Sitzung des CSU-Vorstands

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Asylstreit: Unions-Krisentreffen im Zeichen drohender Spaltung

Zerbricht das Bündnis von CDU und CSU am Asylstreit oder gibt es einen Ausweg? In der CSU gehen viele von einer Verständigung aus, erwarten aber wohl auch, dass die Partei und ihr Chef in der Sache nicht nachgeben. Eine Analyse von Nikolaus Neumaier

Glaubt man den Beteuerungen müsste man sich keine Sorgen machen, dass Deutschland bald ohne Regierung dasteht und Neuwahlen nötig werden. Je näher das Wochenende rückt, desto mehr waren führende CSU-Politiker damit beschäftigt zu versichern, dass niemand in der CSU eine Spaltung der Union oder gar einen Sturz der Kanzlerin wolle.

Vorsichtshalber haben auch schon alle wichtigen Protagonisten angekündigt, dass sie bei Partei- und Bierzeltauftritten nichts Neues zum Asylstreit mit der CDU sagen werden und auch die Ergebnisse des EU-Gipfels nicht öffentlich kommentieren wollen. Die Taktik ist klar. Erstmal auf Tauchgang gehen und warten was passiert. 

War das Gerede vom Zerfall der Union nur Taktik?

Inzwischen halten viele in der CSU eine Verständigung mit der CDU für möglich. Manche führen das auf den gemeinsamen Blick in den Abgrund zurück, der allen Streithähnen gezeigt habe, was man aufs Spiel setzt. Die meisten wissen, dass eine Trennung von CSU und CDU eine weitere Zersplitterung des Parteiensystems bedeuten würde. Es wäre vielleicht sogar der Anfang vom Ende der konservativen Volksparteien CSU und CDU.

Manche halten das Gerede vom drohenden Zerfall der Union auch für eine clevere Taktik, um die Anhänger und Mandatsträger hinter ihrer Führung zu sammeln. Doch auch wenn man in der CSU mehrheitlich von einer Verständigung ausgeht, so wird auch klar, dass sich die CSU in der Sache nicht bewegen wird. Dafür ist der Streit ums Asylrecht und die Zurückweisungen an der Grenze zu sehr zu einer Frage der Glaubwürdigkeit geworden.

CSU wird in der Sache hart bleiben

Was es bedeutet, wenn man eine Versöhnung nur um des lieben Friedens willen inszeniert, musste die CSU und vor allem Horst Seehofer am Wahlabend der Bundestagswahl bitter erfahren. Die Wähler kauften ihm einfach nicht ab, dass er nach seinem heftigen Streit mit Angela Merkel plötzlich wieder ein Herz und eine Seele mit der Kanzlerin sein sollte. Diesen Fehler wird Seehofer nicht mehr wiederholen.

Vor der noch viel wichtigeren Landtagswahl wollen Seehofer und die CSU kein Glaubwürdigkeitsproblem mehr haben. Es könnte aber sein, dass Seehofer und die CSU die Einigung beim EU-Gipfel glaubwürdig als Lösung im Sinne der CSU vertreten können, weil der EU-Gipfel letztlich eine grundlegende Änderung der Asylpolitik eingeleitet hat.

Lässt sich zwischen Merkel und Seehofer eine Brücke bauen?

Auf die Frage, wie der Streit gesichtswahrend beendet werden kann, kursierte bei der CSU in dieser Woche ein Lieblingsszenario. Danach könnte Bundeskanzlerin Merkel mit Verweis auf die schwierige internationale Lage einräumen, dass Europa noch etwas Zeit für die angestrebte europäische Lösung bräuchte - vielleicht ein halbes Jahr, vielleicht ein ganzes Jahr - und deswegen Horst Seehofer zeitlich befristet freie Hand für die Zurückweisungen an der Grenze geben.

Diese würden dann wieder zurückgenommen, wenn eine tragfähige europäische Lösung gefunden ist. In der CSU nennt man das "eine Brücke" über die Merkel und Seehofer oder CDU und CSU wieder zueinanderfinden könnten. So hielten es in den letzten Tagen einflussreiche CSU-Politiker auch für denkbar, dass die Kanzlerin ihren Innenminister eben nicht entlässt, wenn der die Zurückweisungen anordnen würde.

