In Frankreich hat es die fünfte Nacht in Folge Ausschreitungen gegeben.
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In Frankreich hat es die fünfte Nacht in Folge Ausschreitungen gegeben.

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Frankreich erlebt fünfte Krawall-Nacht in Folge

In Frankreich hat es die fünfte Nacht in Folge Ausschreitungen gegeben. Innenminister Darmanin spricht allerdings von einer ruhigeren Nacht - dank des entschlossenen Vorgehens der Polizei. Trotzdem gab es erneut hunderte Festnahmen.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Frankreich kommt auch in der fünften Nacht nach dem Tod eines Jugendlichen durch eine Polizeikugel nicht zur Ruhe. Während in einigen Städten die Lage weniger angespannt schien als in den Nächten zuvor, kam es vor allem in Paris, Marseille und Lyon erneut zu Krawallen.

Plünderungen und Sachbeschädigungen

Auf der berühmten Pariser Einkaufsstraße Champs-Elysées war die Präsenz der Sicherheitskräfte massiv, wie eine Journalistin der Nachrichtenagentur AFP berichtete. Kleine Gruppen von in Schwarz gekleideten jungen Männern liefen unter den Augen der Polizisten an den Geschäften entlang, die durch Gitter und Holzplanken vor Plünderungen geschützt waren. Gegen 01.30 Uhr begannen die Sicherheitskräfte damit, die letzten verbliebenen Gruppen von Protestierenden aufzulösen.

In Lyon und Nizza kam es erneut zu Plünderungen. In Marseille lösten die Sicherheitskräfte Ansammlungen junger Menschen im Stadtzentrum auf. Dort war zuvor eine Waffenkammer geplündert worden, deshalb rückte die Polizei mit gepanzerten Fahrzeugen, Hubschraubern und Spezialtruppen aus.

Die Großmutter des getöteten Nahel M. rief die Protestierenden zur Ruhe auf und forderte ein Ende der Gewalt. "Zerschlagt keine Fenster, greift keine Schulen und Busse an, hört auf damit", sagte sie am Sonntag im Sender BFMTV. "Es sind die Mütter, die mit dem Bus fahren, es sind die Mütter, die draußen herumlaufen", fügte sie hinzu

Anschlag auf Haus von Bürgermeister

Inmitten der Unruhen haben Unbekannte einen Anschlag auf das Haus des Bürgermeisters einer Gemeinde im Großraum Paris verübt. Sie hätten in der Nacht zum Sonntag sein Haus mit einem Fahrzeug gerammt und es in Flammen aufgehen lassen, um das Haus in Brand zu stecken, erklärte der Bürgermeister L'Haÿ-les-Roses, Vincent Jeanbrun, am Sonntag auf Twitter. Die Staatsanwaltschaft leitete Ermittlungen wegen Mordversuchs ein. Seine Frau und eines seiner beiden jungen Kinder seien beim Versuch, "den Angreifern zu entkommen", verletzt worden, erklärte Jeanbrun.

Wie die Nachrichtenagentur AFP aus dem Umfeld des konservativen Politikers erfuhr, wurde der Anschlag "gekonnt organisiert, ohne Rücksicht auf die in dem Haus Lebenden". Nach Angaben derselben Quelle steckten die Täter nicht nur ihr Fahrzeug in Brand, sondern auch das Auto von Jeanbruns Familie, bevor sie vor Polizei und Feuerwehr geflüchtet seien. Diese hätten "sehr schnell eingegriffen".

Erneut hunderte Festnahmen

Nach Angaben von Innenminister Gérald Darmanin wurden vergangene Nacht insgesamt 719 Menschen festgenommen. 45 Polizisten und Gendarmen seien verletzt worden. 577 Fahrzeuge und 74 Gebäude seien in Brand gesetzt worden. 871 Feuer auf Straßen wurden den Angaben zufolge gezählt. Trotz alledem sei die Nacht "dank des entschlossenen Vorgehens der Ordnungskräfte" eine ruhigere gewesen, twitterte Darmanin.

