Der CSU-Vorstand hat gestern beschlossen, dass Flüchtlinge ohne Einreiseerlaubnis ab sofort abgewiesen werden. Außerdem sollen Zurückweisungen im großen Stil vorbereitet werden. Dieser Punkt, aber auch Horst Seehofers Asylpläne insgesamt, sorgen weiter für hitzige Diskussionen: Die Grünen haben den sogenannten Masterplan von Bundesinnenminister Horst Seehofer zur Asylpolitik scharf kritisiert. Bundestagsfraktionschef Anton Hofreiter warf Seehofer vor, den "Zusammenhalt der gesamten Europäischen Union zu riskieren".
"Es ist gut, dass nach einer europäischen Lösung gesucht wird, aber es ist schon bezeichnend, dass die CSU bereit ist, für erhoffte Gewinne bei der bayerischen Landtagswahl den Zusammenhalt der gesamten Europäischen Union zu riskieren. Und das in Zeiten von Trump, in Zeiten von Putin, in Zeiten von Erdogan, wo wir sowas wie die Europäische Union dringend bräuchten", sagte Hofreiter in B5. Dies sei "unverantwortlich".
CSU nimmt Deutschland und Europa in Geiselhaft
Einmalig sei zudem, dass die Details des Masterplans nicht bekannt seien. "Abgesehen davon, dass bekannt ist, dass er einen nationalen Alleingang machen will, wissen noch nicht einmal die CSU-Bundestagsabgeordneten, was drin steht. Das heißt, der Herr (Seehofer) und die CSU-Spitze nehmen die ganze Bundesrepublik, ganz Europa in Geiselhaft für einen Plan, den noch nicht einmal seine eigenen Bundestagsabgeordneten kennen", kritisierte der Grünen-Politiker.
Grüne: Große Lager in Libyen befürchtet
Auch Grünen-Chef Robert Habeck kritisierte die Pläne von Seehofer scharf: "Ich glaube, dass die Lösung, die versucht wird herzustellen, große Lager in Libyen sind. Das hat Seehofer gestern beiläufig fallen gelassen", sagte Habeck im Interview mit der radioWelt auf Bayern 2. "Es geht nicht darum, die Lager, die da sind unter UN- oder EU-Mandat zu stellen und besser zu betreuen, sondern diese tatsächlich den Libyern zu überlassen. Seehofer hat das, glaube ich, Schutzzonen genannt. Das heißt also tatsächlich, dass sich Europa nicht mehr um die Flüchtlinge kümmert, sondern wir überlassen das tatsächlich andern Ländern", so Habeck.
Roth (SPD): Keine schnelle europäische Lösung
Der Staatsminister für Europa im Auswärtigen Amt, Michael Roth, dämpfte unterdessen Hoffnungen auf eine schnelle europäische Lösung. Die Asyl- und Migrationspolitik sei ein "mühseliger Prozess", sagte der SPD-Politiker im Inforadio vom rbb: "Es gibt einfach auch Hürden zu überwinden. Da muss mühselige Überzeugungsarbeit geleistet werden. Und wir wollen eben keine nationalen Alleingänge, weil sie uns am Ende schaden." In Europa könne man in dieser Frage "keine schnellen Entscheidungen erwarten", betonte der Staatsminister: "Man darf sich da keinen Illusionen hingeben. Auch wenn wir bilaterale Abkommen erzielen sollten mit einzelnen Staaten, dann wird auch das im Detail nicht innerhalb von wenigen Tagen zu lösen sein."
SPD-Vize Schäfer-Gümbel: Söders Weg ist "brandgefährlich"
SPD-Vize Thorsten Schäfer-Gümbel warf dem bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) vor, die europäische Integration kippen zu wollen. Der gefährlichste Satz von Söder im unionsinternen Flüchtlingsstreit sei der gewesen vom Ende des "institutionellen Multilateralismus", sagte Schäfer-Gümbel im ZDF. "Er hat klar gesagt, er sieht das Ende der europäischen Integration", interpretierte der Sozialdemokrat den CSU-Politiker. Ein solcher Weg aber sei "brandgefährlich" für Deutschland und Europa. Er forderte die Union auf, diese Debatte zu beenden.
Spitzentreffen der Koalition gefordert
CDU-Innenpolitiker Armin Schuster sprach sich unterdessen für ein Spitzentreffen der Koalition aus. Er befürworte einen Koalitionsausschuss vor dem EU-Gipfel Ende Juni, sagte Schuster im Deutschlandfunk. Die SPD-Vorsitzende Andrea Nahles hatte am Montag einen solchen Ausschuss verlangt und erklärt, eine Einigung zwischen CDU und CSU bedeute keinen Automatismus für eine Zustimmung der SPD.
Söder will entschlossen handeln
Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hält derweil den Druck hoch und kündigte ein entschlossenes Handeln seiner Partei an - norfalls gegen den erklärten Willen von Kanzlerin Angela Merkel (CDU). "Sollte es nach dem EU-Gipfel keine endgültige Lösung geben, dann muss endgültig entschieden werden", sagte Söder. Die Pläne der CSU sehen dann vor, Asylbewerber, die in einem anderen EU-Land schon registriert sind, an der Grenze zurückzuweisen. Merkel lehnt dies bislang strikt ab. Söder machte auch keinen Hehl daraus, dass es an eine europäische Lösung nicht glaubt: "Das hat drei Jahre lang nicht funktioniert."
Stoiber: Deutschland ist überfordert
Der ehemalige bayerische Ministerpräsident und CSU-Ehrenvorsitzende, Edmund Stoiber, hält die Masse der unbearbeiteten Asylanträge für eine Gefahr für den Rechtsstaat. Im Interview mit der Bayern 2 radioWelt am Morgen sagte Stoiber: "Deutschland ist überfordert. Das muss man ganz deutlich sagen. Da schützt uns auch Europa nicht", betonte Stoiber.
"Wenn der Bund der Verwaltungsrichter erklärt, wir haben gegenwärtig 400.000 Asylverfahren - das sind 80 Prozent der gesamten Verwaltungsgerichtstätigkeit, die nur noch mit Asylverfahren beschäftigt sind. Andere Themen werden geschoben. Zum anderen zeigt es sich immer wieder, dass Leute in diesem Land sind, die das Recht nicht haben, hier zu sein, und nicht abgeschoben werden." Das untergrabe den Glauben der Bürgerinnen und Bürger in den Rechtsstaat.
Pro Asyl: "Rechtswidriges Verhalten"
Pro Asyl-Chef, Günter Burkhardt, kritisierte die von Seehofer angekündigte Rückweisung von Flüchtlingen an der Grenze als "rechtswidriges Verhalten". "Auch wenn jemand eine Einreisesperre wegen eines bereits abgelehnten Asylverfahrens hat, muss der Fall noch einmal vom Bundesamt bewertet werden", sagte Burkhardt der Düsseldorfer "Rheinischen Post". Schließlich könne jemand, der etwa aus Afghanistan komme, nach Monaten neue Asylgründe haben. Er befürchte nun, dass es an der Grenze "vermehrt zu Kontrollen nach Hautfarbe" komme, sagte Burkhardt.
Aus Sicht der katholischen Kirche fehlt in der aktuellen Asyldebatte oft der Blick auf die Menschen hinter den Flüchtlingszahlen. "Es scheint fast nur noch darum zu gehen, wie wir diese Menschen fernhalten oder loswerden können", kritisierte der Hamburger Erzbischof Stefan Heße.