanfalls, selbst in die Badewanne gestürzt und dort ertrunken sein könnte.

Im Video: BR24live zum Wiederaufnahmeverfahren im Badewannen-Mord

03.07.2023, Bayern, München: Manfred Genditzki sitzt vor Prozessbeginn im Wiederaufnahmeverfahren um den sogenannten Badewannen-Mordfall im Gerichtssaal. Das Landgericht München II hatte Genditzki 2010 wegen Mordes zu einer lebenslangen Gefängnisstrafe verurteilt. Er wurde im August 2022 nach 4912 Tagen aus der Haft entlassen, weil es erhebliche Zweifel daran gibt, dass er den Mord tatsächlich begangen hat. Foto: Sven Hoppe/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
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Wiederaufnahmeverfahren im Badewannen-Mord

Neue Gutachten mit Computer-Simulation entscheidend

Im seit April laufenden Wiederaufnahmeverfahren konnte ein Gutachter schließlich mittels Computersimulationen zeigen, dass ein Sturz der Rentnerin als die wahrscheinlichste Ursache anzusehen ist. Nach Überzeugung der Kammer wollte die tote Rentnerin in ihrer Badewanne Wäsche vorwaschen, als sie beim Wasser Einlassen aufgrund einer unbekannten Ursache in ihre Wanne gestürzt und dort zu Tode gekommen sei. Die körperlich stark geschwächte Rentnerin könne sowohl gestolpert, als auch aufgrund eines Schwächeanfalls in die Badewanne gefallen sein. Die bei der Toten festgestellten Hämatome am Kopf können nach Überzeugung des Gerichts bei dem Sturz in die Badewanne entstanden sein.

Keine Anhaltspunkte für Mord

Zudem waren sich mehrere Sachverständige im Verfahren einig, dass die 87-Jährige viel später als ursprünglich angenommen gestorben sein muss. Für den nun errechneten Todeszeitpunkt hat der Angeklagte ein Alibi. Die Todeszeit der Rentnerin lag nach Überzeugung des Gerichts zwischen 16.30 Uhr und 18 Uhr und damit in einem Zeitraum, für den Manfred Genditzki ein Alibi hat. Für einen Mord gibt es laut Gericht keine Anhaltspunkte. Das Gericht widersprach in seinem Urteil ausdrücklich Vorwürfen, Manfred Genditzki hätte sich das Vertrauen der Toten erschlichen oder sie isoliert, um an ihr Vermögen zu kommen. Es gebe zudem keine Hinweise darauf, dass Genditzki irgendetwas mit dem Verschwinden von Geld vom Konto der Angeklagten zu tun habe, so die Vorsitzende Richterin. Wo das Geld geblieben sei, könne man nicht mehr feststellen, heißt es in dem Urteil weiter.

Höhe der Entschädigungssumme umstritten

Nach dem Freispruch stehen Genditzki Entschädigungszahlungen zu. Nach Angaben des Justizministeriums bekommt ein zu Unrecht Inhaftierter 75 Euro Entschädigung pro Haft-Tag. Das wären in Genditzkis Fall insgesamt 368.400 Euro für Jahre, in denen er seine Kinder nicht sah und die Geburt des Enkelkindes verpasste. Bis vor einigen Jahren lag der Satz sogar nur bei 25 Euro pro Tag. Genditzkis Rechtsanwältin Regina Rick hatte bereits angekündigt, dass ihr Mandant sich mit der ihm gesetzlich zustehenden Entschädigung nicht zufriedengeben wird.

Justizministerium will sich den Fall genau ansehen

Das Bayerische Staatsministerium der Justiz hat auf Anfrage des Bayerischen Rundfunks eine allgemeine Stellungnahme zu Freisprüchen in Wiederaufnahmeverfahren geschickt. Dabei aber betont, dass das Justizministerium sich grundsätzlich nicht zu strafrechtlichen Einzelfällen äußere.

Allgemein teilt das Ministerium mit: Es sei eine unerträgliche Vorstellung für jeden Menschen, dass man zu Unrecht zu einer Freiheitsstrafe verurteilt wird. Rechtsprechung sei eine enorme persönliche Verantwortung. Die Justiz müsse ganz genau prüfen, woran es lag, und was man tun kann, damit sich das nicht wiederholt. Den Fall Genditzki müsse und werde man sich ganz genau ansehen, heißt es in der Mitteilung.

Justizministerium will gesellschaftliche Integrität wiederherstellen

Zur umfassenden Aufarbeitung gehöre aber natürlich auch, dass die Justiz auf den zu Unrecht Verurteilten zugehe und bestmöglich versuche, ihn angemessen zu entschädigen und zu unterstützen. Natürlich könne das erlittene Unrecht einer langjährigen Freiheitsstrafe nicht wieder gutgemacht werden, so die Sprecherin in der Stellungnahme.

"Was der Rechtsstaat für den Betroffenen aber im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten tun kann und muss, ist: seine persönliche, gesellschaftliche Integrität wiederherzustellen, ihn angemessen zu entschädigen und – soweit gewünscht – ihn bei der Rückkehr in ein Leben in Freiheit zu unterstützen" heißt in der Mitteilung. So habe man in Bayern zum Beispiel seit vergangenem Jahr ein Unterstützungskonzept für Entlassene nach Wiederaufnahmeverfahren entwickelt.

Mit Informationen von dpa

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