Die Ergebnisse des EU-Gipfels müssten der CSU eigentlich passen

Die spannende Frage ist jetzt: Entsprechen die Ergebnisse des EU-Gipfels den Erwartungen der CSU? Oder konkret: Ist die Verständigung der EU-Staats- und Regierungschefs darauf, dass in den nächsten Jahren ein effektiver EU-Außengrenzschutz aufgebaut, Sammellager in Afrika und geschlossene Aufnahmelager in EU-Mitgliedsländern eingerichtet werden, für die CSU überzeugend?

Auf Linie der CSU müsste auf jeden Fall die Aussage des Gipfels zur sogenannten "Sekundärmigration" sein. Hier heißt es nämlich: "Mitgliedstaaten sollten alle nötigen internen gesetzgeberischen und administrativen Maßnahmen ergreifen, um solchen Bewegungen entgegenzuwirken, und dabei eng zusammenarbeiten." In den Augen der CSU könnte das eigentlich nur bedeuten, dass Deutschland, und damit der CSU-Bundesinnenminister, an den Grenzen zurückweisen darf oder es sogar soll.

Eine Unions-Zukunft ohne Merkel und Seehofer? 

Möglicherweise wäre der Streit nicht so heftig, wenn die Hauptprotagonisten nicht Merkel und Seehofer wären. Obwohl alle betonen, dass es nur um Sachfragen geht, so ist die Wahrheit auch, dass Seehofer und Merkel seit vielen Jahren immer wieder aneinandergeraten sind und sich nichts geschenkt haben. Als Seehofer stellvertretender CDU/CSU Fraktionschef war, wollte Merkel ihn wegen großer Differenzen um die Gesundheitspolitik politisch erledigen. Seehofer trat zurück. Jahre später demütigte Seehofer die Bundeskanzlerin bei einem Parteitag auf offener Bühne. Nach der Bundestagswahl 2017 musste Seehofer einen hohen Preis für die Wahlniederlage zahlen. Er verlor sein Ministerpräsidentenamt, Merkel durfte weitermachen. Jetzt tragen die beiden gewissermaßen ihr Endspiel aus und in der CSU gibt es einzelne Stimmen, die sich fragen, ob die Koalition wirklich am Ende wäre, wenn Merkel ihren Minister Seehofer feuern würde. 

Vielleicht, so die Überlegung einiger, müsste Seehofer gehen, aber nicht gleich die ganze CSU? Das wäre nur dann denkbar, wenn die CSU Seehofer als Parteichef absetzen würde. Es ist ein Szenario. Vorstellbar ist das im Moment aber nicht.

Was macht Söder?

Für manche ist Horst Seehofer ein Getriebener von Alexander Dobrindt und Markus Söder. Beide traten lauter und entschlossener auf als er. Beide gelten auch als aussichtsreiche Anwärter auf den Posten des CSU-Parteichefs. Von daher kommt es auch darauf an, was Dobrindt und Söder sagen. Und weil in Bayern bald Landtagswahlen anstehen, kommt es eben noch ein bisschen mehr darauf an, was Söder sagt. Der hielt sich die letzten Tage eher zurück. Er will abwarten, bewerten und dann entscheiden.

Wenn die CSU umfällt und Merkel zu sehr entgegenkommt, hat Söder ein Problem. Darum kommt es darauf an, wie der Franke zu all dem steht, was da am Wochenende beschlossen wird. Und Söder ist der heimliche Favorit auf den Parteivorsitz. Denn im Gegensatz zu Dobrindt, der durchaus präsent ist, ist Söder neben seiner Präsenz auch noch in der Partei beliebt.

Blick in Geschichte könnte weiterhelfen

Vielleicht weist ja der Blick in die CSU-Geschichte einen Ausweg. Als Franz-Josef Strauß 1976 nach dem historischen Beschluss, die Fraktionsgemeinschaft mit der CDU aufzukündigen, wieder einlenkte, sagte er zur Begründung: Der Trennungsbeschluss sei zwar nicht aufgehoben, aber "durch neue Vorschläge" überlagert worden.

Vielleicht heißt es ja auch nach diesem Wochenende: Die CSU-Beschlüsse gelten zwar weiter, seien aber durch neue Vorschläge überlagert. Nach den Einlassungen führender CSU-Politiker sieht es ganz danach aus, als würde die Fraktionsgemeinschaft von CSU und CDU auch 2018 nicht beendet.