Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (l, SPD) und der polnische Verteidigungsminister Mariusz Blaszczak unterhalten sich zum Abschluss ihres Besuchs beim Deutschen Einsatzkontingent des Flugabwehrraketenverbandes der Air and Missile Defence Task Force (PATRIOT).
Bildrechte: dpa-Bildfunk/Soeren Stache

Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (l.) und der polnische Verteidigungsminister Mariusz Blaszczak beim Truppenbesuch in Polen.

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Bundeswehr in Polen: Einsatz unter schwierigen Bedingungen

Seit Jahresbeginn sind in Polen deutsche Patriot-Einheiten stationiert – nahe der Grenze zur Ukraine. Warschau will, dass die Bundeswehr noch länger bleibt. Doch Boris Pistorius legt sich bei einem Besuch vor Ort nicht fest.

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Es ist eine Landschaft fast wie aus einem Heimatfilm: eine sanfte Anhöhe, ins Grün der Sommerwiese mischt sich das Rot von Klatschmohn, und die Sonne muss sich den Himmel mit nur wenigen Schönwetterwolken teilen. Doch die Zelte und Geräte, die auf der Wiese stehen, gehören zu keiner Filmcrew, sondern zur Bundeswehr. Und der Mann, der sich an diesem Juli-Tag auf der Anhöhe im Osten Polens umschaut, ist kein Regisseur, sondern der deutsche Verteidigungsminister.

Patriot-Kontingent hilft bei Luftraumüberwachung in Polen

Boris Pistorius ist gekommen, um das hier stationierte Einsatzkontingent der Bundeswehr zu besuchen. Die Truppe hat auf der Anhöhe am östlichen Rand des Nato-Bündnisgebiets mehrere Patriot-Systeme stationiert. Bis zur ukrainischen Grenze sind es von hier aus nur etwa 50 Kilometer. Durch die Region verlaufen Schienen, die für Eisenbahntransporte Richtung Ukraine wichtig sind. Mit den Flugabwehrstaffeln hilft Deutschland dabei, den Luftraum über diesem Teil Polens zu sichern.

Auf der Wiese stehen meterhohe Antennen, daneben Leitstand und Radar. Olivgrüne Quader ragen in den Himmel. Darin werden Lenkflugkörper aufbewahrt, mit denen bei einem Angriff gegnerische Flugzeuge oder Raketen zerstört werden können. Pistorius lässt sich zusammen mit dem polnischen Verteidigungsminister Mariusz Blaszczak zeigen, wie solche Lenkflugkörper auf ein Startgerät gesetzt werden. Beide plaudern mit Bundeswehrkräften, die Stimmung scheint gelöst.

Deutsche Patriot-Einheiten an der Nato-Ostgrenze stationiert

Pistorius bescheinigt den Soldatinnen und Soldaten eine "tolle Arbeit", die sie selbst nach seinen Worten durchaus als herausfordernd betrachten. Eine Anspielung darauf, dass die Bedrohungslage hier an der Nato-Ostgrenze eine andere ist als beispielsweise in Mecklenburg-Vorpommern. Dort befindet sich der Heimatstandort der meisten Bundeswehrkräfte, die zurzeit in Polen im Einsatz sind.

"Natürlich ist mir bewusst, dass wir uns hier ziemlich nahe an der ukrainischen Grenze befinden", sagt Majorin Christina. Wie bei Truppenbesuchen üblich, soll der Nachname der Soldatin nicht genannt werden. "Nichtsdestotrotz vertraue ich auf die Fähigkeiten, die wir haben." Ihre Kameradinnen und Kameraden lobt sie für deren "Professionalität".

Patriot-System kann mehrere Ziele gleichzeitig bekämpfen

Die Fähigkeiten, von denen die Soldatin spricht, lassen sich auch mit Zahlen verdeutlichen: Bis zu fünf gegnerische Flugzeuge oder Raketen kann man laut Bundeswehr mit einem Patriot-System gleichzeitig bekämpfen, in einer Entfernung von bis zu 68 Kilometern. Macht das Radargerät des Systems eine Bedrohung aus, wird das an die Feuereinheit weitergeleitet. Von dort würden im Ernstfall Lenkflugkörper abgefeuert.

Wie schnell der Krieg in der Ukraine zur Bedrohung im Nachbarland Polen werden kann, hat ein Vorfall im vergangenen Herbst gezeigt. Damals schlug eine fehlgeleitete Rakete in der Gegend ein, zwei Menschen kamen ums Leben. Die Bundesregierung bot daraufhin an, Patriot-Einheiten nach Polen zu schicken. Doch die polnische Regierung hätte es plötzlich besser gefunden, die Systeme in der Ukraine zu stationieren. Nach längerem Hickhack einigten sich beide Seiten am Ende auf einen deutschen Patriot-Einsatz in Polen.

Polen wünscht sich längere Patriot-Stationierung

Dass es in der deutsch-polnischen Militärzusammenarbeit nach wie vor knirscht, wird auch beim Besuch von Pistorius zu Wochenbeginn deutlich. Allerdings hat sich die Rollenverteilung inzwischen geändert. Lange war es die polnische Regierung, die Berlin Zaudern und Zögern bei den Hilfen für die Ukraine vorwarf – beispielsweise in der Diskussion über Panzerlieferungen. Jetzt aber erinnert Pistorius seine polnischen Gastgeber daran, dass Deutschland mittlerweile der zweitgrößte Unterstützer Kiews nach den USA sei. Und als sein polnischer Kollege den Wunsch äußert, die Stationierung der Patriot-Systeme aus Deutschland bis zum Jahresende zu verlängern, legt sich Pistorius nicht fest.

Stattdessen macht er Druck bei einem anderen Kooperationsprojekt. Dabei geht es um ein Wartungszentrum für Leopard-Panzer, die mittlerweile in der Ukraine im Einsatz sind. Es soll in Polen eingerichtet werden, die Verhandlungen mit den beteiligten Rüstungsunternehmen treten jedoch auf der Stelle. Und dem Vernehmen nach machen manche in Berlin die polnische Regierung dafür mitverantwortlich.

Pistorius besteht auf schnelle Einigung bei Wartungszentrum

Pistorius jedenfalls stellt in Anwesenheit seines Kollegen aus Warschau fest: "Ich bin der Auffassung, dass jetzt die Zeit drängt." Denn eine Wartung der Kampfpanzer gehöre zur "nachhaltigen Unterstützung der Ukraine essenziell dazu", so der SPD-Politiker. Bis Mitte nächster Woche muss aus seiner Sicht eine Einigung her. Ob der Knoten beim Wartungszentrum nun platzt, ist offen. Nach dieser Polen-Reise von Pistorius aber ist klar: Die Bundesregierung tritt im Verhältnis zu Warschau deutlich selbstbewusster auf.

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