Premierministerin Élisabeth Borne lobte die Einsatzkräfte: Angesichts der Gewalttätigkeiten zeigten sie beispielhaften Mut, schrieb sie auf Twitter. 45.000 Polizisten und Tausende Feuerwehrleute seien im Einsatz gewesen, um die Ordnung zu schützen.

Erschossener Jugendlicher beigesetzt

Auslöser für die landesweiten Unruhen ist der Tod eines Jugendlichen durch einen Polizisten. Der 17-Jährige war am Dienstag in Nanterre am Steuer eines Autos von einer Motorradstreife gestoppt worden. Als der junge Mann plötzlich anfuhr, fiel ein tödlicher Schuss aus der Dienstwaffe eines Polizisten. Die Beamten hatten zunächst angegeben, der Jugendliche habe sie überfahren wollen. Erst als sich von Medien verifizierte Videobilder des Vorfalls in den sozialen Netzwerken verbreiteten, rückten sie von dieser Darstellung und der angeblichen Tötungsabsicht des Jugendlichen ab. Der Polizist, der für seinen Tod verantwortlich gemacht wird, kam in Untersuchungshaft. Gegen ihn wurde ein Ermittlungsverfahren wegen Totschlags eingeleitet.

Der Jugendliche wurde am Samstagnachmittag in seinem Heimatort Nanterre nahe Paris beigesetzt. Beobachter hatten zuvor befürchtet, dass die Beerdigung erneut Öl ins Feuer gießen könnte. Doch in Nanterre blieb es "Le Parisien" zufolge bis Mitternacht ruhig.

Auswärtiges Amt aktualisiert Sicherheitshinweise

Das Auswärtige Amt hat inzwischen seine Reise- und Sicherheitshinweise angesichts der Ausschreitungen aktualisiert. Reisende wurden aufgefordert, weiträumig Orte gewalttätiger Ausschreitungen zu meiden. Das gelte für einige Stadtviertel und Vororte von Paris, vor allem in Nanterre, sowie andere größere Städte Frankreichs.

Zudem verweist das Auswärtige Amt darauf, dass im Großraum Paris der öffentliche Personennahverkehr zwischen 21 und 6 Uhr eingeschränkt sei. Die Stadt Clamart im Südwesten der Hauptstadt habe zudem bis 3. Juli eine nächtliche Ausgangssperre zwischen 21 und 6 Uhr verhängt.

Kanzler Scholz sagte am Sonntag im ARD-Sommerinterview, er schaue "natürlich besorgt hin", was gerade in Frankreich passiere. "Ich hoffe sehr und bin auch sicher überzeugt, dass der französische Präsident Wege finden wird, dafür zu sorgen, dass diese Situation sich schnell wieder bessert", sagte Scholz und wünschte Macron "eine gute Hand bei der Bewältigung der ja nicht kleinen Herausforderung".

Ausschreitungen in Schweiz als Reaktion auf Unruhen in Frankreich

Die Unruhen in Frankreich haben auch die Schweiz erreicht. Die Polizei nahm am Samstagabend in der Stadt Lausanne nahe der Grenze zu Frankreich sieben Menschen fest, wie die Nachrichtenagentur Keystone-SDA berichtete. Nach Angaben der Polizei hatten sich mehr als 100 Jugendliche versammelt. Es kam zu Sachbeschädigungen an Geschäften.

Die sieben Festgenommenen seien auf eine Polizeistation gebracht worden, hieß es in einer Mitteilung der Polizei weiter. Es handle sich um sechs Minderjährige im Alter von 15 bis 17 Jahren und einen 24-Jährigen.

Mit Informationen von dpa und AFP

Die fünfte Nacht in Folge ist es zu Ausschreitungen in Frankreich gekommen.
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Die fünfte Nacht in Folge ist es zu Ausschreitungen in Frankreich gekommen.

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